Jetzt wollen wir unser Leben ändern

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Es gibt viele Arten, mehr Drive ins Leben zu bringen. Mehr Bewegung und Kreativität, weniger Chips und Zaudern. Warum nicht heute damit beginnen? Psychologie und Hirnforschung wissen, was bei der Umsetzung hilft.

Neues Jahr, neue Vorsätze. Warum auch nicht? Zwar geht es auch ohne, aber mit bekommt das Leben einen neuen Kick. Und: Wer den Wunsch verspürt, das eigene Leben in neue Bahnen zu lenken, wird diesem ohnedies nachgehen wollen. Egal, ob jetzt gleich oder unter dem Jahr. Denn er hat ein Ziel vor Augen, das ihn vermutlich schon länger gedanklich umtreibt.
Wie erreicht man Ziele am besten? Wie steht die Chance, sie umzusetzen, wenn man bereits öfter daran gescheitert ist? Gibt es Mittel, Wege und Hilfen, um erfolgreich zu sein? Anruf beim Wirtschaftspsychologen und Persönlichkeits-coach Alfred Lackner: „Ziele können gefährlich sein. Wer zu zielorientiert lebt, vergisst zu leben.“ Das sitzt, so gesehen können sich jetzt alle gleich wieder zurücklehnen, noch ein paar Kekse essen, Bewegungsmuffel bleiben, sich treiben lassen.
So einfach ist es dann aber doch wieder nicht. Lackner: „Viele Menschen packen ihr Leben in Vorstellungen und Pläne, in ein Konstrukt von etwas, das nicht von innen heraus kommt, sondern Paradigmen entspricht. Sie wollen Kinder, Karriere, Haus, Auto, Urlaub und ein gesundes Leben“, sagt der Psychologe. Dabei gehe es im Leben doch vielmehr um einen lebendigen, aktiven Prozess und nicht darum, am Schluss sagen zu können: Ich habe ein Ziel erreicht.
Und wenn Menschen ihrem Leben eine neue Richtung geben möchten? Endlich gesünder essen, sich mehr bewegen oder ein Instrument lernen wollen? „Diesen Menschen geht es darum, ihre Lebensqualität zu verbessern, Gewohnheiten zu ändern, damit sie zufriedener sind“, erklärt Psychologe Lackner. Und das ist schwierig. Außer der Leidensdruck ist extrem hoch. Denn man muss Zeit und Raum für etwas finden, was bisher weder Zeit noch Raum hatte.

Glaubenssätze oder Motivationsgurus helfen nicht. „Viele glauben, es gibt eine Technik, mit der man sein Leben verändern kann. Und wer es mit so einer Technik dann tatsächlich geschafft hat, vermittelt auch gerne den Eindruck, viel geleistet zu haben.“ Menschen lassen sich jedoch nicht über einen Kamm scheren. Was dem einen hilft, ist nicht das Allheilmittel für jedermann.
„Da wir keinen Zaubertrank haben, um Gewohnheiten zu ändern, hilft nur die Disziplin“, sagt Lackner. Diese ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt, auch bei ein und demselben Mensch. Wer es geschafft hat, mit dem Rauchen aufzuhören, kann vielleicht der Schokolade nicht widerstehen.
Die ungeliebte Willenskraft und die verpönte Disziplin haben seit einiger Zeit wieder einen höheren Stellenwert, wenn es darum geht, sein Leben zu verändern. Seitdem die Hirnforschung herausgefunden hat, wo die Willenskraft im Gehirn sitzt und Studien zeigen, dass wir diese sogar beeinflussen können, scheint eine neue Selbstoptimierungs-Welle losgetreten. Doch zu viel Selbstregulation ist gar nicht so gut, gleicht sie doch quasi einem Muskel, der ermüdet, wenn er zu viel benutzt wird.
„Wenn Sie diesen Muskel nicht ausruhen lassen, kann er seine ganze Kraft verlieren, so wie bei einem Sportler, der sich bis zur Erschöpfung fordert“, schreibt Kelly McGonigal in ihrem Buch „Bergauf mit Rückenwind“ (Goldmann Verlag). Die Psychologin hält Vorträge zum Thema an der Stanford University und empfiehlt, sich bewusst zu machen, dass die Willenskraft durch viele Dinge des Alltags in Anspruch genommen werden kann. Wer sich etwa den Nachtisch verkneift, sich wach hält, obwohl er müde ist und dann auch noch bei der Konzentration gegen Ablenkungen ankämpfen muss, hat schon einiges an Willen aufbringen müssen. „Es ist gut zu wissen, dass mangelnde Willenskraft nicht zwingend ein Zeichen von Charakterschwäche ist; manchmal zeigt sich einfach, wie sehr wir uns angestrengt haben“, so McGonigal.
Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, zu erkennen, was einen stresst und was nicht. Woraus man Energie zieht und wo man sie verliert.


