Das Ende der Großraumbüros?

Das Ende der Großraumbüros?
Seit Wochen gilt: Abstand halten. Was Corona für die Zukunft des Großraumbüros bedeutet, wo dicht an dicht gearbeitet wird.

In den vergangenen vier Wochen waren die meisten Büros in Österreich verwaist. Mitarbeiter arbeiteten großteils aus dem Homeoffice und isolierten sich selbst, um andere zu schützen. Geradezu gebetsmühlenartig wurde es über Wochen gepredigt: „Abstand halten.“

Nun gibt es Pläne, die Wirtschaft langsam wieder hochzufahren, Arbeitnehmer auch wieder in die Büros zu lassen. Doch wie hält man weiterhin das Prinzip „Abstand“ in modernen Großraumbüros? Wie hält man eineinhalb Meter Distanz, wo miteinander gearbeitet wird?

Tröpfchenübertragung

Was die meisten mittlerweile wissen, ist, dass Covid-19 über Tröpfchen übertragen wird. Diese gelangen beim Reden, lauten Rufen, Niesen oder Husten in die Luft – bei einem kräftigen Huster legen sie sogar bis zu sechs Meter zurück. Die offene moderne Bürolandschaft, die als der große Trend der vergangenen Jahre gilt, wird damit zu einer riskanten Arbeitsumgebung.

So vielversprechend das Konzeptder offenen Büros für viele Firmen auch sein mag – allzu oft hakt es an der richtigen Umsetzung. Wie Studien belegen, sind häufig genannte Beeinträchtigungen im Großraumbüro unter anderem Lärm, gefolgt von trockener oder schlechter Luft, Problemen mit der Temperatur und ungenügendes Licht.

Mehr Krankenstände

„Krankenstände sind in Großraumbüros auch nachweislich höher als in Einzelbüros, unter anderem weil die Ansteckungsgefahr höher ist“, betont Heinz Fuchsig, Baubiologe und Arbeitsmediziner.

In geschlossenen Räumen, die chronisch schlecht belüftet sind, haben Krankheitserreger zudem ein leichtes Spiel – vor allem, weil die offenen Bürowelten es Viren noch einfacher machen, belegen Studien.

Gute Belüftung wichtig

Zwar können physische Barrieren, wie etwa höherer Sichtschutz, Trennwände oder Regale eine Ansteckung mit Viren erschweren. Verhindern kann man sie so aber nicht.

Einen größeren Effekt hat laut Heinz Burgmann, Infektiologe an der Medizinischen Universität Wien, eine gute Belüftung. „Die Luftzirkulation verdünnt die Menge an Viren in der Luft und damit auch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion.“

Trendende?

„Wenn wir den Ausbreitungsweg von Viren berücksichtigen, spricht vieles dafür, den Trend zum Großraumbüro zu hinterfragen“, sagt Walter Hugentobler, der sich in seiner Forschung mit den Auswirkungen des Innenraumklimas auf die Gesundheit beschäftigt.

„Wir sollten zurückkehren zu kleineren Büroeinheiten, die idealerweise auch getrennt belüftet werden können.“

von Doktor Walter Hugentobler

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin

„Wir sollten zurückkehren zu kleineren Büroeinheiten, die idealerweise auch getrennt belüftet werden können.“ Dass Großraumbüros wohl nicht von heute auf morgen umgestaltet werden, ist dem Forscher bewusst.

Eine erste Maßnahme gegen die Verbreitung von Viren sei auch für ihn die Regulierung der Luftfeuchtigkeit und der Raumtemperatur. „Idealerweise sollte die Raumtemperatur 20 bis maximal 22 Grad nicht übersteigen – mit einer Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent.“

Abstand halten

Was das Prinzip des Abstandhaltens am Arbeitsplatz betrifft, so müssten laut Arbeiterkammer jedem Mitarbeiter mindestens fünf Quadratmeter Bodenfläche, sowie 12 Kubikmeter Luftraum zustehen. Allerdings geht das Arbeitsrecht nur von gesunden Arbeitnehmern aus.

„Neue Bestimmungen aufgrund von Covid-19 gibt es aber bislang nicht“, sagt AK-Experte Alexander Heider. Es gelte umso mehr die Grundregel, ein bis zwei Meter Abstand zu halten. Damit das Büro nicht zur Corona-Brutstätte wird, müsse sich aber auch die Art der Zusammenarbeit ändern, sagt Infektiologe Burgmann.

„Zum gegenseitigen Schutz sollten künftig Masken getragen und Körperkontakt vermieden werden.“ Auch regelmäßiges Händewaschen, das Desinfizieren von Tastatur und Telefonhörer senke die Ansteckungsgefahr.

Die Grundidee

Offene Flächen, mobile Trennwände, flexibel angeordnet Arbeitsplätze und der Einsatz von Licht und Pflanzen – mit diesem Konzept wurden bereits Anfang der 1960er-Jahre die alten und starren Bürostrukturen aufgebrochen.

Von Großraumbüros versprach man sich eine bessere Arbeitsatmosphäre, mehr Interaktion und Kommunikation unter den Mitarbeitern, sowie effizienteres und produktiveres Arbeiten. Ab einer (offenen) Grundfläche von 400 Quadratmetern zählt ein Büro zu einem Großraumbüro.

Verschiedene Definitionen beschreiben es als Büro mit mindestens zehn, einige mit mindestens 20 Arbeitsplätzen. Wie viele Beschäftigte in Österreich so arbeiten, wurde bisher nicht erhoben. Welche Büroumgebungen sich Arbeitnehmer wünschen, hingegen regelmäßig.

Mehr Rückzugsorte

Erst diese Woche veröffentlichte der österreichische Büromöbelhersteller Bene mit dem Karlsruher Institut für Technologie und dem Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung den „Challenge The Future of Work“ Report.

Die Erkenntnisse: „Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten“ ist die mit Abstand häufigste Antwort der Teilnehmer, gefolgt von regelmäßigen Treffen im Team und „Raum für informelle Gespräche“.

„Multispace-Büros müssen den Bedürfnissen und Tätigkeiten der Menschen entsprechen.Es gibt kein One-size-fits-all-Prinzip“, erklärt Michael Fried, Geschäftsführer für Marketing, Sales und Innovation bei Bene. „Großraumbüros wie wir sie aus amerikanischen Filmen kennen, gibt es in Österreich de facto nicht.“

Lösungen, um die Ansteckungsgefahr im Büro zu senken, sehe er mit dem Einsatz von Trennwänden oder Regalen. Der CEO vermutet: „Es könnten in Zukunft mehr Konzepte gefragt sein, um Mitarbeiter wieder mehr voneinander abzuschirmen. Aber das lässt sich nach knapp vier Wochen noch nicht sagen.“

Weiterlesen:

Challenge The Future of Work-Report: futureofwork.bene.com

 

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