Sanierter jüdischer Friedhof als Stätte gegen Hass und Intoleranz

Besichtigung des Renovierten jüdischen Friedhofs: von links, Bgm. Matthias Stadler, LH Mikl-Leitner, NR-Präsident Wolfgang Sobotka , IKG-Präsident Oskar Deutsch
Früher verwahrloster St. Pöltner Friedhof wurde um über eine Million Euro renoviert. Die Stadt verpflichtet sich für 20 Jahre zur Pflege

Noch vor drei Jahren war der Zutritt zum verfallenen jüdischen Friedhof in St. Pölten durch das Schild "Eintritt  verboten“ aus Sicherheitsgründen verwehrt. Nach zweijährigen Instandsetzungsarbeiten erinnern nun wieder 188 intakte Gräber mit ihren Grabsteinen und einem renovierten Zeremonienhaus an die Persönlichkeiten der ausgelöschten Israelitischen Kulturgemeinde in St. Pölten.

Am Freitag wurde das „Haus der Ewigkeit“, wie Juden ihre Friedhöfe nennen, feierlich an die Stadt St. Pölten übergeben.

Sanierter jüdischer Friedhof als Stätte gegen Hass und Intoleranz

1906 gegründet, in der Nazizeit geschändet und verwüstet und dann über Jahrzehnte verwahrlost und vergessen, wurden 2022 wichtige Schritte in der St. Pöltner Gedenkkultur gesetzt. Die Stadt verpflichtete sich vorerst auf 20 Jahre gegenüber der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) für die Instandhaltung des Friedhofs zu sorgen.

Sanierter jüdischer Friedhof als Stätte gegen Hass und Intoleranz

Über den vom Bund geschaffenen „Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich“ wurde die nun beendete Sanierung mit rund 900.000 Euro zu einem Hauptteil finanziert. Das Land Niederösterreich zahlte über eine Viertelmillion Euro dazu. 


IKG-Präsident Oskar Deutsch, der zur Übergabe angereist war, hob den unschätzbaren Wert derartiger  Gedenkstätten als kulturelles und historisches Erbe hervor. Die Gräber würden von der Vielfalt des jüdischen Lebens, aber auch von der Verfolgung und systematischen Ermordung von Juden unter den Nationalsozialisten erzählen.

Deutsch erinnerte an das Schicksal von über 200.000 vor 1938 in Österreich lebenden Juden, von denen die meisten ermordet worden seien. Auch die jüdische Gemeinde in St. Pölten sei zur Gänze  ausgelöscht worden.
Besonders hob Deutsch das Schicksal von 288 ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern hervor, die 1945 in Hofamt-Priel (Bezirk Melk)  ermordet wurden und in St. Pölten in einem Massengrab ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Im jüdischen Glauben sei ein Friedhof ein "Haus für die Ewigkeit“, Gräber würden niemals aufgelöst, so der IKG-Präsident. Die Pflege durch die Stadt St. Pölten sei deshalb von unschätzbarem Wert. Der Friedhof soll auch Ort der Bildung und des Lernens sein, was gerade in einer Zeit des wachsenden Antisemitismus und der Intoleranz besonders wichtig ist. 

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) und auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verwiesen auf die gerade im heurigen Jahr der Kulturhauptstadt St. Pölten intensiven Anstrengungen, die jüdische Geschichte sichtbar zu machen. Erst vor wenigen Wochen wurde die renovierte ehemalige Synagoge eröffnet.

Weiters wird im St. Pöltner Stadtmuseum in einer ganz neuen Großausstellung die wenig ruhmreiche Geschichte der Stadt in der NS-Zeit aufgearbeitet und dokumentiert, so Stadler. Er berichtete, dass der zweite viel ältere jüdische Friedhof in St. Pölten von den Nazis völlig zerstört worden sei. Für die dort begrabenen 583 Menschen werde die Stadt noch heuer ein Mahnmal errichten.

Sanierter jüdischer Friedhof als Stätte gegen Hass und Intoleranz

IKG-Präsident Deutsch, NR-Präsident Sobotka, LH Mikl-Leitner, Bgm Stadler

Landeshauptfrau Mikl-Leitner hoffte, dass der renovierte Friedhof als  pädagogische Stätte wertvolle Dienste leisten werde. In NÖ habe es  vor der NS-Zeit 15 Kultusgemeinden geben,  acht jüdische Friedhöfe seien mittlerweile wiederhergestellt worden.  Mikl-Leitner bedankte sich bei allen maßgeblich  Beteiligten und hob vor allem das Engagement vom ebenfalls anwesenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), der dem Nationalfonds vorsteht, hervor.

 Dieser ging auf die leidliche über 2.000-jährige Geschichte der Judenverfolgung  ein und verwies auf den tagtäglichen Antisemismus  in der Gesellschaft.  Dieser müsse mit viel  Engagement bekämpft und wieder zurückgedrängt werden.

Sanierter jüdischer Friedhof als Stätte gegen Hass und Intoleranz

Zeremonienhalle am jüdischen Friedhof

"Ich wünsche mir, dass dieser Ort hier Anlass wird,  auch im Alltäglichen gegen Antisemitismus aufzutreten“, so Sobotka. Ihn ganz zu eliminieren werde nicht gelingen, "eine  Art Bodensatz wird immer übrig bleiben“,   vermutete der Nationalratspräsident.    

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