Wölfe brauchen Artenschutz, aber (noch) keine „Regulierung“
Derzeit leben in Europa rund 750 Millionen Menschen und etwa 20.000 Wölfe, Tendenz steigend. Aus dem benachbarten Ausland wandern daher immer mehr Jungwölfe ein, auf Suche nach Partnern und Lebensraum. Das Österreichzentrum registriert im Moment sieben Rudel, die Zahl der Wölfe schwankt übers Jahr zwischen etwa 30 bis 50 Tieren. Das ist noch weit unter jenem „günstigen Erhaltungszustand“, den herzustellen wir uns per geltendem EU-Recht verpflichtet haben; dann erst ist jagdliches „Regulieren“ erlaubt.
Klug wäre es freilich nicht, denn Wölfe breiten sich mit Vermehrungsraten von etwa 20 Prozent pro Jahr zwar rasch aus, sorgen aber nach der Bildung von Rudeln mittels effizienter „dichteabhängiger Regulation“ für konstant-moderate Dichten. Daten zeigen, dass nicht Abschuss, sondern Rudelbildung in Verbindung mit Herdenschutz für stabile Verhältnisse und für ein Absinken der Weidetierverluste sorgt.
Die Rückkehr der Wölfe verursacht die bekannten, politisch instrumentalisierten Konflikte und Ängste. Aber trotz aller Fake News in den sozialen Medien kamen durch Wölfe in Europa über die Jahrzehnte keine Menschen zu Schaden – durch Rehböcke oder Wildschweine aber sehr wohl. Wölfe entfalten aber auch positive Wirkungen: So halten sie effizienter als menschliche Jäger Wildbestände gesund und sorgen für einen Reichtum an Kleintieren, indem sie etwa Rotfüchse, Goldschakale
oder Fischotter kontrollieren. Und nicht zuletzt zwingt der Wolf angesichts von Klima- und Biodiversitätskrise zu längst fälligen Debatten in Richtung Umsteuern: Intensives Wirtschaften unter Vernichtung lästiger Natur hat schlicht keine Zukunft mehr.
Statt weiter darüber zu diskutieren, ob wir denn die Wölfe wollen, sollte man endlich bestehendes Know-how zum Herdenschutz konsequent anwenden, um konfliktarm zusammenzuleben. Denn die Wölfe werden nicht wieder verschwinden, ihre Wiederausrottung ist aus vielerlei Gründen nicht möglich. Dennoch erschallt gerade aus Ländern wie Bayern und Österreich, wo es noch kaum Wölfe gibt, der Ruf nach „Regulierung“. Und die Landesregierungen von Tirol, Kärnten, Niederösterreich, Bayern (etc.) verabschiedeten prompt mehrfach EU-rechtswidrige Erlässe, um den Abschuss von willkürlich definierten „Problemwölfen“ zu erleichtern. Vertragsverletzungsverfahren sind vorprogrammiert.
Diese hilflosen Versuche der Problemlösung per Flinte verraten die Landwirte, weil für jeden geschossenen Wolf weitere zuwandern – die wieder Schafe etc. töten, wenn diese nicht sachgerecht geschützt werden. Der Wolf als „Totengräber der Weidewirtschaft“? Den Bauern setzt vielmehr eine seit
Jahrzehnten verfehlte Landwirtschaftspolitik zu, welche sie in viele Abhängigkeiten subventionierte und ihnen kostendeckende Produktpreise vorenthielt. Nun finden Kammerfunktionäre im Wolf ihren Sündenbock und rufen laut: Haltet den Dieb!
Kurt Kotrschal ist Wildbiologe und Sprecher der AG Wildtiere am Forum Wissenschaft
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