AUA-Hagelflug: Neue Details bringen Ministerium unter Druck
Die Ermittlungen rund um einen Millionenschaden durch Hagel bei einem AUA-Flug von Mallorca nach Wien werden immer brisanter. Auch bei einem Treffen zwischen den Verantwortlichen der Untersuchungsstelle im Verkehrsministerium (SUB), dem Sachverständigen und der Staatsanwaltschaft Korneuburg gab es keine Einigung über die Herausgabe des Flugdatenschreibers und anderer wichtiger Geräte an die Justiz. Dabei bringen neue Erkenntnisse die Behörde massiv unter Druck.
Denn das Flugzeug ist laut Insidern in den Alternate Mode und später sogar in Direct Law gegangen. Das passiert, wenn mehrere Systeme eines Jets ausfallen. Damit werden der Autopilot und andere Sicherheitssysteme deaktiviert, die Crew muss alles händisch steuern. Das System sorgt im Alternate Mode allerdings dafür, dass der Pilot nur gewisse Grenzen (etwa beim Anstellwinkel oder der Schräglage) erreichen darf - damit soll ein Absturz eines beschädigten Flugzeugs verhindert werden. Bei Direct Law sind schließlich auch diese Limits nicht mehr vorhanden, der Pilot hat freie Hand.
International meist als Unfall deklariert
Prinzipiell sind alle Besatzungen auf Alternate Mode und Direct Law geschult. Jedoch war das im Falle des beschädigten Jets im Blindflug über dem Wiener Stadtgebiet nicht der Fall. Bisher unbekannte Bilder aus dem Gerichtsakt zeigen, dass die Piloten praktisch nicht mehr nach vorne gesehen hatten. Dabei war die seit sieben Jahren aktive Co-Pilotin teilweise alleine, weil der Kapitän offenbar das Cockpit zu verlassen hatte.
Derartige Umstände und selbst leichtere Beschädigungen als bei dem AUA-Airbus werden international als Unfall deklariert. Dann gäbe es eine umfangreiche Untersuchung nach EU-Recht und die heimische Justiz hätte vollen Zugriff auf alle Geräte und Aufzeichnungen. So soll dabei auch hörbar sein, dass der Flugkapitän und seine Co-Pilotin schon in Mallorca erste Meinungsdifferenzen gehabt haben. Und es könnte genau geklärt werden, warum andere Maschinen das Unwetter umflogen und nur die 15 Minuten verspätete AUA mitten durchflog.
Die Behörde im Ressort von Leonore Gewessler (Grüne) beharrt dennoch weiterhin darauf, den gefährlichen Vorfall lediglich als nicht einmal schwere Störung einzustufen. Damit gibt es nur eine eingeschränkte Untersuchung, außerdem bleiben alle Aufzeichnungsgeräte im Ministerium. Weder der Sachverständige, noch der Staatsanwalt dürfen diese nutzen. Und glaubt man mit der Sache vertrauten Personen, dann könnten dabei noch weitere Ungereimtheiten ans Licht kommen.
"Die Einstufung erfolgt auf Basis der europäischen Regelungen durch die weisungsfreie und unabhängige Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes - das ist auch in diesem Fall passiert. Wir bitten um Verständnis, dass der Vorfall Gegenstand laufender Untersuchungen ist und daher noch keine abschließende Detailangaben zu Vorfallhergang und -ursachen gemacht werden können“, heißt es offiziell im Ministerium. "Die Sicherheitsuntersuchungsstelle ist bei der Weitergabe von Daten an strenge europarechtliche und nationale Auflagen gebunden. Selbstverständlich erhält die Staatsanwaltschaft allerdings auf Basis dieser Gesetze Zugriff auf alle Informationen, die für die Ermittlungen erforderlich sind."
"Die neu ans Tageslicht gekommenen Details belegen, wie knapp der AUA-Hagelflug an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist", sagt Passagier-Anwalt Wolfgang List. "Kritisch zu hinterfragen ist auch die Rolle der SUB. Diese hätte diesen Zwischenfall von Gesetzes wegen als schwere Störung einstufen und unmittelbar alle erforderlichen Untersuchungsschritte einleiten müssen. Wir werden genau prüfen, ob die SUB mit ihrem selektiven Vorgehen nicht bereits die Grenze zur Mutwilligkeit überschritten ist und ob hier System dahintersteckt."
Was ist der Modus Direct Law?
Und List weiter: "Die für die Luftfahrt zuständige Ministerin Gewessler fühlt sich offenkundig nicht zuständig, die ihr zugeordnete SUB zur Ordnung zu rufen. Auf die beiden schriftlichen Appelle der Betroffenen des AUA-Hagelfluges hat sie bis dato nicht reagiert. Wir werden genau beobachten, ob hier nun eine objektive und transparente Aufklärung dieses lebensgefährlichen Zwischenfalls stattfindet oder ob hier seitens SUB und AUA weiter blockiert wird."
AUA: Cockpit-Crew nicht im Flugdienst
Die Fluglinie will die neuen Entwicklungen nur so weit kommentieren: "Die laufende offizielle Untersuchung zum Flug OS434 vom 9. Juni 2024 obliegt der SUB, der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes. Was die Frage nach der Einstufung angeht: Diese ist ebenfalls Sache der Behörde. Die Cockpit-Crew, die sich auf dem Flug OS434 am 9. Juni befunden hat, ist aktuell vom Flugdienst freigestellt, um sich voll und ganz auf die psychische Gesundheit zu konzentrieren. Durch die mediale Berichterstattung ist die psychische Belastung auf die beiden betreffenden Personen zu groß geworden. Austrian Airlines nimmt die Sorgfaltspflicht als Arbeitgeber sehr ernst."
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