Engpässe: Nur mit "Sehr gut" ins Gymnasium

Die Vorarlberger Schule wollte ihren Schülern keine Ziffernnoten geben
In Städten strömt der Großteil ins Gymnasium, in Mittelschulen gibt es verhältnismäßig wenige Anmeldungen.

Nur ein einziges „Gut“ im Halbjahreszeugnis, und die Tür zum Wunschgymnasium bleibt verschlossen. Was wie ein schlechter Scherz für ehrgeizige Eltern klingt, ist in der Schulstadt Wiener Neustadt bereits gelebte Praxis. Weil im Bundesgymnasium Zehnergasse heuer bereits mehr als 270 Anmeldungen auf „nur“ 170 freie Schulplätze kommen, ist Direktor Werner Schwarz gezwungen, nur die Besten der Besten aus der Volksschule aufzunehmen.

Neben dem Sport-, Sprach- und Wirtschaftszweig hat die Einführung eines Kunstrealgymnasiums die Situation verschärft. Der Ansturm ist größer denn je, ein Ausbau angedacht. Da Eltern in der Hoffnung auf einen Schulplatz auf ein makelloses Zeugnis ihrer Sprösslinge pochen, steigt in den Volksschulen in weiterer Folge der Druck auf die Lehrer: Um „Gefälligkeitseinser“ auszuschließen, verlangen manche Gymnasien bei der Anmeldung der Kinder sogar alle Volksschulzeugnisse ab der 1. Klasse.

Engpässe: Nur mit "Sehr gut" ins Gymnasium

Werner Schwarz ist Direktor des BG Zehnergasse in Wr. Neustadt

Auch der niederösterreichische Bildungsdirektor Johann Heuras sieht darin ein Problem. Um Druck von den Lehrerinnen und Lehrer der Volksschulen zu nehmen, fordert er keinen Aufnahmetest, aber eine Beobachtungszeit. Mit Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ist er deshalb schon länger im Gespräch: „Ich wünsche mir für die Schulwahl einen lang gestalteten Prozess, in dem die Kinder beobachtet und die Eltern beraten werden“, sagt Heuras. So könne man die Mittelschulen stärken, die Gymnasien entlasten und die Kinder vom Leistungsdruck befreien. Alle Beteiligten würden dadurch profitieren.

Denn der Leistungsdruck ist auch an anderen Gymnasien deutlich zu spüren. „Es ist an der Zeit, diesen Sehr-gut-Wahn abzulegen. Auch Schüler mit einem Gut entwickeln sich prächtig“, sagt etwa Maria Kornfeld, die Direktorin des BG Babenbergerring in Wiener Neustadt.

Brennpunkte

Neben Wr. Neustadt gibt es auch anderorts „Brennpunkte“ in Niederösterreich – etwa in Perchtoldsdorf, Baden und Purkersdorf. 150 Anmeldungen und nur 125 Plätze gibt es zum Beispiel im BG Frauengasse in Baden. Dort habe man vor allem ein räumliches Problem: Man rechne bereits mit sechs Wanderklassen im nächsten Jahr, die Kapazität sei am Limit.

Im Durchschnitt kommt man in Niederösterreich auf 160 Schülerinnen und Schüler pro Mittelschule. Bei den Gymnasien (Unterstufe) hingegen sind es im Schnitt pro Schule 387 Schülerinnen und Schüler. „Diese Situation ist ungesund für beide Schultypen“, sagt Bildungsdirektor, Johann Heuras. In ganz Niederösterreich hätten etwa 100 Kinder noch nicht den Schulplatz, den sie wollen, heißt es aus der Bildungsdirektion. Direktoren stimmen sich laufend mit Schulen aus dem Umkreis ab, um alle Kinder unterzubringen.

KURIER: Wie hat sich die Situation an den Neuen Mittelschulen entwickelt?


NÖ Bildungsdirektor, Johann Heuras: In den vergangenen Jahren gab es einen stetigen  Zuwachs zu den Gymnasien, zulasten der Mittelschulen. In ländlichen Regionen wie dem Waldviertel wechseln etwa 20 Prozent nach der Volksschule in ein Gymnasium,   in ganz NÖ sind es im Schnitt 40 Prozent. In den Städten ist der Andrang sehr viel größer.


Wieso ist die Mittelschule am Land beliebter?


Heuras: Am Land bleiben die Schülerinnen und Schüler eher in ihren Gemeinden und im vertrauten Umfeld. In den Städten haben leider manche Mittelschulen den Ruf von Restschulen. In den Städten haben wir auch mehr Schüler mit nicht deutscher Muttersprache. Dem weichen Eltern aus. Dieses Phänomen ist am Land nicht so ausgeprägt. Die Situation ist aus meiner Sicht auch deshalb schwierig, weil man in den vergangenen Jahren zu viel an der Mittelschule reformiert hat. Man muss diesen Schultyp in Ruhe arbeiten lassen. 

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