Wie sich der Klimawandel auf Wildbienen auswirkt
Das kollektive Summen und Brummen könnte diese Saison noch leiser werden. Die Zahl der Bienen und Schmetterlinge geht weiter zurück. Selbst in intakten Wäldern sind die beliebten Insekten-Arten zunehmend bedroht. Das zeigt eine Langzeitstudie aus 15 Jahren, sie weist vor allem Bienen, die oberirdisch nisten, als gefährdet aus. Auch in Österreich ist die Lage der wilden Verwandtschaft der Honigproduzentinnen prekär. Der Klimawandel trägt wesentlich dazu bei - aus unterschiedlichen Gründen.
Die Zerstörung von Lebensräumen, der Einsatz von Pestiziden und andere menschliche Einflüsse werden zu Recht für den Rückgang von Insekten verantwortlich gemacht, vom Massensterben ist die Rede.
Langzeitstudie aus den USA
Jetzt haben Forschende herausgefunden, dass selbst in Wäldern, die kaum von Menschen genützt werden, weniger Bienen und Schmetterlingsarten fliegen. Michael Ulyshen und sein Team werteten Daten aus den vergangenen 15 Jahren aus. Ihr Ergebnis: Die Bienenpopulationen sind in einem Wald im Südosten der USA um 62,5 Prozent zurückgegangen, die Schmetterlingspopulationen um 57,6 Prozent. Darüber hinaus nahm die Zahl der Bienenarten um 39 Prozent ab, heißt es in der in Current Biology erschienen Studie.
Zwischen 2007 und 2022 untersuchten die Forschenden fünfmal Insekten in drei Waldgebieten im Oconee National Forest im Norden Georgias. Die Gebiete waren vom Menschen relativ ungestört und wiesen keine invasiven Pflanzen wie den Liguster auf.
Klimawandel und Bioinvasoren
Das Team vermutet, dass der Klimawandel die Region erwärmt und sich auf das Überleben der Bienen und eventuell der Schmetterlinge auswirkt. Möglicherweise sind auch invasive Insekten schuld, insbesondere am Rückgang von Bienenarten, die in hohlen Stämmen, unter loser Rinde oder in verrottendem Holz nisten. Diese Arten waren am stärksten betroffen, berichten die Forscher, mutmaßlich weil exotische holznistende und blattschneidende Bienen sie um Nistplätze verdrängen oder weil ihre Nester sie nicht vor höheren Temperaturen schützen können.
Situation in Österreich
Auch in Österreich beklagen Experten die Lage der sechsbeinigen Überflieger. In den vergangenen Jahrzehnten seien 37 Wildbienen-Arten in Österreich ausgestorben, sagt Experte Heinz Wiesbauer. In der Neuauflage seines Buchs "Wilde Bienen" macht auch er neben dem massiven Verlusten von Lebensräumen, intensiver Landbewirtschaftung und Spritzmitteleinsatz den Klimawandel für diesen Bedrohung der enorm wichtigen Bestäuber verantwortlich. Noch gibt es hierzulande 707 Wildbienen-Arten.
Würde man die Kriterien der Roten Liste heranziehen, wären rund die Hälfte aller Arten in irgendeiner Art gefährdet, betonte der Landschaftsökologe und -planer, der 2017 die erste Ausgabe seines mehr als 500 Seiten umfassenden, reichbebilderten Werks zu dieser Hautflügler-Ordnung veröffentlicht hat. Während die Neuausbreitung von Arten recht einfach nachvollziehbar sei, bekomme man mangels systematischer Erhebungen "das Verschwinden von Arten kaum mit. Populationen werden kleiner und kleiner und verschwinden dann plötzlich", sagt Wiesbauer.
Negative Auswirkungen des Klimawandels
Der Experte erklärt auch den Zusammenhang zwischen dem Biodiversitätsverlust und dem Klimawandel: Angesichts einer höheren Artenvielfalt in südlichen Ländern könnte man meinen, dass die meisten Arten von einem wärmeren Klima profitieren könnten. Doch das Gegenteil ist der Fall - aus unterschiedlichen Gründen für alpine und Tiefland-Arten:
Limit am Berg
Die Gebirgsarten sind mit einem prognostizierten Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts konfrontiert, der einem Höhenunterschied von 300 Metern entspricht. Doch die oberhalb der Waldgrenze verbreiteten Bienenarten können kaum noch nach oben ausweichen, da die Flächen Richtung Gipfel immer kleiner werden.
Davon ist etwa die Alpenhummel (Bombus alpinus) betroffen, die laut Wiesbauer derzeit nur in Lagen über 2.200 Meter vorkommt. "Verlagert sich die Untergrenze des Lebensraums von 2.200 auf 2.500 Meter Seehöhe, nimmt die Fläche der alpinen und hochalpinen Biotope in den Alpen um 50 Prozent ab", hat Wiesbauer anhand von GIS-Rasterzellenauswertungen für den gesamten Alpenraum berechnet.
Hitzestress im Tal
Im Tiefland blühen durch steigende Temperaturen zunehmend bestimmte Pflanzen zu einem anderen Zeitpunkt als die darauf spezialisierten Wildbienenarten schlüpfen und aktiv sind. Durch den Hitzestress würden sich zudem Blüten häufig nicht richtig entfalten, wodurch das Pollen- und Nektarangebot für die Bienen eingeschränkt ist. Weil etwa die Skabiosen-Blüten im Frühsommer meist vertrocknen, sind die Bestände der darauf spezialisierten Hosenbiene (Dasypoda argentata) massiv eingebrochen und in Österreich vermutlich schon ausgestorben, so Wiesbauer.
Extreme Hitze zwinge die Bienen zudem zu längeren Pausen über die Mittagszeit, wodurch sich die Zeit für Nestbau und Provianteinlagerung verringert. Auch die zunehmende Entfernung zwischen Nistplatz und Futterpflanzen durch das stetig abnehmende Blütenangebot stellt die üblicherweise standorttreuen Wildbienen vor Probleme. Verschärft werde dies durch die zunehmende Konkurrenz durch die Honigbiene aufgrund der boomenden Imkerei in den vergangenen Jahren.
Allerweltsarten als Profiteure
Natürlich gebe es auch Profiteure der höheren Temperaturen und bestimmte Arten können ihr Areal erweitern oder ihre Bestände vergrößern. "Allerdings bekommen wir damit Allerweltsarten, während wir gleichzeitig hoch spezialisierte Arten verlieren", kann sich Wiesbauer einen Seitenhieb auf die Anfang des Jahres präsentierte, vom Landwirtschaftsministerium beauftragte Insektenstudie nicht verkneifen. Diese hatte die "in Summe überwiegend vorteilhaften Auswirkungen auf Artenreichtum und Bestände der untersuchten Insektengruppen" durch die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre in Österreich hervorgehoben, was nicht nur bei Wiesbauer für Kopfschütteln gesorgt hat.
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