Raubtier vor der Haustür: Füchse leben gut in der Großstadt
Wälder, Wiesen, Äcker – Großstadt: Derzeit streifen Rotfüchse nicht nur durch ihren angestammten Lebensraum, sie sorgen auch im Wiener Verkehr – zuletzt in der U-Bahn-Station Taubstummengasse und entlang der Margaretenstraße - für Aufsehen. Kein Wunder, sagt Wildtierökologin Theresa Walter von der Vetmeduni Wien: „Die Opportunisten verirren sich nicht ins Siedlungsgebiet, sie leben da.“
Überlebenskünstler
Rotfüchse sind Meister der Anpassung. Von allen Raubtieren sind sie global am weitesten verbreitet; vom Polarkreis bis in die Tropen. Auch zwischen Boden- und Neusiedler See sind sie nahezu überall daheim. Wo Urbanität ins Grüne wächst, kommt es vermehrt zu Mensch-Tier-Kontakten. Doch nicht nur die Pendler im Pelz, die sich in Gärten Früchte holen oder Katzenfutter fressen, zieht es in Wohngegenden. Müll lockt sie schon länger bleibend an.
„Seit den 1930er-Jahren ist das Phänomen ,Fuchs in der Stadt‘ bekannt“, sagt Walter. Zunächst tauchten die Hundeartigen in London auf, bald in hundert weiteren Metropolen. Auch Melbourne zählte dazu, dabei war Vulpes vulpes – so der wissenschaftliche Name – in Australien erst eingeschleppt worden. In Österreichs Hauptstadt gibt es mittlerweile aus jedem Bezirk Meldungen. Die Plattform stadtwildtiere.at sammelt die Sichtungen.
Keine Touristen
„Im Gegensatz zum Ziesel etwa, das auf steppenartige Wiesen angewiesen ist, braucht der Fuchs den Wald nicht“, sagt die Expertin und zitiert aus einer deutschen Studie: Nur ein Drittel der Berliner Füchse wohnte in Erdbauten, ein Drittel buddelte Löcher unter Gebäude, um sich z. B. unter Gartenhütten oder Häuser zurückzuziehen, ein Drittel begnügte sich mit Büschen oder Holzstapeln, um die Jungen zur Welt und weiter zu bringen. „Die Füchse im Schlosspark Schönbrunn sind sicher keine Touristen. Auch die Tiere aus dem dicht verbauten 9. Bezirk sind hier geboren und sterben da“, weiß Walter. Nur im grünen Speckgürtel der Millionenstadt, wie auf dem Wilhelminenberg, gibt es den kleinen Grenzverkehr – tagtäglich.
Mutig und schlau
Naturgemäß sind die Allesfresser mit Interesse an Essensabfällen nachtaktiv und scheu. Doch auch in ihrem Verhalten erweisen sich die Überlebenskünstler als überaus flexibel. „Füchse in der Stadt lernen schnell, dass ihnen bei der direkten Begegnung mit dem Menschen keine Gefahr droht“, sagt Walter. Wie bei jeder Spezies gebe es Individuen, die mehr ausprobieren als andere; wozu verstecken, wenn sich das Baugerüst mittags herrlich als Rastplatz mit Rundumblick eignet. Im Gegensatz zu Wildschweinrotten sind die orange-weißen Kleinfamilien mehr als geduldet.
Auf Abstand
Trotzdem hat Europas häufigste Wildhundeart nichts von Schoßhündchen. „Füchse in der Stadt sind Wildtiere und auch so zu behandeln“, appelliert die Forscherin und gibt zwei Regeln aus. Erstens: „Füttern Sie Ihre Katze drinnen.“ Füchse finden im Großstadtdschungel genug Nahrung; die Leichtgewichte sind nicht auf den Menschen angewiesen. Außerdem reduziert die Eigenversorgung Konflikte zwischen Nachbarn. Naturliebhaber mögen die tierischen Besucher schätzen, Eltern von Kleinkindern tun es meist nicht. Zweitens: „Treiben Sie einen Fuchs nie in die Enge.“ Bei einer Sichtung lässt sich das Schauspiel aus der Distanz genießen.
Denn auch wenn Österreich als tollwutfrei gilt, können die Vierbeiner Krankheiten übertragen. Der Fuchsbandwurm findet im Menschen einen Fehlwirt, Räude, bei der Milben Juckreiz auslösen, trifft Hunde. Wildtierökologin Walter schließt: „Mit Füchsen, die aktiv gefüttert werden, schafft man Probleme.“
Bewusstsein schaffen
Wildtierökologin Walter schließt: „Fuchsbegegnungen sind in der Stadt häufiger als in der Natur. Sie bleiben bei Menschen hängen.“ Das sei eine schöne Möglichkeit, Bewusstsein für die Biodiversität vor der Haustür zu schaffen und für eine nachhaltige Entwicklung. Es gebe nicht viele Arten, die so ansprechen wie der attraktive Fuchs.
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