Aktenskandal: Stadt Linz sind mehrere Millionen Euro entgangen
Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zeigt Ende Dezember 2011 eine Baufirma bei der Strafabteilung des Magistrat Linz an. Für neun Arbeiter wurden keine Lohnunterlagen vorgelegt und die Mitarbeiter um bis zu 52 Prozent unter dem Kollektivvertrag bezahlt. Empfohlene Strafe: 43.600 Euro. Der Akt wird nicht bearbeitet. Vier Jahre später stellt der Magistrat den Fall wegen Verjährung ein.
Oder ein weiterer Fall: Mitte August 2015 zeigt die Finanzpolizei eine Firma an, weil sie 16 Ausländer illegal beschäftigte. Empfohlene Strafe: 32.000 Euro. Im September 2016 wird der Fall eingestellt. Begründung: Es sei kein Verfahren innerhalb der gesetzlichen Frist (ein Jahr) eingeleitet worden.
Oder: Anfang März 2016 zeigt die Finanz eine Firma an, die vier ausländische Schweißer per Werksvertrag beschäftigt. Die Firma ist einschlägig „vorbestraft“, das AMS hatte sie für Arbeitskräfte-Entsendungen gesperrt. Anfang Juni 2017 stellt der Magistrat den Fall wegen Verjährung ein.
Wie diese Beispiele zeigen, ist der vom KURIER im Juni 2017 aufgezeigte Aktenskandal im Magistrat Linz viel brisanter, als bisher bekannt.
Aufgrund der Untätigkeit des Magistrats wurden 2859 solcher Fälle (zwölf Prozent der Anzeigen) wegen Verjährung eingestellt. Mehr noch: 42 Prozent aller Anzeigen der Finanz (2015) wurden „ohne ein dokumentiertes Verwaltungshandeln eingestellt“. Ursache waren offenbar das Fehlen effizienter Arbeitsabläufe, Defizite in der Führungsarbeit, kein Risikomanagement und unzulänglicher EDV-Einsatz.
Das Liegenlassen der Anzeigen führte zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung. So wurde eine Montagefirma von der Finanz neun Mal wegen diverser Vergehen angezeigt und insgesamt 151.500 Euro Strafe gefordert. Diese Anzeigen verjährten auch durch Untätigkeit.
Verwaltetes Chaos
„Wegen der Nichtbestrafung wurden Firmen richtiggehend ermutigt, nichts an ihrem rechtswidrigen Verhalten zu ändern. Die ordnungspolitische Aufgabe der Behörde wurde nicht wahrgenommen“, stellt das Linzer Kontrollamt fest. „Da durch die laufenden Verjährungen keine Strafen aus der Vergangenheit vorlagen, konnte das Strafausmaß nicht auf die für Wiederholungstäter angemessene Höhe gesetzt werden, sondern blieb immer beim Mindestmaß. Die abschreckende Wirkung einer hohen Geldstrafe blieb damit aus.“ Denn die Strafen können sich bei wiederholten Vergehen (Ausländerbeschäftigung, Arbeitskräfteüberlassung, Nicht-Anmeldung von Arbeitern) mehr als verdoppeln. Bußgelder bis zu 50.000 Euro sind dann keine Seltenheit.
Wie hoch ist der Schaden durch die 2859 verjährten Fälle? Laut Stichproben liegen bei 60 Prozent der Fälle die beantragten Strafen zwischen 5000 und 10.000 Euro. Das macht einen geschätzten Entgang von mindestens 8,5 Millionen Euro.
Am Zug ist nun die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen sechs Personen. Verdacht: Amtsmissbrauch. Oberstaatsanwältin Ingrid Maschl-Clausen meint: „Die Schadenshöhe ist Gegenstand der Ermittlungen, dazu kann man abschließend noch nichts sagen.“
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