Der AUA-Flug OS434 am 9. Juni 2024 von Palma de Mallorca nach Wien steckt den 173 Passagieren und 4 Flugbegleiterinnen noch heute in den Knochen, weil das Flugzeug durch einen enormen Hagelschlag in eine Notlage geraten war. Nun wird der schwerwiegende Zwischenfall ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Der Wiener Anwalt Wolfgang List hat am Donnerstag per Einschreiben eine Sachverhaltsdarstellung für zwei Betroffene an die Staatsanwaltschaft Korneuburg abgeschickt. Der Verdacht: fahrlässige Gemeingefährdung. Strafdrohung: bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Obwohl sich die Anzeige, die dem KURIER vorliegt, gegen unbekannte Täter richtet, wird schnell klar, dass die Vorwürfe die beiden Piloten betreffen.
„Aufgrund von neuen Fakten, die in einem KURIER-Artikel vom 17. Juni veröffentlicht wurden, haben die Betroffenen und letztlich auch mich dazu erwogen, diesen Zwischenfall durch Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Korneuburg in die Beurteilung eines unabhängigen Strafgerichts zu begeben“, sagt Anwalt Wolfgang List zum KURIER.
Laut Anzeige wurde der Airbus OE-LBM im Raum Hartberg in eine rund 15 Kilometer hohe Gewitterzellen geflogen, obwohl der Flugmeteorologe der Austro Control „Gewittergefahren mit Hagel für die Region Hartberg“ angesagt hatte.
Lesen Sie hier weiter, wie die Passagiere vermutlich in eine "akut lebensbedrohliche Lage gebracht wurden".
Akut lebensbedrohliche Lage?
„Das Einfliegen in eine Gewitterzelle ist eine signifikante Gefahr für Flugzeuge jeder Größe und Bauart und ist daher strengstens zu vermeiden. Insbesondere können Hagelkörnen in die Triebwerke gelangen und dort so erhebliche Schäden verursachen, dass es zu einem Totalausfall des Antriebs kommen kann“, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung. Mit dem Einflug in die Gewitterzelle sei die Insassen des Flugzeugs in eine „vermutlich akut lebensbedrohliche Lage gebracht“ worden. Trotz der für den Raum Hartberg publizierten Wetterwarnung wurde das Flugzeug „mitten in ein Hagelgewitter hineingesteuert, obwohl ein Umfliegen ohne weiteres möglich gewesen wäre“.
„Die Folge waren massive und strukturelle Einschlagschäden an Cockpitscheiben, Triebwerksaufhängungen, Tragflächen, Vorflügen, Triebwerksschaufeln und Bugverkleidung“, heißt es in der Anzeige weiter. „Für die 173 Passagiere und die vier Mitarbeiterinnen des Kabinenpersonals bestand in dieser Phase eine vermutliche Gefahr für Leib und Leben. Dies wurde von den Flugzeuginsassen auch so wahrgenommen.“ Aktuelle Medienberichte liefern „konkrete Anhaltspunkte, dass den Verkehrsflugzeugführern hinsichtlich der Gefährdung der Passagiere und Kabinenmitarbeiter grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist“. Laut Anwalt List liege ein Anfangsverdacht in Sachen Gefährdung von Leib und Leben der Passagiere gegen die beiden Piloten vor.
SUB klärt keine Haftungsfragen
Obwohl die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) diese „schwere Störung“ in der Luftfahrt untersuche, kann diese Untersuchung eine strafgerichtliche Aufarbeitung nicht ersetzen, da diese weder strafrechtliche noch zivilrechtliche Schuld- und Haftungsfragen kläre“, schreibt Anwalt List. Das Ziel der SUB sei die Feststellung der Ursache eines Vorfalls, um Sicherheitsempfehlungen ausarbeiten zu können. Damit am Ende auch nichts verschleiert werden kann, ersucht List die Staatsanwaltschaft Korneuburg, die erforderliche Strafverfolgung aufzunehmen.
Lückenlose Aufklärung gefordert
„Es geht hier nicht darum, einzelne Personen anzuprangern oder deren Verurteilung zu fordern. Auch fordern wir in keiner Weise einen wie auch immer gearteten Schadenersatz“, sagt Anwalt List. „Unser ausschließliches Ansinnen ist die lückenlose Aufklärung dieses gefährlichen Zwischenfalls, der eine große Anzahl an Personen in Lebensgefahr gebracht hat. Und idealerweise zieht man daraus auch Lehren für die Zukunft, damit ähnlichen künftig nicht mehr passiert.“
Stellungnahme der AUA
"Die genannte Sachverhaltsdarstellung ist uns unbekannt. Bis dato wurde Austrian Airlines zu diesem Thema nur durch mediale Anfragen in Kenntnis gesetzt. Daher bitten wir um Verständnis, dass wir uns dazu nicht äußern können". teilt eine AUA-Sprecherin dem KURIER mit.
Indes hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg den Fall an die Kollegen in Graz abgetreten, weil der Vorfall im Luftraum über Hartberg stattgefunden hat.
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