NÖ: Kleingemeinde schnappt sich mit Supercoup neue Hausärztin

Ärztin Bettina Rathgeb aus Grein übernimmt die Praxis von Franz Sturl (l.) mit Bürgermeister Franz Zehethofer (r.)
Gemeinde Viehdorf nimmt viel Geld in die Hand und baut neues Ordinationsgebäude in anderem Ort, um die Hausapothekensperre für die neue Ärztin zu umgehen.

Nach 35 Jahren als Kassenarzt in der Landgemeinde Viehdorf geht der Mediziner Franz Sturl mit dem Jahreswechsel in Pension. Um dem Kampf um eine Nachfolge und die medizinische Versorgung, wie man ihn aus Dutzenden niederösterreichischen Gemeinden kennt zu entgehen, zeigte sich die Mostviertler Kleingemeinde nicht zimperlich. In einem regelrechten Coup gelang es, eine neue Ärztin aus Oberösterreich für die Kassenstelle zu gewinnen. Hunderte Patienten müssen nun nicht mehr um ihre hausärztliche Versorgung im neuen Jahr bangen.

Natürlich trugen die innovative und veränderungswillige Allgemeinmedizinerin Bettina Rathgeb aus Grein und die Kooperation des scheidenden Arzts Sturl ebenso maßgeblich dazu bei, dass der Betrieb in der Viehdorfer Ordination ab 9. Jänner wieder voll weiterläuft. Derzeit sind in Niederösterreich ja 29 Hausarzt-Kassenstellen und 14 Wahlarztpraxen unbesetzt. Ein Schicksal, das man in Viehdorf unbedingt vermeiden wollte.

Doch für die Kleingemeinde (1.300 Einwohner, drei Millionen Euro Budget-Rahmen für 2023) sind die Anstrengungen die ärztliche Versorgung aufrecht erhalten zu können, gewaltig. Und sie decken einmal mehr die schwer verständlichen gesetzlichen Hürden zwischen der Apothekerkammer und der Ärzteschaft auf. Die Gemeinde Viehdorf muss nämlich die derzeitige Ordination in Viehdorf in den 3,5 Kilometer weit entfernten Ort Hainstetten verlegen.

Nur so ist es der neuen Ärztin möglich, in ihrer Praxis eine Hausapotheke zu führen und den Neustart einer neuen modernen Praxis auch wirtschaftlich durchzustehen. In Hainstetten werden nun rund 900.000 Euro in ein neues Ärztehaus, das Ende 2023 fertig sein soll, investiert. Dieses befindet sich dann außerhalb des im Apothekengesetz fixierten Sechs-Kilometer-Abstands zu den nächsten Apotheken in Amstetten. Innerhalb dieser Zone wäre eine ärztliche Hausapotheke nicht erlaubt.

Entschluss zum Neubau

„Als der Abgang von Doktor Sturl feststand, haben wir in einer Arbeitsgruppe festgestellt, dass es ohne Hausapotheke in unserer Situation keine Arztnachfolge geben würde“, schildert Viehdorfs  Bürgermeister Franz Zehethofer (ÖVP). Also fasste man den Entschluss zum Bau des Ärztehauses. Weil es im knapp über vier Kilometer von Viehdorf entfernten Amstetten gleich fünf Apotheken geben darf und eine sechste im Gespräch ist, kann in Viehdorf die geltenden Regeln niemand verstehen.

„Es ist eigentlich gar nicht die Aufgabe der Gemeinden, solche Aktionen zu setzen. Die medizinische Absicherung ist für uns aber sehr wichtig“, sagt Zehethofer. Um einen geregelten Übergang zu garantieren, hat die Gemeinde zusätzlich auch das Ordinationshaus, in dem der Arzt Sturl bisher eingemietet war, gekauft. Dort wird nun Bettina Rathgeb mit einer Diplomschwester und zwei Assistentinnen am 9. Jänner interimistisch starten. Wenn Rathgeb übersiedelt ist, sollen in diesem Haus Therapeutenplätze geschaffen werden.

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Bisheriges Ordinationshaus im Ort Viehdorf soll später für Therapeuten genützt werden

„Natürlich war die Chance eine Hausapotheke führen zu können wichtig. Aber ausschlaggebend, dass ich mich um die Kassenstelle hier beworben habe, war das Engagement der Gemeinde“, sagt Rathgeb. Sie hat in Perg in einer Gruppenpraxis ordiniert und ist auch Notärztin und in Orthomolekularer-Medizin ausgebildet.

Déjà-vu

Franz Sturl schätzt, dass in den 35 Jahren mit laufenden Zu- und Abgängen rund 20.000  Fix-Patienten bei ihm in Behandlung waren. Dass ihm bei seinem Abgang viel Wertschätzung widerfährt, freut ihn sehr. Beim Hausapotheken-Dilemma erlebt er allerdings ein Déjà-vu. Als er 1988 die Praxis des verstorbenen Vorgängers übernahm, wurde ihm die bestehende Hausapotheke nicht mehr genehmigt. Die Gemeinde bekämpfte die Entscheidung bis zum Verfassungsgerichtshof, konnte die Apotheke aber damals nicht retten.

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