Wenn das Gehirn älter wird

Wenn das Gehirn älter wird
Die Angst vor Gehirnerkrankungen im Alter nimmt zu. Dabei ist die positive Einstellung zum Älterwerden wichtiger, als man meinen würde. Denn daraus kann das Gehirn Kraft schöpfen. Wer leidenschaftlich gerne lebt, tut seinem Kopf bereits Gutes. Erkenntnisse aus der Hirnforschung.

Das Gedächtnis nimmt ab, wenn man es nicht übt“, sagte wer? Gerade noch gewusst, schon vergessen. Wenn einem Namen entfallen, man ständig auf der Suche nach seinem Schlüsselbund ist, kann das verunsichern. Ist das die Vorstufe zum Vergessen? Wer bleibt im Alter von der gefürchteten Gehirnkrankheit Alzheimer verschont?

Die schlechte Nachricht: Margaret Cha, Direktorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagte es ja kürzlich beim G8-Gipfel der Gesundheitsminister ganz offen: „Demenz ist eine globale Herausforderung.“ Da wir so alt werden, werden auch immer mehr von uns daran leiden, je älter, desto wahrscheinlicher, derzeit sind es 44 Millionen Menschen weltweit. Das sind viele und leider ist Alzheimer noch nicht heilbar.

Die bessere Nachricht: Die meisten Senioren besitzen immer noch ein sehr gut funktionierendes Gehirn. Sie verfügen über einen größeren Sprachschatz und mehr Weltwissen als Jüngere, verstehen komplexe Zusammenhänge besser und sind wesentlich kompetenter und gelassener, wenn es um die Lösung von Konflikten geht. Abstriche kann es bei der Schnelligkeit des Denkens und der Verarbeitung neuer Eindrücke geben, aber man hat ja auch mehr Zeit.

Dennoch stellt sich die Frage: Warum sind manche Menschen bis ins hohe Alter konzentrierter, neugieriger und wacher im Kopf als andere? Ganz einfach: Sie nutzen ihr Gehirn besser. Die Hirnforschung veröffentlicht eine Studie nach der anderen, die beweisen, dass wir Einfluss auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns haben und diese sogar im Alter noch verbessern können. Der niederländische Hirnforscher André Aleman hat die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in seinem Buch „Wenn das Gehirn älter wird“ analysiert, und zeigt, was wir konkret tun können. Wichtig ist etwa die bejahende Einstellung zum eigenen Alter, die nicht nur die Lebenserwartung erhöht, sondern auch die Gedächtnisleistung. Das hat mit der self-fulfilling prophecy, selbsterfüllenden Prophezeiung, zu tun. Dazu gibt es folgenden Test: Werden älteren Menschen positive Begriffe zum Thema Alter, etwa „weise“, vorgelegt, ist ihre Leistung in einem anschließenden Gedächtnistest besser als nach der Lektüre negativer Begriffe wie „senil“. Dazu kommt, dass ein positiver Mensch von Haus aus aktiver ist. Soziale Kontakte helfen.

Erst vor knapp 25 Jahren entdeckte die Wissenschaft das Phänomen, dass auch Erwachsenenhirne neue Verknüpfungen zwischen Hirnzellen bilden können. Verbindungswege, die dafür sorgen, dass Informationen weitergeleitet werden. Das passiert beim Laufenlernen als Kleinkind, aber auch beim Lesen eines Buches oder beim Lernen von Sprachen. Wer übrigens zweisprachig aufgewachsen ist, hat schon bestens vorgesorgt, Vernetzungen, auf denen er aufbauen, auf die er zurückgreifen kann, um die Hirnaktivität zu stärken. Die Vernetzungen zwischen den Hirnzellen sind entscheidend für die mentalen Funktionen wie Gedächtnis, Konzentration und Denkfähigkeit.

Lange ging man davon aus, dass die Verbindungen zwischen den Neuronen nach und nach absterben – und aus. Heute weiß man, dass sich neue nachbilden können. Ein Meilenstein in der Hirnforschung. Die Entdeckung machte man zuerst bei Menschen, die einen Arm oder ein Bein verloren hatten. Um den verbleibenden Arm zu steuern, entstand im Hirn ein Netzwerk, das vorher nicht existiert hatte. Das Gleiche geschieht bei Menschen, die etwas Neues lernen. Und zwar bis ins hohe Alter.

Voraussetzung ist, der Kopf bekommt etwas zu tun. Ohne Input und Interesse für Neues kann sich nichts entwickeln.

Weitere Erkenntnisse, die der niederländische Hirnforscher uns mit auf den Weg gibt, kennen wir aus Gesundheitsbroschüren und Ratgeberliteratur, wenn es etwa um Herz-Kreislauferkrankungen geht. Dass die gleichen Tipps auch für unser Gehirn wichtig sind, hilft vielleicht, diesmal am Fitnessprogramm dranzubleiben: Mäßig essen, viel Wasser trinken und vor allem Sport. Aleman: „Dass Körperbewegung gut für unsere geistigen Fähigkeiten ist, wurde am besten nachgewiesen.“ In diesem Sinne: „Vor nichts muss sich das Alter eher hüten, als sich der Lässigkeit und Untätigkeit zu ergeben“, sagte Cicero. Fast hätt’ ich’s vergessen: Er ist auch der Autor des Zitates zu Beginn.

DAS HILFT DEM DENKEN

Sport regt die Abgabe von Wachstumshormonen in Blutbahn und Gehirn an, außerdem wird es so mit ausreichend Sauerstoff versorgt. „Die einfachste Art und Weise sein Gehirn so gesund wie möglich zu halten, besteht darin, drei Mal wöchentlich mindestens eine halbe Stunde lang in einem zügigen Tempo zu laufen, zu schwimmen, zu radeln oder Fitness zu treiben“, so Hirnforscher André Aleman. Wer nicht mehr so belastbar ist, dem empfiehlt der Forscher die Bewegungslehre Tai Chi. Auch hervorragend für das Gehirn: Bücher lesen, Spiritualität und Achtsamkeit.


Buchtipp: „Wenn das Gehirn älter wird“, André Aleman, Verlag C.H. Beck, 18,50 €

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