"Es war wie in einem Hamsterrad"

Michael Spindelegger studierte die Plus- und Minus-Listen für die einzelnen Lösungsmodelle
Der Finanzminister erklärt die Hypo-Entscheidungsnacht, und warum die Bank in die ÖIAG wandert.

Vier Jahre hat die Regierung das Hypo-Problem vor sich hergeschoben. Nun macht Finanzminister Michael Spindelegger Druck. Laut Finanzministerium wird die ÖIAG-Tochter Fimbag, die sogenannte Banken-ÖIAG, die Abbauaufgabe der staatlichen Problembank Hypo Alpe-Adria bekommen (mehr dazu hier). Auch die notverstaatlichte Kommunalkredit wird von der Fimbag verwaltet. Damit die Hypo in die ÖIAG wandern kann, wird laut Finanzministerium im Nationalrat noch ein Sondergesetz beschlossen. Die Hypo wird dann eine AG mit Sonderrechten ohne Banklizenz. Der nächste Schritt folgt Anfang Juni. Hier soll die ÖIAG-Hauptversammlung, so der Plan der Finanzministeriums, die Veränderung abwickeln.

Am Sonntag in der ORF-Pressestunde schloss Spindelegger nicht aus, dass die Bank noch mehr Steuergeld verschlingen könnte. Einen Untersuchungsausschuss lehnt er weiterhin ab, dafür soll eine U-Kommission unter der Leitung von Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss kommen. Der kommende neue Aufsichtsratschef der Hypo soll der Bankfachmann Herbert Walter werden (mehr dazu hier).

KURIER: Herr Spindelegger, bei der Entscheidungsfindung für die Bad Bank gibt es ein Déjà-vu. Wie schon bei der Notverstaatlichung 2009 wurde über Nacht eine Lösung gefunden. Warum diese plötzliche Eile, wenn Sie sich doch bis Ende März Zeit lassen wollten?
Michael Spindelegger:
Es war kein Nachteil, schneller zu entscheiden. Die unterschiedlichen Modelle wurden so unterschiedlich diskutiert, dass es absolut notwendig wurde, hier endlich Klarheit zu schaffen und zu sagen: Dieses Modell ist es jetzt.

Ist ein neues Faktum in der Vorwoche aufgetaucht, dass diese Hektik ausgebrochen ist?
Einerseits wurde immer mehr der Druck von der Öffentlichkeit aufgebaut, die Entscheidung muss schneller, schneller, schneller gehen. In diesem Hamsterrad war auch ich drinnen. Der zweite ausschlaggebende Grund war, am Montag dieser Woche wurde planmäßig eine Anleihe über 750 Millionen Euro getilgt, und am Freitag tagte der Aufsichtsrat, wo es gut gewesen wäre, schon zu wissen, wie die Zukunft ausschaut. Ich habe mir dann überlegt: Warum sollen wir jetzt noch zwei Wochen warten? Eigentlich haben wir alle Fakten und Gutachten auf dem Tisch, um zu entscheiden, wie es mit der Bank weitergehen soll.

"Es war wie in einem Hamsterrad"
Interview mit Dr. Michael Spindelegger im Finanzministerium. Wien, 20.03.2014

Hatten Sie selbst auch genug von dem Druck und den schlaflosen Nächten?
Es waren viele schlaflose Nächte dabei, aber nicht nur wegen der zahlreichen Sitzungen. Die letzten 12 Wochen, seit ich Finanzminister bin, waren persönlich sehr belastend, weil das Problem Hypo endlich zu einer Lösung kommen musste. Allein in der Entscheidungswoche war jeder Tag, jede Stunde ausgebucht. Am Montag gab es gleich eine Pressekonferenz zum Task-Force-Bericht, dann ging es nach Brüssel, über das Ende des Bankgeheimnis zu verhandeln. Am nächsten Tag startete schon um 7.30 Uhr der Ecofin-Rat. Am Abend in Wien bekam ich das Hypo-Insolvenz-Gutachten von den Unternehmensberatern ZEB, das wurde dann bis in die Morgenstunden diskutiert. Am Mittwoch gab es ein Treffen mit Ewald Nowotny und mit Kanzler Faymann, danach habe ich mit den Finanzsprechern aller Parteien gesprochen. Und am Donnerstag sind wir bis drei Uhr in der Früh im Ministerium gesessen, damit wir dann Freitag in der Früh die Entscheidung präsentieren konnten.

Wie entscheidet man, wenn es zu einem Problem zehn verschiedene Meinungen gibt? Was war der springende Punkt zu sagen, wir machen jetzt das Bad-Bank-Modell?
Ich habe zu jeder Variante, die am Tisch lag, eine Plus-Minus-Liste erstellt und nochmals alle Pro- und Contra-Argumente vergegenwärtigt. Ich zog dann den Vergleich und näherte mich so der Entscheidung, die es letztendlich werden musste.

