Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone

Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone
Befragung blieb bis zum Schluss spannend. 53,2 Prozent der Anrainer sind für Verkehrsberuhigung.

Es war bis zum Abend spannend, aber zuletzt ging sich doch noch ein Ja für die umstrittene Fußgängerzone in Österreichs größter Einkaufsstraße aus: 53,2 Prozent der Bewohner der angrenzenden Bezirke Mariahilf und Neubau haben sich für die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße entschieden. Nach dem Bürgerentscheid soll es aber künftig weitere Querungen geben. Radfahren wird in der neuen Fußgängerzone erlaubt sein.

Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zeigte sich nach dem Endergebnis sichtlich erleichtert: "Ich sehe das Ergebnis mit großer Gelassenheit. Mich freut besonders die sehr gute Beteiligung."(siehe Interview unten)Auch beim Koalitionspartner, den Grünen, war die Freude groß, allen voran bei Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou: "Das Ergebnis ist wie Weihnachten und Ostern zusammen. Danke Mariahilf, danke Neubau. Das ist eine unglaubliche Reife, die hier an den Tag gelegt wurde". Bis zuletzt war mehr als fraglich, ob die Anrainer das grüne Prestigeprojekt tatsächlich wollen.

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Selten hat ein Verkehrsprojekt die Wiener mehr polarisiert als die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße, die seit Mitte August als Probebetrieb auf 1,6 Kilometer (inklusive zweier Begegnungszonen) eingerichtet wurde. Vor allem die neuen Verkehrsregelungen in den Seitengassen sorgten für Unmut unter vielen Anrainern. Besonders die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hatte scharfe Kritik einstecken müssen. Das Verkehrsprojekt wurde letztlich sogar zu einer Zerreißprobe für die österreichweit erste rot-grüne Landesregierung.

Noch am Freitagmorgen kamen die letzten Anrainer persönlich ins Amtshaus des siebenten Bezirks in die Hermanngasse, um ihre Stimme abzugeben.

Letzte Stimmzettel

Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone
Fünf Minuten vor dem offiziellen Abstimmungsende warf Sandra Sedlaczek-Riederer unter Blitzlichtgewitter ihren Stimmzettel in die bereitgestellte Box. "Ich habe darauf vergessen und gestern in der Zeitung gelesen, dass heute die Abstimmung endet", erklärte die junge Mutter noch etwas außer Atem. Sie habe für die Verkehrsberuhigung gestimmt, samt Radfahrer und Querungen. "Man muss Neuem eine Chance geben. Dass die Grünen nicht alles richtig gemacht haben, ist klar. Aber in einer modernen Stadt sollte es Veränderung geben", sagt Sedlaczek-Riederer.

Walter Mühlwerth hat hingegen mit Nein gestimmt. "Wo zum Beispiel sollen denn die Einsatzfahrzeuge durchfahren, wenn da überall Sitzmöbel stehen?", fragte der alteingesessene Neubauer, der auch in der Bezirks-FPÖ aktiv ist. "Dazu kommt das massive Sterben der Geschäfte."

Auffällig war die unüblich hohe Beteiligung von knapp 68 Prozent. Sie liegt damit sogar über jener der vergangenen Wien-Wahl im Oktober 2010.

"Die grüne Mobilisierungskampagne ist gelungen", sagt Politologe Peter Filzmaier. Und: "Je konkreter das Thema ist, desto eher gebe ich eine Stimme dazu ab", analysiert der Experte. Zudem hätten die Grünen auch alle rechtlichen Grauzonen ausgenutzt, betont der Politologe. So wurden etwa die EU-Bürger befragt, die Geschäftsleute jedoch nicht.

Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone

Und zum Ergebnis: "Die Grünen sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Filzmaier. Allerdings: "Ruhmesblatt für die rotgrüne Stadtregierung war das nicht. Das grüne Prestigeprojekt Mariahilfer Straße hat einen Schönheitsfehler, der auch bis zur Wahl nicht mehr wegzubekommen ist."

Denn die Zahl jener, die die Verkehrsberuhigung ablehnen, ist auf alle Fälle groß, wie das Ergebnis der Abstimmung zeigt.

Vassilakou hat daher bereits reagiert. Sie kündigte zuletzt einen runden Tisch mit allen Parteivertretern für den kommenden Mittwoch an. Das ist auch nötig: "Es liegt nun an Vassilakou", betont Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka, "alle Beteiligten mit ins Boot zu holen und der Einkaufsstraße wieder die Attraktivität zu geben, die sie vor der chaotischen halbjährigen Testphase hatte.

Auf die Verkehrsstadträtin kommt jedenfalls viel Arbeit zu.

So soll die Mariahilfer Straße in Zukunft aussehen

Wiens Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich nach dem Endergebnis sichtlich erleichtert: "Ich sehe das Ergebnis mit großer Gelassenheit. Mich freut besonders die sehr gute Beteiligung."

Der Stadtchef sagte auch, dass für ihn das Ergebnis passt und mit der Umsetzung der Fuzo jetzt begonnen werden kann. "Das findet so statt."

Dass in Zukunft auch Radfahrer neben Fußgängern durch die Fuzo fahren werden, sieht der Bürgermeister nicht als Problem.

Aber er machte Freitagabend auch ein Angebot an jene, die angesichts der neuen Entwicklung noch Ängste entwickeln könnten: "Wir werden die Sorgen von Eltern mit kleinen Kindern ernst nehmen. Wir werden uns darum nicht nur mit der Polizei kümmern, sondern uns auch geeignete Maßnahmen überlegen."

Vom Projekt Verkehrsberuhigung in der Mariahilfer Straße ist der Bürgermeister fest überzeugt: "Am Ende des Tages wird alles schön sein und die Leute werden froh sein."

