Lobautunnel: Showdown im Aufsichtsrat der Asfinag

Lobautunnel: Showdown im Aufsichtsrat der Asfinag
Die beiden Vorstände der Asfinag müssen heute vom Aufsichtsrat das Straßenbauprogramm 2022 absegnen lassen. Das wird wegen des von Ministerin Gewessler verordneten Baustopps ein schwieriges Unterfangen.

Wenn sich heute, Dienstag, der Aufsichtsrat der Straßenbaugesellschaft Asfinag trifft, um das von den Vorständen Josef Fiala und Hartwig Hufnagl vorgelegte Straßenbauprogramm 2022 zu besprechen, dann stehen die Zeichen auf Widerstand. Denn nicht alle Mitglieder können und wollen sich damit abfinden, dass Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) angeordnet hat, Projekte wie etwa der Weiterbau der Schnellstraße S1, der bereits gesetzlich verankert ist, über das Straßenbauprogramm auszuhebeln. Oder einfach gesagt: Den Bau des Rings um Wien nicht mehr durchzuführen.

Der Widerstand gründet auch auf rechtlichen Bedenken, weil die Asfinag als weisungsfreie Aktiengesellschaft keinen politischen, sondern einen wirtschaftlichen Auftrag habe. Mit der Folge, dass bei Verstößen gegen die Grundsätze des Aktiengesetzes es auch zu Haftungsansprüchen kommen kann. Wie man hört, sollen sich einige Aufsichtsratsmitglieder deswegen im Vorfeld der heutigen Sitzung bereits anwaltlich beraten lassen.

Einige Mitglieder haben deswegen auch schon angedeutet, dass sie gegen das Straßenbauprogramm stimmen werden. Unter anderem, weil dort das nächste Stück der S1 nicht mehr enthalten ist, in dieses Projekt aber bereits 150 Millionen Euro investiert worden sind. Für Ärger hat auch gesorgt, dass sich die Vorstände erst einen Tag vor der Sitzung bei den Aufsichtsratsmitgliedern gemeldet hätten.

Und es soll auch die Rolle von Herbert Kasser, Generalsekretär im Verkehrsministerium, hinterfragt werden. Er ist Vorsitzender-Stellvertreter des Asfinag-Aufsichtsrats, soll aber auch im Auftrag der Ministerin jene Evaluierung der Straßenbauprojekte angeordnet haben, die letztlich zum Baustopp geführt haben.

Offener Brief an Aufsichtsräte

Die Haftungsfrage ist auch ein wesentlicher Teil eines offenen Briefes, den die Aufsichtsratsmitglieder im Vorfeld der Sitzung vom Verein "Ja zur S8" erhalten haben. Dahinter stecken die niederösterreichischen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ, die um die Errichtung der Marchfeld Schnellstraße S8 kämpfen. Für dieses Projekt ist es notwendig, dass die S1 weitergebaut wird. In dem Brief wird konkret auf die Notwendigkeiten der Aktiengesellschaft Asfinag eingegangen. Vor allem, dass sich die unternehmerischen Entscheidungen der Aufsichtsratsmitglieder "primär am Unternehmenswohl" zu orientieren haben. Wobei auch der Vorstand darauf hingewiesen wird, dass er "die Gesellschaft unter eigener Verantwortung und zum Wohle des Unternehmens" zu leiten habe.

Zitat aus dem Brief: "Unserer Ansicht nach muss die Asfinag die S1 in das Asfinag-Bauprogramm für 2022 aufnehmen, zumal bereits 150 Millionen Euro an Planungskosten investiert worden sind und erforderliche Genehmigungen mit diesem enormen Aufwand rechtskräftig erwirkt worden sind." Ist die S1 nicht im Programm, dann gehen diese 150 Millionen Euro verloren, so die Schlussfolgerung. Und: "In diesem Zusammenhang kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass dahingehend strafrechtliche Vorwürfe im Hinblick auf § 153 StGB gegen die verantwortlichen Entscheidungsträger der Asfinag erhoben werden."

Kritik des SPÖ-Verkehrssprechers

„Ministerin Gewessler schrammt am Amtsmissbrauch entlang. Eigentümer der Asfinag sind die Staatsbürger“, sagt Ex-Verkehrsminister und SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger zum KURIER. „Der Gesetzgeber hat ihr den Auftrag gegeben, die S1 zu bauen – allen Ministern davor auch schon. Daran hat sich eine Ministerin zu halten. Wenn sie glaubt, das ist nicht gescheit, muss sie mit einer Regierungsvorlage den Anhang zum Bundesstraßengesetz ändern. Das hat sie nicht getan.“

Das Gesetz richte sich in erster Linie an die Ministerin, in zweiter Linie an den Vorstand der Asfinag und in dritter Linie an den Aufsichtstrat. „Der Asfinag-Vorstand müsste seine Pläne weiter verfolgen“, sagt Stöger. Für ihn wird vor allem die Rolle von Herbert Kasser, Generalsekretär im Verkehrsministerium und Vize-Aufsichtsratschef in der Asfinag, spannend werden. Auch er ist als Beamter an das Aktiengesetz gebunden.

Stöger: „Die Ministerin ist an das Gesetz gebunden und wenn man das nicht mehr will, sind wie im Nirwana. Mich wundert, dass die grünen Regierungsmitglieder keine Sensibilität für Demokratie haben.“

FPÖ fordert Gewesslers Rücktritt

Die Freiheitlichen haben am Montag erneut Kritik an Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) wegen der Absage an mehrere Straßenbauprojekte geübt. Verkehrssprecher Christian Hafenecker und der niederösterreichische Landtagsabgeordnete Dieter Dorner attestierten der Ministerin „Gesetzesbruch“ und forderten den Rücktritt.

