Mikl-Leitner: "Will mir Schnabl nicht als Landeshauptmann vorstellen"
Händeschütteln, persönliche Gespräche und Give-aways verteilen gehört auch 2023 zum Politiker-Alltag. Der KURIER hat die Spitzenkandidaten der fünf Landtagsparteien „on Tour“ begleitet.
Wahlplakate, Medienauftritte, Facebook, Twitter oder Instagram: Selbst wer sich nicht für die niederösterreichische Landespolitik interessiert, kommt dieser Tage an den Botschaften der Parteien nicht vorbei. Alle Kanäle werden bespielt, um die Spitzenkandidaten ins rechte Licht zu rücken. Aber eine Plattform bleibt auch im Jahr 2023 bei der Jagd nach Stimmen unübertroffen: Die Straßen des Landes, auf denen die Politiker ihren Wählern von Angesicht zu Angesicht entgegentreten.
„Bei den Sozialen Medien weiß man ja nicht einmal, wer dahintersteht. Da könnte ja jeder schreiben“, winkt ÖVP-Landtagspräsident Karl Wilfing ab, bevor er sich unter die Besucher mischt. Alles wartet am Freitagnachmittag auf seine Parteivorsitzende Johanna Mikl-Leitner, die den Laaer Stadtplatz besucht. Bis zum Wahltag am 29. Jänner kann man sie in jedem Bezirk des Landes treffen – inklusive Plakatkulisse, Musik und kleinem Imbiss.
"Rennen, rennen, rennen!"
Denn die Devise der ÖVP lautet: „Rennen, rennen, rennen!“, wie Mikl-Leitner in einer kurzen Ansprache klarmacht. Es gehe in diesem Wahlkampf um alles, SPÖ und FPÖ würden der ÖVP an den Kragen wollen. „Einen Franz Schnabl oder einen Udo Landbauer als Landeshauptmann – das will ich mir nicht vorstellen“, sagt Mikl-Leitner. Überzeugen muss sie davon aber niemand; das ÖVP-affine Publikum stimmt ihrer Kampfansage mit kräftigem Applaus zu.
Doch lange hält es die Landeshauptfrau nicht auf der Bühne – Hände werden geschüttelt, Gespräche geführt, Erinnerungsfotos gemacht. Viele kennen Mikl-Leitner, die in Laa die Schule besuchte, von früher. Viele wollen sie erst kennenlernen. Ein Umfeld, in dem sich die Landeschefin sichtlich wohlfühlt. Vom Regen lässt sie sich nicht die Laune verderben, ebenso wenig wie ihre Anhänger.
Deutlich ruhiger ist es Donnerstagmittag in der Hollabrunner Fußgängerzone. „Da sind aber viele Geschäftslokale leer“, stellt FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer fest, und sein Parteikollege Michael Sommer nickt wissend. Hollabrunn, das sei eine Pendlerstadt, und die hohen Mieten in der Fußgängerzone würden ihr Übriges tun. Probleme, die die ÖVP seit Jahren anstehen lasse. Es brauche eben einen neuen Kurs – und das nicht nur im Bezirk.
Tatsächlich trifft Landbauer zunächst auf keine Hollabrunner, mit denen er sich austauschen kann. Die vielen Sackerln, die sein Team unter die Leute bringen möchte, finden einfach keine Abnehmer. Also schlägt das FPÖ-Team kurzerhand den Weg in ein Lokal ein, das Landbauer von einem früheren Besuch kennt. Es sind die Teuerungen, die der Gastwirtin zusetzen. „Das bekommen wir von vielen zu hören“, erzählt Landbauer, der seit Jahresende in Niederösterreich unterwegs ist. Schreibtisch-Politiker sei er noch nie gewesen, das persönliche Gespräch mit den Wählern sei einfach unersetzlich. Auch wenn der aktuelle Wahlkampf mehr denn je über die Medien ausgetragen werde, konstatiert Landbauer.
Umso mehr ist Aufgeben für die FPÖ keine Option: Nach einem Pressegespräch geht es erneut auf die Straße, die ja wohl nicht ewig leer bleiben kann. „Wir finden schon welche“, gibt sich der Spitzenkandidat optimistisch.
