Aktenskandal: Rechnungshof-Prüfer gaben Einblick in chaotische Zustände

Aktenskandal: Rechnungshof-Prüfer gaben Einblick in chaotische Zustände
Kein Aktensystem, kein Controlling, Personalmangel. Erneut Kritik am Bürgermeister. Rund 3000 Akten verjährten, 1669 Fälle wegen Untätigkeit.

Mitglieder des Bundesrechnungshofs (RH) reisten am Montag nach Linz, um ihren harschen Prüfbericht zum Aktenskandal im Kontrollausschuss des Gemeinderats zu erörtern. Knapp zwei Stunden standen die Prüferinnen und Prüfer, angeführt von Sektionschefin Barbara König Rede und Antwort. Sie gaben einen detaillierten Einblick in die Aktenaffäre. Zur Erinnerung: Der Linzer Aktenskandal wurde von der Finanzpolizei und dem KURIER aufgedeckt.

Rund 3000 Akten verjährten

So waren von der Strafabteilung der Stadt Linz zwischen 2010 und 2017 rund 23.500 Akten bearbeitet worden, aber 1669 Fälle verjährten alleine wegen völliger Untätigkeit. Insgesamt verjährten über 3000 Akten. Bei den Verjährungen entfallen 485 Anzeigen bzw. 29 Prozent auf die Finanzpolizei.

 

Aktenskandal: Rechnungshof-Prüfer gaben Einblick in chaotische Zustände

SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger steht heftig in der Kritik

„Die Prüfer des Rechnungshofs waren sehr erstaunt, welches Chaos im Linzer Aktenverwaltungssystem herrscht“, sagt ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Steiger zum KURIER. „Die Prüfer waren auch erstaunt, dass man in Linz den Eingang der Strafzahlungen nicht auf einen Knopfdruck sehen kann, sondern dass es mehrerer Anläufe bedarf, bis man zu einem Ergebnis kommt.“

Keinen Überblick über die erledigten Fälle

Als Ursachen für die Aktenaffäre führten die RH-Prüfer folgende Faktoren an: Ein unzureichendes Controlling, eine mangelnde IT-Ausstattung, ein fehlendes internes Kontrollsystem sowie Personalmangel. Apropos Controlling: Dem Vernehmen nach wurden die Controlling-Richtlinien aus dem Jahr 2008 nie adaptiert und angeblich ab 2013 de facto auch ignoriert. So sind alleine 2017 die offenen Akten um 55 Prozent auf 7789 Fälle gestiegen, aber es habe keinen Überblick über die erledigten Fälle gegeben.

Elak erfasste die Anzeiger nicht

Mit dem Elektronischen Akt (Elak) haben die Linzer Magistratsbediensteten so ihre Probleme. Das Ziel des Elak – die elektronische Informationsbereitstellung und das Ende der Papierakten – sei laut RH nicht erreicht worden. Das Elak umfasste keine Terminverwaltung und erfasste die Anzeiger nicht.

Und im SAP-System kam es überhaupt zu einer unstrukturierten, uneinheitlichen und fehlerhaften Dateneingabe und so zu fehlerhaften inhaltlichen Kontrollen und Auswertungen.


Aktenskandal: Rechnungshof-Prüfer gaben Einblick in chaotische Zustände

ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Steiger/Copyright ÖVP Linz

„So scheint das Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz im Elektronischen Akt in 40 verschiedenen Schreibversionen auf“, schildert Steiger. Das sei direkt in der zuständigen Strafabteilung passiert, ist aber wegen der Personalnot niemand aufgefallen.

Personalengpass ignoriert

Laut Rechnungshof soll es die Stadt Linz verabsäumt haben, den Personalbedarf zeitgerecht zu prüfen. Am 9. Juni 2016 habe der Geschäftsbereich auf drohende Verjährungen aufgrund der Unterbesetzung hingewiesen, aber erst Mitte 2017 wurde tatsächlich Personal zur Verfügung gestellt. Mittlerweile hat sich die Stadt Linz die Anregungen des RH zu Herzen genommen. 75 Prozent der Empfehlungen seien bereits umgesetzt oder befinden sich in Umsetzung, betont Franz Leidenmühler, der SPÖ-Sprecher im Kontrollausschuss.

Aktenskandal: Rechnungshof-Prüfer gaben Einblick in chaotische Zustände

Sind  im Kontrollausschuss einig (v.li.): Eypeltauer (Neos), Roschger (Grüne), Hajart (ÖVP)

Scharfe Kritik der Opposition

Steiger, Felix Eypeltauer (Neos) und Ursula Roschger (Grüne) sehen ihre Kritik an SP-Bürgermeister Klaus Luger bestätigt. Mitte 2016 seien ihm genug Informationen vorgelegen, um die Zuspitzung bis Mitte 2017 zu verhindern. Er habe lasch reagiert.

Strafrechtliche Vorwürfe bestritten

„Ohne einen Generalverdacht auszusprechen“, sei „eine Prüfung der anderen Geschäftsbereiche des Magistrats angebracht, um sicherzustellen, dass sich im Linzer Magistrat kein weiteres Aktenchaos auftürmt“, fordert das Trio. Offen bleibt, ob die Affäre ein strafrechtliches Nachspiel hat. Die Ermittlungen gegen Luger und fünf weitere Personen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) laufen noch. Die Entscheidung, ob es zur Anklage kommt, sei nicht in nächster Zeit zu erwarten, so Oberstaatsanwalt René Ruprecht. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

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