Man sollte sich aber nicht zu viel erwarten: Bei der Schnitzeljagd entlang des Mühlbachs und der Traisen bis hinauf zu den Viehofener Seen gibt es einige Enttäuschungen. Wirklich Spektakuläres – etwa eine große Arbeit des Elemente-Spezialisten Ólafur Elíasson – fehlt. Was angesichts des Budgets für die „Tangente“ etwas verwundert.
Am Montag lud das Organisationsteam zu einer Presseführung. Allerdings wurden nur sechs „ausgewählte Arbeiten“ präsentiert. Jene, die man im Süden, im Vorort Spratzern, besichtigen kann. Dort gibt es ein autonomes Kultur-Biotop namens Sonnenpark. In einem Gebäude der ehemaligen Papierfabrik kann man ein Video von Lisa Tan sehen, dass höchstens assoziativ mit Wasser und rein gar nichts mit St. Pölten zu tun hat. Hélène Meyer & Filip Van Dingenen servieren im Freien (zu bestimmten Zeiten) Essen aus Seetang in Keramikschalen mit einer Glasur aus Algen. Und Roberta Lazo Valenzuela lässt auf dem Mühlbach Keramiktrommeln schwimmen. Mit einem langen Stab kann man sie zum Klingen bringen.
Bachabwärts entdeckt man sechs vom Kollektiv Neonpink revitalisierte Schwemmstellen (in Form von Betonplatten). Sie erinnern an die „Mühlbacherinnen“, die ebendort ihre Wäsche wuschen. Jimena Croceri hat – laut Erklärungstafel – „einen poetischen, respektvollen und fesselnden Weg gefunden“, mit den Gewässern in Beziehung zu treten: Ihre lila Stoffe sind über den Mühlbach gespannt und treiben mitunter auf der Oberfläche.
Der KURIER hat den Versuch unternommen, den Parcours – laut Pressetext „in Zusammenarbeit mit der Traisen und dem Mühlbach“ – halbwegs zu bewältigen (der ausgehändigte Lageplan braucht ein pfadfindergeschultes Auge): Durch Parklandschaften, entlang des Schwimmbads und der Privilegierten Schützenkompagnie, geht es nach der kinetischen Skulptur Elisabeth von Samsonows in Richtung Regierungsviertel. Edgar Calel will der Traisen 13 Eisskulpturen opfern; zu sehen ist am Ufer hinter vielen Brennnesseln aber bloß eine Lehmskulptur, die sich irgendwann aufgelöst haben wird.
Dann gelangt man zur Julius-Raab-Brücke, mit FPÖ-Plakaten („EU-Wahnsinn stoppen“) beflaggt. Direkt darunter lässt Sophie Utikal angeblich 18 bläuliche Textilarbeiten (der Reporter zählte nur neun) wehen, die „von feministischer Science Fiction inspiriert“ seien.
Im Regierungsviertel selbst überzeugen mehr die bereits bestehenden Kunstwerke (u. a. die Hohlkopfwand von Hans Kupelwieser) als die temporären Arbeiten. Sie dürften allerdings noch nicht installiert gewesen sein. Die zwölf Säulen von Sissel Tolaas sollen jedenfalls nach dem Schweiß eines Mannes riechen, der Angst hat.
Der Weg führt vorbei am Passauer Wolf, einer – natürlich nicht kontextualisierten – Bronzeskulptur des NS-Künstlers Ferdinand Andri aus 1938 – zu einem ehemaligen Würstelstand, in dem Lisa Truttmann Dinge ausstellt, die den Brand in ihrer Wohnung überdauerten – aufgrund des Löschwassers.
Hinter dem Bahndamm, also im weniger hübschen Viertel nördlich der Altstadt, wird man eifrig belohnt: Rainer Prohaska hat hoch über dem Mühlbach eine gelbe Plastikrutsche auf ein Gerüst aus Holz gestellt: ein alles andere als idyllischer „Traisma Swimming Pool“. Rita Fischer schuf bei der Segl-Mühle aus angeschwemmtem Material (es stammt vorwiegend vom Frequency-Festival) eine kunterbunte Skulptur.
Und im ehemaligen Glanzstoff-Gelände gibt es eine „kodifizierte Textilmalerei“, 15 Meter lang, von Paola Torres Núñez del Prado zu bestaunen: „Mit diesem Werk verknüpft die Künstlerin den Wunsch, das Erbe ihrer andinen Vorfahren nicht zu vergessen, und den Glauben, dass die Wirklichkeit ein System von miteinander verbundenen Wesen und Ereignissen ist.“ Die Verbindung mit dem Ausstellungsthema mag sich nicht gleich einstellen. Aber dann doch: Das gemalte Band hängt am ehemaligen Wasserturm herab…
Ein Tipp, damit man auch noch die Arbeit von Eva Grubinger und Werner Feiersinger – ein Mahnmal an ein NS-Zwangsarbeiterlager – im Großen Viehofener See schafft: Nehmen Sie ein Fahrrad oder einen Scooter!
Kommentare