Nicht einmal Politik-Beobachter ließen sich zuletzt zu einer Prognose hinreißen. Aber nun steht das künftige Schicksal von Österreichs größter Einkaufsstraße fest.

Knapp 50.000 Bewohner von Mariahilf und Neubau durften in den vergangenen Wochen über das grüne Prestigeprojekt abstimmen, das wie kein anderes seit Monaten die Stadt polarisiert. Mehr als zwei Drittel der Anrainer nahm auch tatsächlich teil.

In der Befragung sprachen sich 53,2 Prozent für die Beibehaltung der seit August getesteten Fußgängerzone samt zwei Begegnungszonen aus. Spätestens ab Mai verwandelt sich der 1,6 km lange Abschnitt für zwei Jahre in eine Großbaustelle. Die Mahü wird über diesen Abschnitt mit 420.000 Steinen gepflastert, die Niveau-Unterschiede zwischen Gehsteig und Fahrbahn verschwinden. Sämtliche Verkehrsteilnehmer bewegen sich dann auf einer Ebene.

Die erste Etappe des Umbaus betrifft den westlichen Teil von der Kaiserstraße bis zur Andreasgasse, nach der Winterpause ist 2015 der restliche Abschnitt bis zum Museumsquartier dran.

Insgesamt umfasst die Umbaufläche 39.000 m², das entspricht ungefähr fünf Fußballfelder. Zusätzlich bekommt die Einkaufsmeile mehr Sitzgelegenheiten, Grünflächen, Wassertische und Spielgelegenheiten. Eine neue Beleuchtung und kostenloses WLAN sollen ebenfalls kommen. Die Schanigärten werden weiter in Richtung Straßenmitte rücken, damit mehr Platz zum Flanieren entlang der Auslagen entsteht.

Außerdem sollen mehr Querungen geöffnet werden, die Radler dürfen hingegen weiter durch die Fußgängerzone fahren.

Mariahilfer Straße: Ja für umstrittene Fußgängerzone

Im Herbst 2015 soll die neue Mahü fertig sein. Der Umbau würde 25 Millionen Euro kosten. Das sei pro Quadratmeter deutlich günstiger als etwa die Neugestaltung der Fußgängerzonen in der Kärntner Straße und am Graben, betonen die Grünen.

Kein Fußgängerzonen-Projekt hat in Österreich so polarisiert. Kaum ein Vorhaben in Wien hatte zuletzt größere politische Sprengkraft entfaltet.

Seit Freitag wissen wir, dass sich die Anrainer der Mariahilfer Straße für die umstrittene Fußgängerzone entschieden haben. Nach Monaten in der Defensive kann die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou aufatmen. Mit einer beispiellosen Mobilisierungskampagne konnten die Grünen in ihren Herzkammer-Bezirken Neubau und Mariahilf das Stimmungsruder noch herumreißen. Auch für Bürgermeister Michael Häupl ist der politische Stresstest zu Ende. Bei einem negativen Votum wäre sein politisches Lieblingsprojekt Rot-Grün bereits jetzt ein Fall für die Geschichtsbücher gewesen.

Unabhängig vom Ausgang ist das Thema nicht vom Tisch. Zu viele Fehler wurden rund um Österreichs wichtigste Einkaufsstraße gemacht.

Die erste Fehleinschätzung unterlief dem Wiener Bürgermeister schon bei der Rollenverteilung in der Stadtpolitik. Als Häupl 2010 Rot-Grün aus der Taufe hob, wollte er frischen Wind ins Rathaus holen und eine neue Koalitionsform auf Bundesebene salonfähig machen. Dass er das wichtige Verkehrs- und Planungsressort jedoch den Grünen überließ, sollte sich rächen.

Maria Vassilakou nahm ihre Rolle ernst. Ihr ging es darum, grüne Ideale realpolitisch umzusetzen. Vorrang für Fußgänger und Radfahrer, lautete ihr Motto. Kein falscher Ansatz, denn international sind Fußgängerzonen erfolgreich im Vormarsch. Mit ein Grund, warum die Vizebürgermeisterin das Projekt Mariahilfer Straße zum Glanzstück ihrer Stadtpolitik machen wollte.

Managementfehler

Aber Vassilakou unterliefen handwerkliche Fehler. Sie ging das Projekt zu euphorisch an. Nach kurzer Bürgerbeteiligung gab sie grünes Licht für die Testphase der Fußgängerzone. Tage später folgte die Ernüchterung. Radfahrer, Fußgänger und ein Linienbus auf einer gemeinsamen Straße harmonierten nicht. Die Anrainer empfanden die Mahü Neu als unausgegorenes Experiment. Ja, man sprach sogar von der Berliner Mauer zwischen den Bezirken. Als das Chaos perfekt war, zog Häupl die Notbremse und setzte die Bürgerbefragung an.

Doch auch das konnte die Gemüter nicht beruhigen. In ihrem Bestreben, Klientelpolitik durchzusetzen, hatte Vassilakou auf die Geschäftsleute vergessen. Sie spielten in allen Überlegungen der Stadt für die Fuzo keine zentrale Rolle. Daher lehnten sie die Verkehrsberuhigung ab.

Derart in die Enge getrieben, warfen die Grünen bei der Befragung auch Grundsätze über Bord. Die revoltierenden Geschäftsleute wurden von der Befragung ausgesperrt. Die freundlicher gestimmten EU-Bürger durften zu den Urnen.

Häupl und Vassilakou brauchten ein Votum, mit dem sie ihre Koalition retten können. Das haben sie bekommen. Beide können jetzt weiter regieren. Klar ist aber auch, nach den vielen Pannen ist die MaHü Neu weder der große Wurf vor der Wien-Wahl noch das große Referenzprojekt für eine rot-grüne Koalition im Bund.

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