Wie angehende Polizisten auf die Gewalt-Zunahme trainiert werden

Wie angehende Polizisten auf die Gewalt-Zunahme trainiert werden
Gewaltschutz als eine der größten Herausforderungen. Gerhard Karner und Karoline Edtstadler machten sich ein Bild von der Ausbildung.

In der Klasse sitzen die Frauen und Männer, die in Zukunft einschreiten, wenn Gefährder ihre Frauen schlagen, Kinder misshandelt oder missbraucht werden. In fast allen Fällen werden die Polizistinnen und Polizisten den Angriff aber nicht verhindern können.

Der Gewaltschutz gehört zu den sensibelsten Bereichen in der polizeilichen Arbeit. Da die Fälle häuslicher Gewalt in festgefahrenen patriarchalen Strukturen seit Jahren ansteigen, haben sich Innenminister Gerhard Karner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) am Dienstag über die Polizeiausbildung im Bereich des Gewaltschutzes in Traiskirchen ein Bild gemacht.

In Niederösterreich befinden sich aktuell 455 Frauen und Männer in der Grundausbildung, 280 von ihnen im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Traiskirchen. Besonders das Gewaltschutzgesetz mit den Möglichkeiten des Annäherungs- und Betretungsverbotes gegen Gefährder sei ein zentraler Bestandteil der Ausbildung.

Frauenhäuser eingebunden

Gemeinsam mit dem Gewaltschutzzentrum und Frauenhäusern wird das Thema in der Grundausbildung fächerübergreifend behandelt, aber auch im Rahmen eines 24 Unterrichtseinheiten umfassenden Schwerpunkts. „Die Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzzentren ist ein entscheidender Faktor, um die Sichtweise der Opfer und die Gründe für Gewalt umfassend begreifen zu können“, erklärt Karner.

Wie angehende Polizisten auf die Gewalt-Zunahme trainiert werden

Gerhard Karner und Karoline Edtstadler am Dienstag zu Besuch im Bildungszentrum Traiskirchen

Gewalt ufert aus

Besonders das Aufarbeiten von Fallbeispielen des Gewaltschutzzentrums helfe, damit angehende Polizisten das nötige Gespür bei Fällen häuslicher Gewalt bekommen, erklärt die Leiterin des Bildungszentrums, Oberst Barbara Komericky-Schlegl.

Als größte Herausforderung sehen die Polizeischüler, ihre Arbeit in solchen Fällen völlig unvoreingenommen zu erledigen. Bei ihrem Dienst auf den Polizeiinspektionen sind ihnen schon schlimme Fälle untergekommen, beispielsweise der schwere Missbrauch einer Elfjährigen in Ternitz.

Edtstadler verwies vor allem auf Handlungsbedarf im Bereich der steigenden Jugendkriminalität. Als ehemalige Strafrichterin ist sie sich sicher, dass gegen strafunmündige Täter bei Delikten gegen Leib und Leben ein „Fernsehverbot“ nicht ausreiche, um sie auf den richtigen Weg zurückzubringen. „Es braucht durchsetzbare Maßnahmen“, die die jüngst eingerichtete Arbeitsgruppe erarbeiten soll. Dabei ist auch die Herabsetzung der Strafmündigkeit ein Thema.

Kriminalstatistik

Dass das Thema Gewalt die Exekutive immer stärker beschäftigt, zeigt auch ein Blick auf die aktuelle Kriminalstatistik. Im Vorjahr wurden bei der niederösterreichischen Polizei 11.262 Gewaltdelikte angezeigt, das ist ein Plus von mehr als 14 Prozent zum Jahr 2022. Die Zahlen belegen aber auch, dass bei einem überwiegenden Teil der Fälle (63 Prozent) eine Beziehung zwischen Täter und Opfer herrscht.

Umfeld der Opfer sensibler

Im gleichen Ausmaß stieg übrigens auch die Anzahl der ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote. „Das liegt daran, dass das Umfeld der Opfer sensibler geworden ist und daher auch schneller Anzeige erstattet wird“, berichtet Landespolizeidirektor-Stellvertreter Manfred Aichberger.

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