AUA-Hagelflug: Passagier-Anwalt vermutet Vertuschung
Die Ermittlungen rund um den Hagelflug eines AUA-Airbus am 9. Juni von Palma de Mallorca nach Wien werden zum Skandal. Die zuständige Staatsanwaltschaft Korneuburg hat zwar Ermittlungen gegen unbekannte Täter wegen des Verdachts der fahrlässigen Gemeingefährdung eingeleitet, die Polizei mit Recherchen beauftragt und einen Sachverständigen bestellt.
Doch nach eineinhalb Monaten haben die Ermittler weder einen Zugang zum Flugdatenschreiber (FDR), noch zum Cockpit Voice Rekorder (CVR) der Maschine oder zu anderen Beweismitteln wie dem Wetterradar erhalten.
„Es hat den Anschein, dass der Vorfall vertuscht werden soll“, wettert Anwalt Wolfgang List, der mehrere betroffene Passagiere vertritt. „Es kann nicht sein, dass eine Verwaltungsbehörde wie die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) und die AUA verhindern, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das ist ein Wahnsinn, wir leben doch in einem Rechtstaat. Der Staatsanwalt ist Herr des Ermittlungsverfahrens und er bestimmt, was passiert.“
Nur als Störung eingestuft
Möglich macht das alles die Einstufung durch das Verkehrsministerium - so gäbe es drei Varianten: Störung, schwere Störung oder Unfall. Experten sehen zumindest eine schwere Störung gegeben. Dafür müssten mehrere Systeme beschädigt werden, was auch der Fall war, etwa die Messungen für Geschwindigkeit oder den Staudruck.
Tatsächlich wurde aber nur auf eine einfache Störung entschieden, was Vorteile für die Airline und den Hersteller hat. Denn so dürfen etwa die Radarsysteme nicht vollständig untersucht werden, weshalb Insider bereits von einer "Pseudountersuchung" sprechen. Außerdem verliert die AUA durch die niedrigere Einstufung weniger Plätze im Sicherheitsranking, was wiederum günstigere Versicherungsprämien zur Folge hat.
Die Staatsanwaltschaft hat einen Sachverständigen beauftragt, zu prüfen, wem ein Verschulden an der Gefährdung der 179 im Flugzeug befindlichen Personen anzulasten ist, ob die Piloten ein Wetterwarnung ignorierten und trotz vorhandener Wetterwarnung in das Gewitter einflogen. Außerdem wird geprüft, ob Mitarbeiter der Austro Control unzureichende oder verspätete Wetterwarnungen an das Flugzeug übermittelten. Am 10. Juli hat dann der Staatsanwalt die Sicherstellung des Flugdatenschreibers und des Voice Rekorders sowie anderer Beweismittel wie die Dokumentation der Unfallursache bei der SUB angeordnet.
Justiz kann keine Beweise sichern
Die SUB-Leiterin, Bettina Bogner, reagierte noch am selben Tag verschnupft. Sie argumentierte, dass der Flugdatenschreiber und der Cockpit Voice Recorder „nicht für andere Zwecke als die Sicherheitsuntersuchung verfügbar sind und genutzt werden dürfen“. Außerdem sei sie vor der Sicherstellungsanordnung von der Staatsanwaltschaft nicht angehört worden. Eine Verwendung für Zwecke der Strafverfolgung sei nur zulässig, wenn „die Bedeutung der aufzuklärenden Tat, des Umfangs des verursachten Schadens und der Anzahl der Opfer überwiegt“.
Auch die AUA verweigerte die Herausgabe: Da die SUB den massiven Hagelschlag nicht als Unfall, sondern bloß als Störung einstuft, „darf eine Sicherstellung des Flugdatenschreibers und Cockpit Voice Recorders nicht erfolgen", schreibt ein AUA-Jurist am 16. Juli dem ermittelnden Polizeibeamten. Außerdem meint er, es müsste eine „Interessensabwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Schutz (…) der gewonnenen Daten erfolgen. Ich bitte Sie um Kenntnisnahme, dass wir einer Sicherstellung des Flugdatenschreibers und Cockpit Recorder sowie allfälligen Beteiligteninterviews daher ausdrücklich widersprechen müssen“, schreibt der AUA-Vertreter.
Die Staatsanwaltschaft verweist in einem vierseitigen Schreiben an die SUB-Leiterin nochmals darauf, dass es sich „um einen medial ausnehmend relevanten Strafrechtsfall handelt“. Sie verzichtet auf die physische Sicherstellung des Flugdatenschreibers und des Cockpit Voice Recorders und hält die Übermittlung der ausgelesen Daten durch die SUB für „ausreichend“. „Es wird allerdings ersucht, Sorge dafür zu tragen, dass die Geräte ordnungsgemäß plombiert bleiben und deren Lagerung überwacht wird“, so der Staatsanwalt.
Eingreifen von Leonore Gewessler gefordert
„Die zuständige Verkehrsministerin Leonore Gewessler muss ihren für die SUB verantwortlichen Sektionschef die Weisung erteilen, dass der Staatsanwaltschaft unverzüglich alle Daten übermittelt werden“, betont Anwalt List.
Laut KURIER-Informationen wurden sämtliche Geräte diese Woche von der AUA an das Verkehrsministerium übergeben. Statt von einer unabhängigen Stelle, etwa in Deutschland, sollen die Geräte nun im Airbus-Heimatland Frankreich ausgelesen werden. Auch die endgültige Analyse soll dort stattfinden, obwohl vergangenes Jahr hauseigene Ermittler um teures Geld dafür in Graz ausgebildet wurden.
Aus dem Gewessler-Ressort hieß es am Nachmittag: "Die Klassifizierung eines Vorfalls ist durch die Verordnung (EU) 996/2010 vorgegeben. Diese regelt, wann ein Vorfall als Unfall oder schwere Störung zu qualifizieren ist. Im Zuge der Erhebungen durch die SUB wurde beurteilt, dass es sich bei dem Vorfall weder um einen Unfall noch um eine schwere Störung gemäß Verordnung (EU) 996/2010, sondern um eine Störung handelt. Die Untersuchung einer Störung ist gemäß Verordnung (EU) 996/2010 nicht zwingend, in diesem Fall wird dennoch eine Untersuchung gemäß Sicherheitsuntersuchungsgesetz durchgeführt, da dadurch Erkenntnisse, die zur Sicherheit der allgemeinen zivilen Luftfahrt beitragen können, erhofft werden."
Und weiter: "Der Cockpit Voice Recorder und der Flight Data Recorder wurden zur Sicherstellung der Durchführung weiterer Untersuchungen – seitens der SUB, aber auch der Justiz – von der SUB gesichert und verwahrt. Die Abstimmung mit der Justiz zur umfassenden Beweissicherung laufen kontinuierlich. Der FDR wurde unter Aufsicht der SUB in Österreich ausgelesen. Grundsätzlich ist eine Einbeziehung der Untersuchungsbehörde des Herstellerlands – in diesem Fall Frankreich – in die Untersuchung auf Basis internationaler Regelungen vorgesehen. Das wird natürlich auch hier so gehandhabt."
Kommentare