Österreicher zieht es an den Stadtrand

Haus Bad Vöslau
Die Innenstadt ist out. Drei Viertel aller Österreicher wollen lieber im Speckgürtel leben.

Marlies und Daniel durchstöbern seit Monaten die Immobilien-Inserate. Eine halbwegs große Wohnung oder ein Haus mit Platz für ein bis zwei Kinder und einem Garten sollte es sein. Fündig geworden sind die 23-jährige Projektmanagerin und der 26-jährige leitende Angestellte bisher aber nicht. „So etwas ist in Wien einfach nicht finanzierbar. Weder durch Kauf, noch durch Miete“, sagt die 23-Jährige. Deshalb überlegen die beiden nun, in den Speckgürtel rund um Wien zu ziehen.

Mit ihren Plänen stehen sie nicht alleine da. 66 Prozent der Österreicher hätten gern ein Haus im Grünen am besten als Eigentum. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Integral.

Her mit dem Speck

Jeder vierte Österreicher will in den kommenden fünf Jahren umziehen. Die Großstadt ist dabei nicht das erste Ziel. Nur 16 Prozent der Befragten gaben an, in eine Großstadt ziehen zu wollen. Der Großteil, 73 Prozent, will an den Stadtrand oder in den Speckgürtel ziehen, wo er einerseits schnell die Vorzüge der Stadt genießen kann, andererseits aber auch die Natur und Freiflächen hat. Vor allem in der Gruppe der 30- bis 49-Jährigen, also die klassische Familie mit Kindern, wollen viele ein Eigenheim mit Garten.

Die Flucht aufs Land hat aber auch Kostengründe. „Die Preise für eine Wohnung in Innenstadtlage sind in den letzten Jahren stark gestiegen“, sagt Immobilien-Experte Max Wohlgemuth. „Um den Preis einer Innenstadtwohnung bekomme ich schon ein schmuckes Haus im Grünen“

Das Dilemma: Der Arbeitsplatz liegt bei vielen in der Innenstadt. „Betroffene sind dennoch bereit, mittlerweile bis nach Stockerau Wohnungen und Häuser zu suchen“, sagt Anton Holzapfel vom Verband der Immobilienwirtschaft. Die Konsequenz: „Der Speckgürtel um die Stadt bekommt einen immer weiteren Radius.“ Mit der Gefahr, dass diese Region auch immer mehr verhüttelt.

Infrastruktur

Wer im Grünen lebt, will aber trotzdem nicht auf die Infrastruktur verzichten. So muss die optimale Wohnumgebung gut an öffentliche Verkehrsmittel angebunden sein, meinen 84 Prozent der Befragten. Auch gute Einkaufsmöglichkeiten und Parkmöglichkeiten sind den Österreichern wichtig. Aber auch die Nähe zur Natur würden vier von fünf Befragten als Grundbedingung für ein neues Domizil angeben. Unwichtiger sind Abendlokale und Sportmöglichkeiten.

Für ein Eigenheim würde der Österreicher im Schnitt 268.000 Euro ausgeben. Dabei ist aber zu beachten, dass knapp ein Drittel maximal 150.000 Euro zahlen würde. Zwei Drittel der Befragten würden zu dem Zweck auch einen Kredit aufnehmen.

Etwa jeder Zweite, der umziehen will, wird aber in einer Mietwohnung sein neues Domizil errichten – was ebenfalls an den Kosten liegt. „Die Politik muss darüber nachdenken, wie sie die Eigentumsbildung wieder mehr fördern kann“, sagt Experte Holzapfel. „Die Mietkauf-Modelle haben die Menschen nicht überzeugt.“ Es bräuchte daher für die Zukunft neue Fördermodelle.

"Hier gibt es alles was wir brauchen“

„Gleichwertiges Wohnen in Wien hätten wir uns einfach nicht leisten können“, sagt Cordelia Hönigsberger. Sie und ihr Mann leben in Bad Vöslau in einem Haus. Nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt – in Gehweite zum Wienerwald und dem Stadtzentrum.

Vor wenigen Jahren musste das Paar die Entscheidung treffen. Zieht es in die Heimatgemeinde des Mannes nach Niederösterreich oder nach Wien – in ihre Geburtsstadt? „Wir haben uns die Frage gestellt, wo ist es schöner zum Wohnen?“ Die Antwort fiel den beiden nicht schwer. „Im Endeffekt zahlen wir die Summe für das Haus hier, die wir in Wien für eine Wohnung bezahlt hätten – wenn überhaupt.“

Und Bad Vöslau biete von der Infrastruktur vieles – unter anderem Nahversorgung mit Lebensmitteln, Banken, Frisöre oder Schuhgeschäfte. „Hier gibt es alles was wir brauchen“, erklärt die 38-Jährige. Ganz abgesehen vom Garten, der das selbst sanierte Haus umgibt.

Gute Anbindung

Beide arbeiten in Wien. Cordelia Hönigsberger ist als Physiotherapeutin in der Bundeshauptstadt für Theramobil ständig auf Achse. Daher ist ihr eine gute öffentliche Anbindung wichtig. Wohnen in kleinen Orten, weit weg vom Schuss, wäre für sie gar nicht infrage gekommen. Nun ist sie mit der Bahn innerhalb einer halben Stunde in der Großstadt. „Ich brauche kein Auto“, sagt sie. Auch wenn es darum geht, Freunde zu treffen, ist die Bahn-Verbindung ein großer Vorteil. Bekannte, die in Wien am Stadtrand leben, bräuchten oft länger in die City als sie.

Österreicher zieht es an den Stadtrand

Kommentare