Neuer Chef beim Tatort: Das ist Niederösterreichs oberster Spurensucher

Neuer Chef beim Tatort: Das ist Niederösterreichs oberster Spurensucher
Chefinspektor Gerhard Kainzbauer ist oberster Spurensicherer Niederösterreichs. Was einen guten Tatortermittler ausmacht und welche Fälle ihm besonders in Erinnerung geblieben sind.

Würde man einen Filmtitel bemühen wollen, um die Arbeit von Gerhard Kainzbauer zu beschreiben, dann könnte man sagen, dass Leichen seinen Weg pflastern. Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten kaum einen Mord beziehungsweise ein Kapitalverbrechen in Niederösterreich, das Kainzbauer nicht beschäftigt hat.

Der 60-jährige Chefinspektor der Polizei ist nicht nur ein Urgestein im Bereich der Spurensicherung, sondern auch ein absoluter Experte. Seit Kurzem leitet er ein 30-köpfiges Team, das immer dann für das Landeskriminalamt Niederösterreich (LKA) ausrückt, wenn Tatorte unter die Lupe genommen werden müssen.

"Zart besaitet“ darf man in dem Job nicht sein, meint Kainzbauer, wenn er auf seine bisherige Karriere und die vielen Fälle, die zum Teil für österreichweite Schlagzeilen sorgten, zurückblickt.

Neuer Chef beim Tatort: Das ist Niederösterreichs oberster Spurensucher

Chefinspektor Gerhard Kainzbauer

Nadel im Heuhaufen

Morde, Home Invasion, Bankomatsprengungen, Raubüberfälle, Rammbock-Einbrüche uvm. – kaum ein Verbrechen ist heutzutage ohne lückenloser Tatortarbeit zu klären. "Vor 30 Jahren haben wir Schuh- und Fingerabdrücke untersucht, mehr gab es nicht“, so Kainzbauer. Heute stehen den Kriminalisten eine Vielzahl technischer Möglichkeiten und Hilfsmittel zur Verfügung, um an Verbrechensschauplätzen die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden.

Um zu demonstrieren, was alles möglich ist, greift der Spurensicherer zu einem weißen Blatt Papier. Quasi unsichtbar hat er dabei seinen Fingerabdruck auf der Seite hinterlassen. Selbst von dieser Oberfläche können die Spezialisten den Abdruck "extrahieren“.

Neuer Chef beim Tatort: Das ist Niederösterreichs oberster Spurensucher

Gerhard Kainzbauer und Kollegen bei der Tatortarbeit nach einem Bankomat-Coup in NÖ

Kainzbauers Vorgänger, Wolfgang Ostermann, galt österreichweit als Pionier, was die Einführung neuer Methoden und Techniken zur Spurensicherung in Österreich anbelangt. "Ein Visionär, der die Spurensicherung revolutioniert hat“, erklärt Kainzbauer.

DNA war Quantensprung

Ein absoluter "Game-Changer“ für seine Arbeit sei 1997 die Einführung der DNA-Analyse gewesen. "Das war für die Ermittlungsarbeit der Polizei der Quantensprung“, so der Kriminalist.

Jede DNA-Spur von einem Tatort in Niederösterreich wird beim LKA fein säuberlich archiviert. Der administrative Aufwand ist enorm. 2014 fielen 10.600 solcher DNA-Spuren an, im Vorjahr waren es bereits 18.000.

Das kriminelle Gegenüber lernt natürlich auch dazu und mache es den Ermittlern immer schwieriger, sie zu überführen, meint der Leiter des NÖ Landeskriminalamtes, Stefan Pfandler. Mehr als ihnen lieb ist beschäftigten die Ermittler zuletzt hoch professionelle, ausländische Banden, die Bankomaten in ganz Europa in die Luft jagen. "Sie kommen voll vermummt in Anzügen, sind von oben bis unten verklebt, um keine DNA zu hinterlassen und richten wahnsinnig hohen Schaden an“.

Kaprun-Inferno, Tsunami und Leichen im Kühllaster

So sehr Kainzbauer nach 30 Jahren als Spurensicherer auch abgebrüht und professionell wirkt, gibt es immer wieder Tragödien, die ihm nahe gegangen sind und in Erinnerung bleiben. Der Niederösterreicher half, wie viele andere Kollegen aus den Bundesländern aus, als ihre Expertise nach der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn Kaprun im Jahr 2000 gefragt war.

155 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, jedes Opfer musste identifiziert werden. Auch vier Jahre später, als der Tsunami in Südostasien 230.000 Tote forderte, oder als 71 tote Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der Autobahn im Burgenland entdeckt wurden, war Kainzbauer im Disaster-Victim-Identification-Team (DVI) – eine nationale Kommission zur Identifizierung von Katastrophenopfern.

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Ins Gesäß geschossen

Genugtuung empfindet der Chefinspektor, wenn es ihm und seinem Team gelingt, knifflige Fälle zu lösen und dazu beizutragen, dass Schwerverbrecher hinter Gitter kommen. Im vergangenen Jahr ist ihm die besonders brutale Home Invasion in Würnitz in Erinnerung.

Vier Kriminelle drangen im Februar nachts in das Haus eines Ehepaares ein und misshandelten die Frau schwer. Auf der Videoüberwachung ist zu hören und zu sehen, wie das Opfer in Todesangst um ihr Leben kämpft. Ihr 71-jähriger Ehemann schoss in Notwehr einem der Täter ins Gesäß, die anderen flüchteten.

Durch akribische Arbeit gelang es Kainzbauers Team tatsächlich, die DNA-Spuren von allen vier Räubern am Tatort zu sichern. Es waren für die Raubermittler die entscheidenden Beweise, um die Gangster kurz darauf festnehmen zu können.

Aber was macht einen guten Spurensicherer aus?

Es gehe darum, jeden Tatort "richtig zu interpretieren“, nennt Kainzbauer ein Beispiel.

"Blutspuren-Spritzmuster können bei Morden und Gewaltdelikten eine wichtige Rolle zur Abklärung des Tatablaufes spielen. Wir werden daher noch heuer zwei junge, engagierte Kolleginnen nach Deutschland entsenden, um für diese Disziplin einen Kurs zu belegen“.

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