„Die Kipferln sind aus. Wo hamma die Mannerschnitten?“ – Franz Schnabl ist an diesem Freitagnachmittag in Mödling im Wahlkampfmodus. Am Eingang zur Firma Knorr Bremse sucht der SPÖ-Spitzenkandidat das Gespräch mit den Arbeitern. Es ist Schichtwechsel. „Wie kommst du nach Hause?“, fragt Schnabl, als er einem jungen Mann das rote Sackerl mit Jause und Wahlkampfmaterial in die Hand drückt. „Mit dem Auto. Solange ich mir das Benzin noch leisten kann“, antwortet dieser schmunzelnd. Der SP-Chef schaltet schnell: „Wir schauen schon, dass der Spritpreis wieder hinunter geht.“
Nicht jeder ist so leicht zu überzeugen. „Das ist vergebene Liebesmüh, ich wähl euch nicht“, sagt eine Frau und will schon weitergehen. „Macht nichts, nimm trotzdem a Sackerl“, kontert Schnabl. Auch ein „Ich bin nicht im Wählerverzeichnis eingetragen“ scheint ihn nicht zu stören – die ältere Dame bekommt ebenfalls ihr Kipferl.
Unterstützt wird Schnabl von Genossen der Mödlinger Bezirksorganisation um Spitzenkandidat Hannes Weninger. Der Abgeordnete bringt eifrig Luftballons unters Wahlvolk, schüttelt Hände vor einem Supermarkt in der Hauptstraße. Und er scherzt: „Könnt ma die Wahl nicht noch um ein Monat verschieben? Mir macht das da so viel Spaß.“
Grüne(s) am Markt
„Grüß Gott, gnädige Frau, darf ich Ihnen was mitgeben?“, mit Give-aways wie Einkaufsackerl, (passend grünen) Salatkräutern und den unvermeidlichen Kugelschreibern „bewaffnet“ sucht die Spitzenkandidatin der Grünen, Helga Krismer, am Mödlinger Wochenmarkt das Gespräch mit potenziellen Wählern. Ist der klassische Straßenwahlkampf in Zeiten von Social Media denn überhaupt noch sinnvoll? „Auf jeden Fall, wir sind viel unterwegs, das persönliche Gespräch ist enorm wichtig“, sagt Krismer. Moderne Zeiten haben trotzdem Einzug gehalten: Auf den Foldern findet sich ein QR-Code, mit dem man ein kurzes Video der entsprechenden Bezirkskandidaten abrufen kann.
„Ich wähle euch eh“, ruft eine Frau, die es anscheinend eilig hat. „Ich weiß schon, dass ich eine andere Partei wähle, aber Sie sind mir trotzdem sehr sympathisch“, meint eine andere. „Ich bin enttäuscht, dass Ihr die Wiener Zeitung nicht unterstützt habt, das war nicht nur die ÖVP“, bringt ein Mann Bundesthemen aufs Tapet. Auch vor solche Diskussionen, obwohl nicht „ihre Baustelle“, darf die Grün-Chefin nicht zurückschrecken. Ein anderer ist von der Politik enttäuscht: „Die Rederei bringt doch eh nix“. Entwickeln sich längere Gespräche, ist meist die Energie(-krise) das Thema. Und da haben die Grünen viel zu sagen.
Autogramme in Pink
Die Kremsergasse in St. Pölten ist an diesem Donnerstag eine einzige Wahlkampfzone. Am Riemerplatz keilt die SPÖ um Stimmen, vor einem Teegeschäft verteilt die ÖVP „I love NÖ“-Sackerl, in Bahnhofsnähe haben sich die Neos positioniert. Indra Collini, die Spitzenkandidatin, hat Glück. Die Sonne strahlt über der Landeshauptstadt, was hier leider ein eher seltenes Ereignis ist, die Stimmung bei den Passanten ist dementsprechend gut.
„Ich kenne sie aus dem Fernsehen“, sagt ein Mann und bittet um ein Autogramm. Collini ist kurz überrascht, dann entwickelt sich ein Gespräch. Schließlich geht der Herr zufrieden seine Wege, die Politikerin nimmt weitere Goodies in die Hand. Verteilt werden unter anderem Kondome („Für mehr öffentlichen Verkehr“), Taschentücher, Kugelschreiber (ökologisch abbaubar) und natürlich Flyer.
Steuergeld
Der Wahlkampf auf der Straße ist für Collini wichtig. Denn ihr Bekanntheitsgrad in Niederösterreich ist im Vergleich zu dem der anderen Spitzenkandidaten noch steigerungsfähig, die Neos konzentrieren sich deshalb vor allem auch auf die Ballungsräume. „Mir macht es Spaß, wenn ich nicht im Büro sitze, sondern bei den Menschen bin“, erzählt sie. Tatsächlich bleiben immer wieder Passanten stehen, zeigen sich interessiert. „Woher haben Sie eigentlich das ganze Geld für den Wahlkampf?“, fragt ein älterer Mann. „Das ist Ihr Geld, es ist Steuergeld“, antwortet die Neos-Chefin. „Aber ich verspreche Ihnen, dass wir nicht viel davon ausgeben werden“, sagt sie. Der Mann nickt zufrieden und sagt: „Dann wähle ich Sie vielleicht am 29. Jänner.“
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