Ausflugsziele rund um Wien leiden unter der Stadtflucht
Eine Rodelpartie mit der Familie am tief verschneiten Semmering, eine Wanderung in der Winterlandschaft des Naturparks Hohe Wand oder ein Mountainbike-Ausflug im Wienerwald: Seit der Corona-bedingte Lockdown den Menschen ihre gewohnte Freiheit nimmt, ist der Drang, sich in der Natur zu bewegen, größer denn je. Und das ungeachtet der unangenehmen Nebenerscheinungen.
Viele Destinationen, die in der Nähe von Wien oder bis zu einer Autostunde entfernt liegen, werden sei Wochen von Ausflugswilligen regelrecht gestürmt. Gemeinden und Bezirksverwaltungsbehörden müssen Straßen sperren, die Polizei lange Staus auflösen und die Feuerwehr für geordnete Verhältnisse sorgen. Mit dem Start der Semesterferien in Wien und NÖ dieses Wochenende verschärft sich die Lage erneut. Und die Verantwortlichen schicken Appelle an die Erholungssuchenden – oder holen sich Securitys zu Hilfe.
Wer rodelt wo
Um aus epidemiologischer Sicht verwertbare Daten von Hotspots zu bekommen, werden seit dem Sommer in NÖ die Gästeströme zu den stark frequentierten Ausflugszielen über anonymisierte Mobilfunkdaten des Grazer Unternehmens Invenium beobachtet. Anhand der Analyse zeigte sich, dass über die Weihnachtsferien zwar 100.000 Gäste in den nö. Skigebieten ein Ticket hatten, die Zahl der Besucher aber bei über 179.000 lag.Was das etwa am Semmering für ein Chaos auslöste, ist bekannt. Zu Spitzenzeiten waren 1.200 Freizeitsportler auf den Pisten und mehr als 5.000 zum Rodeln auf der Passhöhe.
Da laut den Verantwortlichen ein beträchtlicher Anteil Migrationshintergrund hatte, suchte der Chef der NÖ Bergbahnen, Markus Redl, engen Kontakt zu türkischsprachigen Medien in Wien: „Es ging darum, in gewissen Communitys über die schwierige Lage in den Ausflugsgebieten zu informieren, Aufklärungsarbeit zu leisten und lenkend einzugreifen.“ Der Semmering ist kein Einzelfall.
"Hauptstraße wird gesperrt"
Auch am Gießhübl im Bezirk Mödling strömten an den schönen Winterwochenenden nach Weihnachten Hunderte auf die Kuhheide zum Rodel. Das Ergebnis: Zugeparkte Straßen, kaum ein Durchkommen für Einsatzkräfte und Stau auf der einzigen Zufahrtsroute in den Ort. Damit man für die Semesterferien gewappnet ist, ist derzeit eine neue Verordnung in Begutachtung, die es der Gemeinde erlauben soll, einzugreifen. Dafür sollen extra Securitys zum Einsatz kommen. „Wenn die Auslastung 90 Prozent beträgt, wird die Hauptstraße gesperrt“, sagt Bürgermeister Helmut Kargl (ÖVP).
Wettertechnisch werden rund um den Wienerwald in den Ferien aber eher die Mountainbiker und Wanderer mit Argusaugen beobachtet. Denn es sind seit Monaten nicht nur deutlich mehr Freizeitsportler auf den Rädern unterwegs – sie halten sich auch oft nicht an das Winterfahrverbot. „Es fahren mehr Leute auf illegalen Strecken“, sagt etwa der Chef des Wienerwald-Tourismus, Christoph Vielhaber. Er vermutet, dass viele Neueinsteiger über die Regeln (siehe unten) schlicht nichts wissen. Generell sei der Druck in der Natur groß: Wanderer würden querfeldein marschieren, es gäbe Probleme mit dem Müll. Er appelliert daher, mehr Rücksicht zu nehmen. Man versuche auch, die Besucherströme zu entzerren, indem man Tipps für unbekanntere Ecken und Wanderrouten im Wienerwald veröffentliche.
Chaos in den Orten
Probleme gab es auch beim Naturpark Hohe Wand bei Wiener Neustadt. Wegen der Schneelage wurde der Ausflugsberg von Tausenden Ausflüglern aufgesucht. Mehrmals wurde die Mautstraße gesperrt. „Als wir zuletzt Schneekettenpflicht hatten, sind alle herunten geblieben und das gesamte Ortsgebiet war zugeparkt. Es herrschte ein absolutes Chaos. Es wäre vernünftig, wenn sich die Menschen Ausflugsziele aussuchen, in denen keine Massen auftreten“, sagt Bürgermeister Josef Laferl (ÖVP).
Doch auch manch entlegenes Naturparadies hätte es vor der Pandemie kaum für möglich gehalten, einmal von einer Blechlawine überrollt zu werden. So geschehen in Mariensee am Fuße des Wechsels (Bezirk Neunkirchen). 452 Einwohner zählt der Ort. Beinahe ebensoviele Besucher wollten Mitte Jänner mit Tourenski den Pulverschnee genießen. Sie parkten die Landesstraße über mehrere Kilometer derart zu, dass der Feuerwehr bei einem Einsatz die Zufahrtswege versperrt waren. Man musste die Gäste suchen und sie bitten, ihre Autos umzuparken.
Im Wienerwald herrscht zwischen 1. November und 28. Februar eine sogenannte Winterruhe. In dieser Zeit dürfen selbst die offiziellen Moutainbike-Routen nicht befahren werden. Gründe sind laut Grundeigentümern der Erosionsschutz des Bodens, Ruhe für das Wild sowie die Holzernte-Zeit. Wichtig: Bei Unfällen wird in der Zeit auch keine Haftung übernommen.
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