Schweizer Wolf wanderte bis nach Wien und tappte in Fotofalle
Großstädter sind dem Wolf bisher maximal in den Medien begegnet. Die Sorgen und Ängste, die zum Teil in den ländlichen Regionen herrschen, waren ihnen fern. Zuletzt schlugen Bewohner in Langschlag im Bezirk Zwettl im nö. Waldviertel, Alarm. Dort hatte ein Wolfsrudel nicht nur Schafen ein blutiges Lebensende beschert, die Raubtiere waren auch seelenruhig durch die örtlichen Vorgärten getrottet.
Man muss nicht mehr in die entlegensten Winkel Österreichs gehen, um dem sagenumwoben Raubtier über den Weg zu laufen. Die Wolfspopulation in Österreich nimmt rasant zu. Vier bestätigte Wolfsrudel sind es bereits in NÖ, eines in OÖ und zwei in Kärnten.
Dazu kommen zahlreiche Einzelgänger und durchziehende Tiere. Anfang Februar hat ein Wolf mit der genetischen Bezeichnung M237 seine neugierige Nase sogar über die Grenze der Bundeshauptstadt Wien gesteckt. Der besenderte Wolf aus dem so genannten Stagiasrudel ist aus dem schweizerischen Graubünden mehr als 700 Kilometer Luftlinie weit bis nach Wien gewandert.
In Klosterneuburg und der Bundeshauptstadt hat das Raubtier tagelang ein paar Runden gedreht, bis es nördlich von Wien an der Donau umkehrte, um Dutzende Kilometer zurück zu laufen und schließlich südlich des Neusiedlersees die Grenze nach Ungarn zu überqueren. Dann zog es weiter Richtung Budapest.
Wolf tappte in Fotofalle
Warum man das so genau weiß? Das Amt für Jagd und Fischerei in Graubünden hat im Zuge des Wolfsmonitorings den Jungwolf im Frühjahr 2022 durch die Wildhut besendern lassen. Mit den GPS-Daten kann man jeden Schritt des Streuners verfolgen. Deshalb wussten Wiens Forstdirektor Andreas Januskovecz und sein Forstverwalter im Rax-Schneeberg-Gebiet, Peter Lepkowicz, was ihnen um den Jahreswechsel da in die Fotofalle tappte.
Jungwolf fotografiert
Der Schweizer Wolf lief auf der Rax in eine Fotofalle.
Jungwolf fotografiert
Auch Spuren wurden entdeckt.
M237 trieb einige Tage im Quellschutzgebiet der Stadt Wien auf der Rax und am Schneeberg im Bezirk Neunkirchen sein Unwesen. Ein Mitarbeiter der Forstverwaltung entdeckte die Trittsiegel des Wolfes im frischen Schnee, bestätigt Lepkowicz. Die stattlichen Pfotenabdrücke hatten eine Länge von mehr als zehn Zentimetern.
„Zeitgleich hatten wir zumindest einen weiteren, männlichen Wolf bei uns im Gebiet. In beiden Fällen gab es auch eine Bestätigung durch DNA-Spuren“, erklärt der Forstverwalter. Die Exkremente des zweiten Tieres hat man etwa acht Kilometer von der Wanderroute des Schweizer Wolfes entfernt entdeckt. Gefunden wurde in der Nähe auch ein gerissenes Hirsch-Alttier. „Sonst gab es keine besonderen Vorkommnisse“, meint Lepkowicz.
Debatte über Abschüsse
Weil besonders die Raubtiere der vier Rudel im Waldviertel dem Menschen „bedrohlich nahe kommen und nur wenig Scheu zeigen“, will Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) die Wolfsverordnung im Bundesland anpassen lassen. „Problemwölfe, die zur Bedrohung des Sicherheitsgefühls der Menschen werden“, sollen laut Pernkopf auch abgeschossen werden können. In Kärnten ist dies bereits gängige Praxis.
Wolfspopulation: Das Österreichzentrum für Bär, Wolf und Luchs beobachtet die Entwicklung der Raubtiere durch ein Monitoring.
54 Wölfe wurden 2022 in Österreich nachgewiesen. Seither hat der Bestand stark zugenommen. Mittlerweile wird die Population auf bis zu 70 Tiere geschätzt. Sieben Rudel sind bestätigt. In einem intakten Rudel gibt es jedes Jahr einen neuen Wurf mit 2 bis 8 Welpen. Mit der Geschlechtsreife verlassen Jungwölfe das Rudel.
In der Heimat von M237 im Kanton Graubünden (7.105 km2, 200.000 Bewohner) wurden im Vorjahr durch das Monitoring insgesamt 68 verschiedene Wölfe genetisch identifiziert und zehn geschossen. Niederösterreich ist zweieinhalb Mal so groß wie Graubünden mit acht Mal so vielen Einwohnern. Die Wolfspopulation wird in NÖ auf unter 30 Tiere geschätzt.
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