„Wenn wir große Veränderungen in unserem Leben vornehmen, sabotieren wir uns oft, indem wir gleichzeitig auch noch andere Veränderungen vornehmen wollen“, heißt es in dem Buch die „Macht der Disziplin“ (R. Baumeister, J. Tierney / Campus). Sie wollen endlich ausmisten, gleichzeitig abnehmen und müssen auch noch die Steuerunterlagen nachreichen? „Da unsere Willenskraft begrenzt ist, konkurrieren die verschiedenen Vorsätze miteinander. Immer wenn sie den einen umsetzen, haben sie keine Kraft mehr für den anderen“, so die Autoren.
Selbst wer „nur“ eine Gewohnheit ändern möchte, sollte sich überlegen wie stark sein Wille ist, wie leicht es sein wird, in die Gänge zu kommen. „Vielleicht braucht es Unterstützung von Freunden, Mitstreitern und Beratern“, sagt Psychologe Alfred Lackner. „Wozu es sich schwerer machen als notwendig?“ Denn freiwillig etwas zu ändern, sei gar nicht so einfach. „Den größten Erfolg, Gewohnheiten aus eigener Kraft zu ändern, hat, wer leidet. Dann ist die Motivation besonders hoch.“ Das erklärt auch, warum Schicksalsschläge wie Krankheit oder Scheidung dem Leben oft eine unglaubliche Wende geben können.
„Disziplin, also die Fähigkeit einen Plan zu verfolgen, hat auch mit dem Reifegrad einer Persönlichkeit zu tun“, sagt Lackner. „Das Gegenteil von Disziplin ist, zu machen, was einem gerade einfällt.“ Dabei sei es gesund, sich auf beiden Ebenen zu bewegen. Also die Fähigkeit, in eine Tätigkeit zu investieren, bei der die Ernte später erfolgt. Sich aber auch Raum dafür zu nehmen, einfach drauflos zu leben und zu tun, was einem gerade in den Sinn kommt.
Wer eine schlechte Gewohnheit aus seinem Leben verbannen möchte, hat es leichter, wenn er sich dem nicht ständig aussetzt. Zumindest die ersten Wochen. „Wer keine Chips essen will, sollte sich keine kaufen“, sagt Lackner. Wer weniger fernsehen will, kann das TV-Gerät zwei Monate lang in den Keller sperren. Eine neue Gewohnheit wird sich entwickeln. Im besten Fall das, was man stattdessen machen wollte: mehr Sport, mehr Musik, malen oder schlafen. Die Redewendung „Aus den Augen aus dem Sinn“ beschreibt ganz gut, wie das funktioniert.

Wer einer neuen Gewohnheit einen fixen Platz einräumen möchte, braucht wiederum das Gegenteil: bewusst machen, fokussieren, dran denken und sie in einen Kontext setzen. Bis sie so selbstverständlich wird, wie das Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Noch besser gelingt die Verwirklichung, wenn man keine Wahl hat: „Wer sich mehr bewegen will und tierlieb ist, kann sich einen Hund anschaffen. Da muss man raus, auch wenn man nicht will“, so der Psychologe.
Gut zu wissen: Wer sich für ein Vorhaben entschieden hat, sollte mindestens zwei Monate lang dranbleiben. Nur so weiß man, ob die Änderung einem wirklich entspricht.
Doch das Schwierigste und gleichzeitig Wichtigste, um Gewohnheiten zu ändern, ist aufzuspüren, was einen zufrieden macht, Energie und Wohlbefinden gibt und zur aktuellen Lebensrealität passt. „Das geht nur über die Selbstwahrnehmung“, sagt der Psychologe, „die Fähigkeit zu erkennen, was die eigentlichen Bedürfnisse sind.“ Diese verändern sich übrigens laufend, so wie das Leben selbst.


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