Hafenecker stieß sich insbesondere an den neuen Plänen für die Traisental Schnellstraße (S34), die nun nicht in der geplanten Form umgesetzt wird. „Unsere Landsleute im Zentralraum warten seit fast 50 Jahren. Alle Einsprüche von Gegnern wurden abgewiesen und auch die Umweltverträglichkeit ist gegeben. Die Beerdigung der S34 ist ein Schlag ins Gesicht für alle St. Pöltner und Menschen im Bezirk Lilienfeld“, wurde betont.

Verlangt wurde in einer Aussendung der sofortige Baubeginn „aller wichtigen Infrastrukturprojekte in Niederösterreich und um Wien“. Gefordert sah Dorner auch die ÖVP, die das Vorgehen Gewesslers „gegen die Interessen von rund 90 Prozent der Bevölkerung“ unterstütze.

Appell von Landeshauptleuten Mikl-Leitner und Ludwig

Die Haltung des Klimaschutzministeriums (BMK) zum Bau des Lobautunnels ist für die Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner und Michael Ludwig, sowie die Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck und Wolfgang Ecker zunehmend unverständlich.

"Der Lobautunnel ist durch viele Verfahren, darunter auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung, genehmigt worden. Er ist im Bundesstraßengesetz und im Bauprogramm der ASFINAG verankert. Dieser wichtige Lückenschluss des Regionenrings muss daher umgehend umgesetzt werden. Mikl-Leitner, Ludwig, Ruck und Ecker appellieren ein letztes Mal an die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Politik und der ASFINAG auf Basis der Gesetze und des Rechtsstaates zu agieren. Heute stehen dazu wichtige Entscheidungen zum Bauprogramm im Aufsichtsrat der ASFINAG an", heißt es in einer Aussendung.

„Die völlig intransparenten Entscheidungen zum Lobautunnel und zum S1-Teilstück mit dem Anschluss zur S8 sind ein Schlag ins Gesicht für die gesamte Ostregion. Die Menschen vor Ort leiden und werden seit fast 20 Jahren vertröstet. Das ist ein untragbarer Zustand. Genau aus diesem Grund werden wir mit allen Mitteln darauf drängen, dass die Anliegen der Menschen vor Ort ernstgenommen und auch die Beschlüsse des Parlaments eingehalten werden. Denn die Menschen im Osten Österreichs einfach im Stich zu lassen, wird es nicht spielen", sagt Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich.

Und weiter heißt es: "Mit der seit vielen Jahren geplanten und im Bundesstraßengesetz festgeschriebenen Nordostumfahrung werde nicht nur der Durchzugsverkehr aus der Stadt verbannt, sondern auch die wesentliche Voraussetzung für die weitere Stadtentwicklung im Nordosten Wiens geschaffen. Die Planungen und Vorarbeiten wurden auch von den verantwortlichen Verkehrsstadträtinnen der Grünen mitentwickelt und vorangetrieben. Neben dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, wie U-Bahn, neuen Straßenbahnen und Bussen brauche es für die neuen Stadtteile und ihre rund 60.000 zusätzlichen BewohnerInnen auch eine Verkehrsanbindung über die Straße."

Der Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Ludwig betont: „Dieses über viele Jahre erarbeitete Projekt ist für die Entwicklung der gesamten Ostregion enorm wichtig. Es ist für die Stadt und die Stadtentwicklung von zentraler Bedeutung, insbesondere auch für die Entlastung der Bewohnerinnen und Bewohner durch die Umleitung des Durchzugsverkehrs. Es hat sämtliche demokratischen Entscheidungsprozesse durchlaufen und darf nicht aus politischer Willkür ohne jeglicher Rechtsgrundlage gestoppt werden.“
 

Aufruf der Wirtschaftskammerpräsidenten Ruck und Ecker

„Höchstrichterlich ist bereits 1990 entschieden worden, dass die ASFINAG im Bundesstraßengesetz verankerte Straßenprojekte umgehend realisieren muss. Der Aufsichtsrat der ASFINAG wiederum darf aus dem Bauprogramm der Gesellschaft keine Projekte streichen, die gesetzlich fixiert sind. Auch das ist juristisch belegt",  sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. "Entscheidungen über wichtige Infrastrukturprojekte wie den Lobautunnel dürfen im BMK nicht willkürlich und ohne jegliche Rechtsgrundlage fallen. Diese Haltung ist umgehend zu korrigieren. Vorstand und Aufsichtsrat der ASFINAG sind gut beraten sich hier im Rechtsrahmen zu bewegen und so Schäden für die Aktiengesellschaft, den Wirtschaftsstandort und die Menschen in der Ostregion abzuwenden.“

Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, beschreibt die wirtschaftlichen Schäden für die gesamte Region, wenn der Lobautunnel nicht realisiert wird: „Allein in der Bauphase entgehen dem niederösterreichischen und Wiener Wirtschaftsstandort 1,5 Milliarden Euro zusätzliches Bruttoregionalprodukt. Außerdem werden damit 14.000 Arbeitsplätze nicht geschaffen.“ Auch die weitere positive Entwicklung dieser aufstrebenden und stark wachsenden Region wird dadurch blockiert. „Selbst wenn der S1-Lückenschluss doch gebaut wird, endet die Straße kurz vor Groß-Enzersdorf praktisch im Niemandsland, wenn die Querung der Donau entfällt. Das bringt weder eine Verkehrsentlastung der permanent verstopften Südosttangente noch hilft es Wirtschaft oder Bevölkerung“, so Wolfgang Ecker.

Sollten sich das Klimaschutzministerium und in der Folge auch die ASFINAG weiterhin außerhalb des Rechtsstaates bewegen, werden Mikl-Leitner, Ludwig, Ruck und Ecker alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um das zu unterbinden.

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