Die Radfahrer-Novelle startet – und bringt neue Konflikte
Am 1. Oktober treten neue Regeln für den Radverkehr in Kraft, der den Zweiradfahrern mehr Rechte gegenüber den Autolenkern gibt. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht in der 33. StVO-Novelle einen wichtigen Schritt zur Attraktivierung des Fahrrades. Kritiker befürchten hingegen enorme Kosten und mehr Verkehrstote.
Rechtsabbiegen bei Rot, Fahren gegen die Einbahn, ein Reißverschlusssystem am Ende des Radweges und Nebeneinanderfahren – das wird Radfahrern künftig (häufiger) erlaubt sein. Allerdings gilt dies nur in bestimmten Situationen, was das Ganze kompliziert macht. Wer hat Vorrang, wenn Fahrrad und Auto in der Einbahn zusammentreffen? Haben Radfahrer Nachrang, wenn sie bei Rot abbiegen?
Der KURIER und die Rechtsabteilung des ÖAMTC geben einen Überblick zu den neuen Regeln und möglichen Konfliktsituationen – und zur Vorwarnung sei gesagt, es ist alles ziemlich kompliziert:
Fahren gegen die Einbahn ist weiterhin nur möglich, wenn dies durch Verkehrszeichen (am Anfang und Ende) ausdrücklich erlaubt wird. In Wohnstraßen darf auch ohne besondere Kennzeichnung gegen die Einbahn geradelt werden (aber nur mit Schritttempo).
Komplizierte Vorrangregeln
Ein Problem ist die Vorrangsituation für aus der Einbahn Kommende an den Kreuzungen mit Querstraßen. Ohne Radfahranlage gilt entweder der Rechtsvorrang (!) oder die jeweilige Vorrangbeschilderung. Wer eine Wohnstraße verlässt, hat immer Nachrang.
Rechtlich ist es außerdem so, dass jedem die Hälfte der Straße gehört, damit haben Autofahrer de facto Wartepflicht in (engen) Einbahnen.
Künftig haben Radfahrer beim Verlassen des Radwegs nicht mehr Nachrang, wenn dieser parallel zur Fahrbahn endet – es gilt das Reißverschlusssystem. Autofahrer müssen Biker einordnen lassen. In der Praxis wird es wohl zu vielen Situationen kommen, die erst ausjudiziert werden müssen. Was genau parallel ist, kann Auslegungssache sein. Außerdem gilt das nur im Ortsgebiet.
Für das Überholen von Fahrrädern und Rollern wurde erstmals ein Seitenabstand festgelegt. Dieser soll im Ortsgebiet in der Regel mindestens 1,5 Meter betragen, außerhalb des Ortsgebietes mindestens zwei. Fährt man selbst aber nicht schneller als 30 km/h, kann der Seitenabstand auch geringer sein. Kann ein ausreichender Seitenabstand nicht eingehalten werden, darf nicht überholt werden, weshalb Radfahrer künftig Straßen de facto blockieren können.
Per 1. Oktober wird die Möglichkeit für die Behörden geschaffen, sowohl das Rechtsabbiegen als auch das Geradeausfahren bei T-Kreuzungen bei Rot für den Fahrradverkehr zu erlauben, sofern eine entsprechende Zusatztafel angebracht ist. In jedem Fall ist vor der roten Ampel anzuhalten. Wer die Kreuzung dann nach rechts/geradeaus bei Rot übersetzen will, darf dies nur dann tun, wenn keine Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet werden (Achtung auf Fußgänger und Fahrzeuge, die gerade Grün haben – im Zweifelsfall also stehen bleiben.)
In Wien werden nun im Laufe des Oktobers in einem ersten Schritt zehn Kreuzungen zum Rechtsabbiegen bei Rot freigegeben. Etwa am Franz-Josefs-Kai, auf der Arsenalstraße und in der Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße (die gesamte Liste finden Sie auf kurier.at/chronik/wien) Alle diese Kreuzungen werden im Laufe des Monats mit entsprechenden Hinweisschildern versehen, heißt es aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Das Rotabbiegen ist erst dann erlaubt, wenn diese Kreuzungen mit den entsprechenden Schildern und Hinweisen umgerüstet worden sind.
Bisher war das Nebeneinanderfahren von Radfahrern nur auf bestimmten Straßen (Radwege, Fahrradstraßen, Wohnstraßen und Begegnungszonen) sowie für Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern zulässig. Mit der Neuregelung wird das Nebeneinanderfahren von maximal zwei einspurigen Radfahrern zusätzlich auf Fahrbahnen mit zulässigem Maximaltempo 30 km/h erlaubt, sofern es das Verkehrsaufkommen zulässt, niemand am Überholen gehindert wird, niemand gefährdet wird und es sich bei der Straße nicht um Schienenstraßen oder Vorrangstraßen handelt.
Im Falle der Begleitung eines Rad fahrenden Kindes unter 12 Jahren wird das Nebeneinanderfahren, ausgenommen auf Schienenstraßen, immer zulässig sein.
Dazu gibt es noch ein paar Kuriositäten: Die Behörde kann künftig Radwege für landwirtschaftliche Fahrzeuge freigeben. Es kann Ihnen also künftig ein Mähdrescher am Radweg entgegenkommen. Falls Sie deshalb die Polizei rufen, dann kann diese künftig mit einem Fahrrad mit Blaulicht kommen, auch das ist ab Samstag erlaubt.
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