Risse im Waldviertel: Ein Ort in Angst vor dem Wolf

Risse im Waldviertel: Ein Ort in Angst vor dem Wolf
2018 riss der Wolf in Langschlag die ersten Nutztiere. Die Beunruhigung in der Bevölkerung wächst. Ein neuer Verein will den Wolfsbestand nun „regulieren“.

Langschlag ist eine Gemeinde, wie es sie im Waldviertel häufig gibt. Viele Wälder, ein kleiner Ortskern mit Kirche, eine Raiffeisenbank, rund um den Ort eine Streusiedlung und viel Ruhe. Die Menschen, die hier leben, schätzen gerade diese in der Region besonders. Doch das tut offenbar auch der Wolf. Nach mehreren Nutztierrissen in den vergangenen Wochen hat sich nun eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Wolf Stopp“ gegründet. Man fordert, dass zumindest einige Tiere „entnommen“, also getötet werden dürfen.

Keine Ruhe mehr hat Gerhard Fallent, der aber eigentlich genau deswegen vor sieben Jahren ins Waldviertel gezogen ist. Der Hobby-Landwirt hatte bis vor Kurzem noch 17 Schafe. „Von der Nacht vom 15. auf 16. Februar war dann alles anders. „Da habe ich ein Schlachtfeld vorgefunden. Die Kadaver sind herumgelegen.“ Die eine Hälfte seiner Tiere sei tot gewesen, die andere habe stark geblutet. „Das ist schon sehr schrecklich.“

Nur drei Wochen, nachdem der Wolf viele seiner Tiere getötet hat, ist der Verein „Wolf Stopp“ offiziell eingetragen. Man wolle sich breit aufstellen, sagt Fallent, der den Verein mit dem Schafbauern Karl Groiss gegründet hat. Die Hauptforderung: Eine „massive Reduktion der Wolfspopulation im Waldviertel sowie in ganz Österreich in der Art, dass Rudelbildung unterbunden wird sowie Problemwölfe sofort entnommen werden müssen“.

Risse im Waldviertel: Ein Ort in Angst vor dem Wolf

Gerhard Fallent (li.) und Karl Groiss gründeten den Verein „Wolf Stopp“:  Problemwölfe sollen getötet werden.

Emotionale Debatte

Dass nicht nur Schafbauern ein Problem im Wolf sehen, zeigt eine erste Veranstaltung der Initiative in der Vorwoche. Rund 300 Menschen kamen nach Langschlag. Denn der Wolf und die mögliche Gefahr, die von ihm ausgeht, sorgt in der ganzen Region für Gesprächsstoff. Auf der einen Seite jene, die glauben, es wird übertrieben. Auf der anderen Seite jene, die sich fürchten oder als Bauern direkt von den Rissen betroffen sind.

Spricht man das Thema im Wirtshaus an, wird sofort emotional diskutiert. Fast jeder kennt jemanden, der in den vergangenen Jahren einen Wolf gesehen hat. Was man immer wieder hört: Man könne die Kinder nicht mehr wie früher draußen spielen lassen, wie auch Anna Kaufmann, Landwirtin in Liebenau, ein Ort in Oberösterreich nicht weit von Langschlag entfernt, sagt. Ein anderer Gast im Wirtshaus ist überhaupt dafür, dass der Wolf gejagt werden darf.

Risse im Waldviertel: Ein Ort in Angst vor dem Wolf

Josef Höbarth und Anna Kaufmann sehen im Wolf ein Problem.

Von der Politik fühlen sich viele im Waldviertel nicht ernst genommen. Und tatsächlich erinnern so manchen Erzählungen an das Märchen vom bösen Wolf. Aber, ob übertrieben oder nicht: Die Sorgen bei den Menschen sind da.

„Fakt ist, dass unsere Bevölkerung nicht nur beunruhigt ist, sondern Angst hat“, sagt Andreas Maringer, ÖVP-Bürgermeister von Langschlag. Früher habe man gewusst, dass ein Wolf unterwegs sei. Nun seien es aber gleich mehrere. „Die Leute sagen, was ist, wenn ich drei oder vier Wölfe gegen mich habe.“ Viele würden auch wissen wollen, was zu tun ist, wenn man mit dem Hund unterwegs ist. Die Sorgen seien mehr geworden. Es gäbe auch immer mehr Mütter, die ihre Kinder nicht mehr draußen spielen lassen, „weil der Wolf 30 Meter neben dem Garten vorbeimarschiert“.

Risse im Waldviertel: Ein Ort in Angst vor dem Wolf

In Langschlag gibt es regelmäßig Wolfssichtungen. Oft entstehen dabei auch Fotobeweise wie hier.

Laut einer Studie des Norwegischen Instituts für Naturforschung gab es von 2002 bis 2020 weltweit 489 Angriffe, auf Menschen, von denen 26 tödlich endeten. In Langschlag weiß man, dass es die in Österreich lange nicht gegeben hat. Doch es herrscht Angst, dass sich das ändern kann. Fallent glaubt, dass durch die Vergrößerung des Wolfsbestandes der Wildbestand zurückgeht und der Wolf dann Menschen anfällt.

Je mehr man mit den betroffenen Landwirten spricht, desto eher wird klar: Einfache Lösungen gibt es hier wie so oft nicht. Das zeigt sich auch beim Streitpunkt Zaun. Bei der Rasse der Schafe von Fallent ist die Wolle so dick, dass sie von bestromten Zäunen gar nicht aufgehalten werden. Ähnlich ist das auf der anderen Seite für den Wolf. Im Jahr 2018 riss er einige Tiere von Landwirtin Doris Wiesmayer, die in Langschlag Kamerunschafe hält. Ihr Stromzaun war über sieben Meter hoch, dennoch konnte der Beutegreifer ihn überwinden. Die Schafe einzusperren sei aber gegen die Natur der Tiere, argumentiert Fallent. Groiss würde zudem den Bio-Status für den Betrieb verlieren, denn hier gilt eine Weideverpflichtung.

Was der Verein schon geschafft hat: Eine Debatte wurde angestoßen. Die so geliebte Ruhe wird in der Gemeinde also wohl nicht so schnell wieder einkehren.

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