Für Jim Green war die Venus schon immer ein heißer Kandidat. Als der Chefwissenschafter der NASA dem KURIER vor zwei Jahren ein Interview gab, nannte er unseren Nachbarplaneten als seinen Favoriten bei der Suche nach Leben. Venus sei zwar jetzt zu heiß. „Aber das war nicht immer so. Wir haben herausgefunden, dass sie ein blauer Planet gewesen ist – der vielleicht erste bewohnbare Planet im Sonnensystem.“ Das sei „exciting“ und gelte auch für den Mars. „Es gab also drei blaue Planeten in unserem Sonnensystem, die Leben beherbergt haben könnten“, sagte Green. Da brauche es noch viel Forschung. „Ich bin aber sicher, dass wir diese Frage in den kommenden Jahren beantworten werden können.“
Schlagzeilen, in denen „Außerirdische“ und „Leben“ vorkommen, regen die Fantasie an. Ist da draußen etwas? Sind wir nicht alleine im Universum? Dazu muss man vorausschicken, dass Laien und Weltraumforscher Unterschiedliches im Kopf haben, wenn sie an „Leben“ denken – die einen mehrheitlich kleine grüne Männchen, die anderen noch viel kleinere Mikroben. Die Neuigkeiten von der Venus gehören in letztere Kategorie. „Wenn, dann handelt es sich um ganz einfaches, sehr primitives Leben“, sagt der Astrophysiker Wolfgang Baumjohann von der Universität Graz.
Nicht selten
„Wir sagen nicht, dass wir Leben gefunden haben“, stellte Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) klar. Bei dem Fund handle es sich höchstens um ein erstes Indiz. „Allerdings hat man derzeit keine gute Idee, wie Phosphin ohne Mikroben entstehen könnte“, kommentiert Baumjohann. Wobei: „Phosphin ist kein wirklich seltenes Molekül“, sagt Kosmochemiker Christian Köberl.
Seit den 1970er-Jahren weiß man, dass es in der Jupiter-Atmosphäre vorkommt und auch auf dem Saturn. Er denkt, dass „es einen photochemischen Vorgang gibt, den wir noch nicht kennen“. Denn: „Man findet im Sonnensystem auf jedem Planeten, jedem Mond, komplett Unerwartetes.“ Wobei es Köberl mit dem US-Astronom Carl Sagan hält: „Extraordinary claims require extraordinary evidence“ („Außerordentliche Behauptungen erfordern außerordentliche Beweise“). Sicher wissen wird man es erst, wenn man hinfliegt und nachschaut. Denn bisher wurde die Biosignatur von Phosphin nur von der Erde aus gemessen.
Generell spielen Chile und Hawaii eine große Rolle, wenn es um die Suche nach außerirdischem Leben geht. Über die Atacama-Wüste schwärmte schon so mancher Forscher: „Da sitzt man mitten in der Wüste auf einem Berg, ist dem Himmel so nah und kein Licht stört.“ Auf dem 5000 Meter hoch gelegenen Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden steht das Alma-Teleskop und bietet ideale Bedingungen, um Radiowellen zu messen, für die sich Forscher brennend interessieren.
Im Fall der Venus stießen die Astronomen tatsächlich auf ein Signal – rotierende Phosphin-Moleküle schicken Radiowellen mit einer charakteristischen Frequenz aus. Zuvor hatten Messungen des James Clerk Maxwell Telescope auf Hawaii bereits ähnliche Ergebnisse gebracht.
Wer sich jetzt aus dem Schulunterricht erinnert, dass auf der Venus-Oberfläche lebensfeindliche 480 Grad herrschen, dem sagt Astrophysiker Baumjohann, dass es in einer Höhe von 50 Kilometern wesentlich angenehmere Temperaturen um die 30 Grad gibt: „Da hat man immer schon angenommen, dass es dort Leben geben könnte.“
Köberl ergänzt: „Allerdings müssten die Bakterien auf der Venus in den Wolken sitzen. Doch die bestehen aus Schwefelsäure – also keine wirklich angenehme Umgebung.“ Unmöglich sei es aber nicht. Auch irdische Mikroben haben sich an die unterschiedlichsten Lebensräume angepasst und können dort gedeihen, wo ein Mensch nur wenige Sekunden überleben würde.
Andere Favoriten
Also rückt die Venus auf der Rangliste der Himmelskörper im Sonnensystem, auf denen Leben möglich sein könnte, nach oben. Baumjohann hat aber andere Favoriten: „Die größte Chance auf Leben besteht auf den Eismonden von Saturn und Jupiter, etwa auf Europa. Unter dem Eis befindet sich flüssiges Wasser. Dort könnte sich einfaches Leben entwickelt haben.“
Vielversprechend
Auch erste Messungen auf Enceladus, dem Saturnmond, sind vielversprechend. „Gut, wir haben keine Mikroben gesehen“, sagte Planetenwissenschafter Hunter Waite 2017. „Aber wir haben ihr Futter entdeckt.“ Unter dem Eismantel des Saturn-Trabanten liegt ein Ozean mit hydrothermalen Quellen, die theoretisch Energie für Leben liefern. Damit avancierte Enceladus laut Science zum Spitzenkandidaten für Leben.
„Auch die Frage, wie Methan auf den Mars kommt, ist noch nicht geklärt“, sagt Kosmochemiker Köberl. Die furzenden Kühe, die Witzbolde vorschlugen, wurden übrigens bereits verworfen.
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