Das sonderbare Verhalten des Raubtieres, das kaum Scheu an den Tag legt, bezeichnet der Wolfsbeauftragte Aldin Selimovic als „nicht normal“. Wenn ein Wolf mitten durch eine Ortschaft laufe und kein Fluchtverhalten an den Tag lege, könne man von einem „Problemwolf“ sprechen, heißt es bei der Jägerschaft. Das Tier könnte verletzt sein, nach Futter suchen und generell keine Scheu mehr vor Menschen haben. Für diesen Fall wurde die neue Wolfverordnung erlassen.
Das Tier kann bereits ohne Vergrämungsversuche bei genau definierten bedrohlichen Vorkommnissen sofort geschossen werden. Laut Verordnung reicht es bereits, wenn der Wolf zweimal binnen einer Woche tagsüber im Wohngebiet auftaucht, Menschen trotz Vertreibungsversuchen folgt, längere Zeit (mindestens 2 Minuten) in der Nähe von Menschen verharrt oder aggressiv auf Hunde und Personen reagiert.
Jäger entscheiden selbst
Wenn einer dieser Punkte erfüllt ist, obliegt es den örtlich zuständigen Jägern, das Tier zu schießen. Rücksprache mit der Behörde muss in so einem Fall nicht mehr gehalten werden. "In der 2. Wolf-Verordnung werden unterschiedliche Wolf-Verhalten umschrieben und dahingehend eingeschätzt, ob diese auffällig, unerwünscht oder sogar problematisch sind. Liegt nach dieser Verordnung ein unerwünschtes oder problematisches Wolf-Verhalten vor, und ist es hinreichend dokumentiert, kann eine Vergrämung oder Entnahme ohne Bescheid der Behörde direkt kraft Verordnung von der örtlichen Jägerschaft vorgenommen werden", erklärt die Generalsekretärin des NÖ Landesjagdverbandes, Sylvia Scherhaufer.
Auch wenn die verunsicherte Bevölkerung bereits auf einen Abschuss dränge, wolle man zunächst versuchen, den Wolf zu vergrämen, erklärt Strasser. Er stehe im engen Austausch mit der Bezirkshauptmannschaft. Innerhalb des bebauten Gebietes sei ein Abschuss ohnedies nicht erlaubt. Die Jäger seien angehalten, nach dem "Problemwolf" intensiv Ausschau zu halten.
Schon 7 Rudel in NÖ?
Das Waldviertel gilt als das Gebiet mit dem größten Vorkommen an Wölfen in Österreich. Vier Rudel sind in der Region mittels DNA-Nachweisen bereits bestätigt. Strasser geht allerdings von einer weit höheren Dunkelziffer aus. In der Region ist bereits von bis zu sieben Rudel die Rede, die sich hier niedergelassen haben. Die Verunsicherung in der Bevölkerung wachse mit jeder weiteren Sichtung.
➤ Im Waldviertel ist die Wolfspopulation Österreichs am größten
Wolfssichtungen nahe oder gar mitten in Siedlungen, wie soeben in Niederösterreich, sind in Österreich eine Seltenheit. Abseit menschlicher Infrastruktur wird der Wolf aber immer öfter beobachtet: 2022 wurden 70 bis 80 Wolfsindividuen nachgewiesen. Heuer gab es seit Jahresanfang bis knapp ins zweite Quartal hinein laut Österreichzentrum Bär Wolf Luchs in etwa 33 gesicherte Nachweise - und damit schon etwas mehr als die 31 Tiere, die bis August 2022 registriert worden waren.
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