Zu große Opfer für den Wolf

Zu große Opfer für den Wolf
Lasst uns den Lebens-, Kultur-, Wirtschafts- und Erholungsraum nicht gefährden.

Mehr Wölfe in Österreich? Mag ja nett bis verwegen klingen. Genau betrachtet, wird jedoch klar, was diesen Raubtieren alles „zum Fraß vorgeworfen“ wird. Damit meine ich nicht nur die ca. 2.000 Schafe allein im Vorjahr sowie andere Alm- und Weidetiere, die lebend ausgeweidet oder tot aufgefunden wurden. Weil viele Bauernfamilien um Zuchtarbeit von Generationen und ihre teils handaufgezogenen Tiere fürchten und diese nicht mehr auftreiben wollen, stehen Alm- und Weidewirtschaft und noch viel mehr auf dem „Spiel“.

Es geht um die Offenhaltung dieses beliebten Lebens- und Erholungsraumes, um das Verschwinden von Sennereien und Almprodukten, die für jahrhundertealte Traditionen und Tierwohl stehen, und um den Tourismus. Schullandwochen und Waldbesuche sind schon abgesagt worden, weil niemand für die Sicherheit der Kinder garantieren kann. Wir sollten uns überlegen, ob wir uns wirklich in diese Unfreiheit begeben wollen – wegen Raubtieren, die in Europa längst nicht mehr gefährdet sind.

Wenn manche „Experten“ meinen, dass Herdenschutz ja locker möglich wäre, beweist das lediglich, dass sie keine Ahnung von landwirtschaftlicher Praxis haben. Als almerfahrener Vorarlberger Viehzüchter kann ich nur sagen, dass etwa Zäune nicht nur horrend teuer und oft wirkungslos sind, sondern gerade in gebirgigen Regionen unmöglich wären. Bestenfalls würden sie die Wanderer behindern. Ein einziger Herdenschutzhund kostet rund 5.000 Euro, wobei mindestens zwei angeschafft und ganzjährig versorgt werden müssten. Abgesehen davon würde deren Haltung dem Tierschutzgesetz widersprechen und auch Haftungsfragen im Falle von Angriffen auf Bürger aufwerfen.

Fakt ist zudem, dass die meisten Schaf- oder Rinderherden in Österreich sehr klein sind. Herdenschutz wäre für ihre Halter mit mehr Problemen als Lösungen verbunden, unpraktikabel und unfinanzierbar. Die Wölfe in der Schweiz kosten die Gesellschaft mittlerweile umgerechnet 3,3 Mio. Euro und auch wir werden das ohne Gegensteuern bald erreichen.

Aus all diesen Gründen setzen wir uns auch in der EU für Regulierungsmöglichkeiten ein. Nord- und Südschweden etwa sind wolfsfrei, weil der Erhalt der Rentierhaltung dort vorrangig eingestuft wurde und Wolfsrudelbildungen unterbunden werden. Der rechtlich geforderte günstige Erhaltungszustand der alpinen Population, zu dem die österreichischen Wölfe zählen, gilt aus Sicht unserer Rechtsexperten als erfüllt. Auf Basis des EU-Grundsatzes, wonach alle Mitgliedsstaaten gleich zu behandeln sind, sollten auch in Österreich Weideschutzgebiete möglich sein.

Europa muss handeln, bevor unsere Alm- und Weidewirtschaft zerstört ist und wir diesem wunderbaren Kultur-, Natur-, Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum, seinen Menschen, Tieren und Produkten nachtrauern müssen.

Josef Moosbrugger ist Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich

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