Landwirtschaftskammer: „Regionalität steht über bio“

Landwirtschaftskammer: „Regionalität steht über bio“
Burgenlands Präsident Nikolaus Berlakovich über die Auswirkungen der Pandemie, steigenden Innovationsbedarf und die Bio-Pläne des Landes.

Mehr als 100.000 Pflanzen in sieben Wochen – so viele Setzlinge wurden durch die Rebschule der Familie Iby im Bezirk Oberpullendorf vermutlich noch nie gepflanzt. Möglich ist das dank der neuen satellitengesteuerten Pflanzmaschine, die sogar in Steillagen oder auf Flächen mit Doppel-S-Kurven das präzise Setzen der Pflanzen ermöglicht – egal ob Reben, Bäume oder Sträucher. Billig ist das nicht, das Gerät am neuesten Stand der Technik kostet 170.000 Euro.

Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zählt der Agrarsektor zu den innovativsten Branchen Österreichs. „Und wir müssen das auch sein“, sagt Burgenlands Landwirtschaftskammerpräsident Nikolaus Berlakovich im KURIER-Talk. „Wir wollen, dass auch kleine Betriebe diese modernen Technologien nutzen können, etwa durch den überbetrieblichen Einsatz von Maschinen.“

KURIER Talk mit Nikolaus Berlakovich

Für die Familie Iby macht sich der Einsatz der – in diesem Fall – eigenen Pflanzmaschine bereits bezahlt. „Dank einer speziellen App ist es möglich, den Materialbedarf für das zu bearbeitende Feld im Vorfeld genau zu kalkulieren“, berichten Hans und Harald Iby. Nach sieben Wochen Volleinsatz im Burgenland, Niederösterreich und Ungarn soll die Maschine im Oktober auch bei Forstbetrieben zum Einsatz kommen.

Landwirtschaftskammer: „Regionalität steht über bio“

Bis dahin wird auch die heurige Erntebilanz vorliegen, bislang sei das Jahr wettermäßig gut verlaufen, meint Berlakovich: „Jetzt ist es fast schon zuviel Regen, aber es wird ja wärmer.“ Die ersten Erdbeeren aus Wiesen seien bereits am Markt, allerdings nur jene aus geschütztem Anbau im Folientunnel. Die Nachfrage dürfte jedenfalls riesig sein, denn während der Corona-Pandemie ist vor allem eines gestiegen: die Lust auf regionale Produkte. „In vielen Dörfern sind Bauernläden oder 24-Stunden-Shops entstanden, auch in den Supermärkten gibt es immer mehr regionale Lebensmittel“, streicht Berlakovich die positiven Seiten der Krise hervor.

Seitens der Landwirtschaftskammer setze man weiter auf Bewusstseinsbildung. „Nur wenn die Konsumenten die Produkte auch kaufen, haben bäuerliche Strukturen eine Chance.“ Das steigende Interesse der Kunden an Herkunft und Produktionsbedingungen seien jedenfalls gute Zeichen.

Schwieriges Verhältnis zum Land

Schwieriger sei hingegen die Zusammenarbeit mit dem Land geworden, meint Berlakovich. Der heute von der SPÖ präsentierten Bio-Vermarktungsgenossenschaft „Bioland Burgenland“ steht er positiv gegenüber, aber: „Wir begrüßen, wenn burgenländische Bauern Lebensmittel im Burgenland verkaufen können.“

Wichtig sei aber auch, dass das Land regionale Lebensmittel den biologischen vorziehe, wenn diese über Tausende Kilometer hertransportiert werden müssen: „Regionalität steht über bio – das ist eine Wertvorstellung, eine Geisteshaltung“, sagt Berlakovich. „Damit bleibt auch die Wertschöpfung in der Region.“

Das Burgenland befinde sich bereits seit 40 Jahren auf dem Bio-Weg. „Von 75.000 Beratungen im Vorjahr waren fast ein Drittel im Bio-Bereich – das ist das Ergebnis der guten Zusammenarbeit mit dem Land: Never change a winning team.“

Land sucht beratende Landwirte für Bio-Initiative 

 Burgenländische Bauern sollen bio werden, deshalb nimmt das Land nun selbst die Beratung in die Hand. Ab 1. Juli sollen Berater die Bauern vom Bio-Weg des Landes überzeugen. Deshalb wurden der Landwirtschaftskammer  400.000 Euro an Mittel gestrichen, die nun das Land für Bio-Beratungen einsetzt.

Derzeit läuft die Ausschreibung für die  künftigen Berater. Gesucht werden Bauern, die Expertise über die Landwirtschaft, Erfahrung an einem Biobetrieb oder eine landwirtschaftliche Ausbildung haben. Auch eine pädagogische Ausbildung sei von Vorteil. Dienstbeginn soll ab 1. Juli sein.

Vom Büro der für die Landwirtschaft  zuständigen Landeshauptmann Stellvertreterin Astrid Eisenkopf, SPÖ, heißt es, dass derzeit zwei bis drei Bioberater gesucht werden, diese sollen im Nord-, Mittel- und Südburgenland stationiert sein.  Je nach Bedarf kann das Beratungsteam  noch  aufgestockt werden.

Egal ob konventionelle Bauern, die  bio werden wollen, oder bestehende Biolandwirte, die Expertise der Berater ist kostenlos. Das Land entlohnt die Berater mit einem freien Dienstverhältnis, je nach Aufwand, es werde aber auch einen fix angestellten Koordinator geben.  Die Beratung kann telefonisch oder vor Ort sein, je nach der Fragestellung und Komplexität.

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