Wie oft mussten Sie Ihre Liste in den letzten Wochen adaptieren?
Sehr oft, die Listen mussten immer wieder ergänzt werden. Denn es gab ja nicht nur die Modelle Insolvenz oder keine Insolvenz, sondern wir haben ja auch eigene Modelle entwickelt. Letztendlich haben wir uns für ein Modell entschieden, das genau in der Mitte liegt. Es ist eben keine Anstalt mehr, sondern eine ganz spezielle Abbaubank – ein Mittelweg zwischen Insolvenz und Anstalt.

Wer waren Ihre wichtigsten Berater?
Die Grundlage für die Diskussion war der Task-Force-Bericht. Der frühere Deutschland-Chef von Morgan Stanley, Dirk Notheis, war ein wichtiger Berater, dann habe ich auch oft mit Justizminister Wolfgang Brandstetter diskutiert, und meine engsten Mitarbeiter halfen mit, die Plus-Minus-Listen zu erstellen.

Die meisten Österreicher sehen mehr Minus als Plus bei der Bad-Bank-Lösung. Es gibt Proteste im Web, wie man die 19 Milliarden Euro hätte besser investieren können. Wie gehen Sie mit dem Buhmann-Image nun um?
Da habe ich meine ganz eigenen Erlebnisse. Am Tag nach der Entscheidung war ich mit meiner Frau im Supermarkt einkaufen. Die erste Dame, der ich begegnete, meinte: "Na, da hätten Sie sich aber mehr trauen sollen." Gleich zwei Meter weiter kam ein Mann auf mich zu, klopfte mir auf die Schulter und meinte: "Super, endlich wurde eine Entscheidung getroffen." Diejenigen, die sich artikulieren, sind aber meistens die Kritiker – so wie der Herr Düringer. Ich sehe mich nicht als Buhmann, auch nicht als jemand, der schlecht entschieden hat. Sondern als jemand, der endlich entschieden hat.

"Es war wie in einem Hamsterrad"
Interview mit BM Michael Spindelegger im Finanzministerium. Wien, 20.03.2014

Auch wenn Ihre Lösung jetzt 19 Milliarden Euro kostet?
Das ist eine Zahl, die von niemandem behauptet werden kann. 17,8 Milliarden Euro müssen wir jetzt in die Staatsschuld einstellen. Aber dieser Wert vermindert sich jedes Jahr beim Verkauf eines Grundstücks der Abbaugesellschaft oder der Rückzahlung eines Kredits.

Welche Summe wird dann übrig bleiben?
Ich nenne keine Zahl, weil es unseriös wäre, zu prognostizieren, was ein Grundstück in Kroatien in fünf oder zehn Jahren Wert sein wird. Ich kann nur sagen, was der Vorstand sagt, und der spricht von vier Milliarden. Und auch Notenbank-Chef Ewald Nowotny bestätigt diese Zahl. Als Finanzminister werde ich alles tun, um diese Zahl zu unterschreiten. Schauen wir, was in zehn Jahren unter dem Strich herauskommt ...

... wo Sie dann nicht mehr Finanzminister sind. Wie sehr war Bundespräsident Heinz Fischer in die Entscheidung eingebunden?
Direkt eingebunden in die Entscheidung war Bundespräsident Fischer nicht, aber in zahlreiche Gespräche. Auch in der langen Entscheidungsnacht habe ich mit ihm alle Varianten diskutiert.

Werden Sie nun eine Charmeoffensive starten, um die negativen Umfragewerte wieder in die Höhe zu pushen? War das Treffen mit Kabarettist Roland Düringer ein erster Schritt?
Ich starte keine Charmeoffensive, aber ich stehe für alle Diskussionen offen und habe nichts zu verbergen, warum ich so entschieden habe. Natürlich werde ich jetzt gefragt: Warum wurde Roland Düringer empfangen und ich nicht? Ich kann nicht alle empfangen. Aber er hat für mich so etwas wie eine Vertreterrolle. Und ich werde auch mit anderen Bürgern drüber reden, etwa beim gemeinsamen Vorarlberg-Tag kommende Woche mit Werner Faymann.

War das nun die zweite Notverstaatlichung? 2009 hoffte man noch, dass man die Bank sanieren, verkaufen und in drei Teile teilen kann. Nun gehört die Hypo zur Gänze Österreich...
Wir haben keine zweite Notverstaatlichung gemacht, sondern es war die Privatisierung der Bank. Die Österreich-Tochter haben wir schon verkauft, der Verkaufsprozess fürs Osteuropa-Netzwerk läuft auf Hochtouren und wird unabhängig von der weiteren Abwicklung der Hypo-Alpe-Adria-Bank International fortgesetzt. Den Rest geben wir in eine privatwirtschaftlich organisierte Kapitalgesellschaft. Das ist ja der Reiz dieser Lösung.

Am Freitag kam die Schocknachricht, dass die Hypo noch heuer 1,43 Milliarden Euro benötigt. In welche Kapitalgesellschaft wollen Sie die Bank geben?
Die Hypo International wird ihre Banklizenz zurücklegen und noch heuer in die Beteiligungsholding ÖIAG wandern. Dort sollen die bestehenden Vermögen über die Jahre bestmöglich verwertet werden, um die Kosten für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten.

Michael Spindelegger im Porträt

Kommentare