Warum unser Büroalltag nicht mehr wird, wie er war
Andreas Gnesda berät Unternehmen bei der Suche, der Auswahl und der Gestaltung von Büroimmobilien. Die Corona-Krise stellt auch ihn vor neue Herausforderungen.
KURIER: Bedeutet die Pandemie das Ende des Großraumbüros?
Andreas Gnesda: Nein. Aber vorweg muss man fragen: Was ist überhaupt ein Großraumbüro? Es bedeutet einen Raum von mindestens 500 Quadratmetern, in dem 40 Personen arbeiten. In Österreich meint man damit oft schon zwölf Leute, das ist maximal ein Gruppenbüro. Die Pandemie bringt weder das Ende für das eine noch für das andere. Man muss allerdings zwei Dinge unterscheiden: Das Büroleben mit Corona und das Büroleben nach Corona. Ersteres ist nicht großraumkompatibel.
Was raten Sie jetzt?
Derzeit geht es darum, Dichte herauszunehmen. Die Büros nicht mit voller Mitarbeiteranzahl zu belegen. Die meisten Unternehmen arbeiten mit Schichtmodellen. Distanz baut man auf, indem man einzelne Arbeitsplätze sperrt. Wir machen etwa schachbrettartige Muster, wo man einander diagonal vis-à-vis gegenübersitzt. Eine weitere Maßnahme wäre der Aufbau von Barrieren und Bodenbeklebungen, um Personenflüsse zu kennzeichnen und reduzieren.
Woher wissen Sie eigentlich, was jetzt zu tun ist? Wir erleben derzeit ja eine Situation, die noch keiner erlebt hat.
Wir sammeln Expertise aus der ganzen Welt. Und wir tauschen Erfahrungen in Webmeetings mit Unternehmen. Derzeit hat noch keiner ein hundertprozentiges Erfolgsrezept. Aber der Austausch bringt uns weiter. Auch der asiatische Raum hat noch kaum Erfahrung damit. Wir müssen viel entwickeln.
Unternehmen wie Twitter wollen ihren Mitarbeitern auch nach Ende der Krise ermöglichen, von zu Hause aus zu arbeiten. Wollen die das überhaupt?
Für viele Firmen hat die Umstellung auf Homeoffice gut geklappt. Auch deshalb, weil die Technologie gut funktioniert hat und sich die Menschen unter größten persönlichen Anstrengungen adaptiert haben.
Aber wird das jetzt so weitergehen?
Wir werden sicher bis Jahresende Einschränkungen in unserem Büroalltag haben. Das wird Schritt für Schritt gehen. Nach zehn Wochen sehen wir: Es geht auch ohne Büro. Und zwar besser, als man angenommen hat. Das wird Auswirkungen auf das Danach haben. Ich glaube aber nicht, dass künftig alle zu Hause bleiben. Wir brauchen den persönlichen Kontakt. Vor allem für alles Koordinative und Inspirierende. In den neunziger Jahren haben Firmen vor allem in den USA aus Kostengründen versucht, das Büro komplett zu streichen. Das hat bei vielen Mitarbeitern zu Vereinsamung geführt. Ich denke, reines Homeoffice wird es nicht geben. Aber der Anteil wird steigen.
Besteht nicht im Homeoffice zudem die Gefahr zur ständigen Selbstausbeutung, wenn Arbeit und Privatleben sich vermischen?
Ja, das ist ein Riesenthema. Das müssen wir lernen. Da hilft uns das Büro künftig auch nicht. Wir müssen lernen, Freizeit zu planen. Man muss da eine gewisse Disziplin aufbringen und entscheiden, sich am Sonntag keine E-Mails anzuschauen. Das hat mit Eigenverantwortung zu tun, das können wir nicht der Stechuhr umhängen.
Das erste Großraumbüro Österreichs hat uns der Architekt Karl Schwanzer in den 60er-Jahren mit dem Philips-Haus auf der Triesterstraße eingebrockt. Warum hat es so lange gedauert, bis es sich bei uns durchgesetzt hat?
Gekommen ist es aus dem US-amerikanischen Raum. Bei uns hat es gedauert, weil wir eine andere Bürokultur haben. Ich unterstelle außerdem, dass im US-Raum immer schon das Kostenthema mitgespielt hat. Die Krise hilft uns, alles neu aufzusetzen. Wir wissen ja aus der Hirnforschung, dass die permanente Störung im Großraumbüro extrem schädlich ist. Jetzt haben wir die Chance, das neu zu denken.
Es wird nicht weitergehen wie bisher. Wo soll die Veränderung beginnen?
Das Wort Arbeitsplatz ist ein heikles Wort, es ist sehr emotional besetzt. Man kann anfangen zu fragen: Was kann denn dein Arbeitsplatz sein? Was verortet dich wo? Da ist viel Symbolik dabei. Wir lernen derzeit, unabhängig von Ort und Zeit zu arbeiten. Doch den persönlichen Kontakt kann eine Videokonferenz nicht ersetzen.
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