Experte für komplette Neuüberarbeitung von Gewesslers Rad-Novelle
Seit 30 Jahren sitzt Martin Hoffer in Expertengruppen des Parlaments und des Verkehrsministeriums. Der ÖAMTC-Chefjurist ist Autor mehrerer Standardwerke zu verschiedenen Verkehrsgesetzen und hat selbst an vielen Novellen der Straßenverkehrsordnung mitgewirkt.
Niemand weiß besser als er, wie kleine Gesetzesänderungen dramatische Auswirkungen im Verkehrsgeschehen haben können. Von der aktuellen Novelle, die Radfahrern und Fußgängern mehr Rechte gibt, hält Österreichs führender Experte merklich wenig.
KURIER: Laut Ankündigung von Leonore Gewessler bringt die StVO-Novelle "mehr
Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer" und revolutionäre Veränderungen. Sehen Sie das auch so?
Hoffer: Es ist sicher keine neue, Epoche machende Straßenverkehrsordnung, sondern es sind ein paar Punkte, wo man sieht, dass Radlobby und Fußgängervertreter sich stärker wiederfinden als zum Beispiel Auto- oder Motorradfahrer. Wir werden sicher im Begutachtungsverfahren das eine oder andere zu heiklen Punkten anmerken, die die Gefahr einer Verschlechterung des Klimas im Verkehr und Unsicherheitsgefühle bei manchen bringen. Einiges ist vernünftig, anderes wird wohl eher als Provokation empfunden.
Was zum Beispiel?
Das mittlerweile ohnehin nur auf das Ortsgebiet abgeschwächte Nebeneinanderfahren von Radfahrern. Die Gefahr ist dann immer, dass Leute aufgrund von Halbinformationen sich falsch verhalten. Das haben wir etwa am Anfang von Fahren gegen die Einbahn gesehen. Und wenn man jetzt an Abbiegen bei Rot denkt, wird das auch dort stattfinden, wo es keine entsprechenden Schilder gibt.
Das Rechtsabbiegen bei Rotlicht...
...ist ein gutes Beispiel, dass man das Problem auch mit bestehenden Mitteln, etwa einem speziellen Lichtzeichen zum Rechtsabbiegen für Radler, lösen könnte. Es besteht durchaus die Gefahr, dass Fußgänger und Radfahrer nicht nur Vorteile haben.
Meinen Sie, dass die Novelle noch einmal neu gemacht und gedacht gehört?
Aufgrund der zu erwartenden Stellungnahmen der Experten, auch anderer Institutionen, zu denen wir Kontakt haben, wäre es durchaus verantwortungsbewusst, diese einzuarbeiten und noch einmal zur Begutachtung auszuschicken. Das sind so viele Punkte, dass ein paar redaktionelle Änderungen nicht reichen werden. Es ist aber immer die Frage, wie weit die Politik bereit ist, den Experten zu folgen.
Wie soll es also weitergehen am besten?
Gut wäre es, wenn sich Vertreter aller Gruppen bis hin zu Einsatzkräften, Straßenbahnbetreibern und Motorradvertretern an einen Tisch setzen und überlegen, wie gehen wir mit den einzelnen Punkten um. Schwerpunktmäßig wurden ja nur die Vorschläge aus dem Unterausschuss Radverkehr in ein Gesetz gegossen. Und hat nun die Wahl zwischen zahnlos und konfliktbeladen-chaotisch.
Für Konflikte sorgt auch der fixe Seitenabstand (1,5 Meter im Ortsgebiet, 2 Meter im Freiland, Anm.). Wird das den Verkehr tatsächlich blockieren, wie manche fürchten?
Da bin ich zurückhaltend. Ich finde schon, dass man Radfahrern einen sicheren Abstand zubilligen sollte. Aber es ist nicht nur diese Vorschrift sanierungsbedürftig. Wenn die Fahrspur etwa sehr eng ist und daneben ein ohnehin kaum befahrener Gleiskörper ist, kann man sich die Frage stellen, ob die dortige Sperrlinie schlau ist. Das ist nur ein Beispiel.
Wenn ich ein Sicherheitspaket für Radfahrer mache, wäre doch eine Helmpflicht angebracht...
Es gibt eine für Kinder bis zwölf Jahre und dabei gab es wenig Widerstand. Ein Gegenargument ist sicher die schlechtere Attraktivität eines nachhaltigen Verkehrs. Schaden würde es wohl nicht, speziell bei ebikes.
In einer weiteren Novelle sollen Autos von Extremrasern beschlagnahmt werden können, das dürfte rechtlich heikel werden.
Eines der Grundrechte ist in Österreich das Recht auf Eigentum. So einen starken Eingriff sollte jedenfalls nur ein Gericht durchführen dürfen und nicht eine Verwaltungsbehörde. Erst vor wenigen Monaten wurde die Grenze für Geschwindigkeitsdelikte auf fünftausend Euro festgelegt. Es wäre verfassungsrechtlich wohl bedenklich, Vermögenswerte im vielleicht sogar sechsstelligen Bereich zu beschlagnahmen und dann für verfallen zu erklären.
Die wichtigsten und umstrittensten Änderungen der geplanten StVO-Novelle:
Die Behörde kann durch Verordnung Kreuzungen bestimmen, an denen die Lenker von Fahrrädern trotz roten Lichts rechts abbiegen oder bei T-Kreuzungen geradeaus fahren dürfen, wenn sie zuvor angehalten haben und eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs in der freigegebenen Fahrtrichtung, nicht zu erwarten ist. Ausserdem muss eine entsprechende Zusatztafel angebracht sein.
Eine Verpflichtung zur Freigabe des Radfahrens gegen eine Einbahn gilt in folgenden Fällen:
- Einbahnstraßen im untergeordneten Straßennetz mit nur einem Fahrstreifen, ausgenommen Abbiegespuren
- Höchstgeschwindigkeit bis 30 km/h
- Die Fahrbahn hat einen Querschnitt von mehr als 4 Meter ohne angrenzende Parkplätze
- Wenn aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs keine Bedenken bestehen
Bei jedem Überholen muss ein Sicherheitsabstand gegenüber Fahrrädern und Rollern eingehalten werden - im Ortsgebiet mindestens 1,5 Meter und außerhalb des Ortsgebietes mindestens 2 Meter.
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