Alte Ägypter vergruben abgehackte Hände als Kriegstrophäe

Alte Ägypter vergruben abgehackte Hände als Kriegstrophäe
Ägyptische Fremdherrscher dürften den Brauch, dem Pharao die Hände der Feinde zu präsentieren, eingeführt haben.

Österreichische Archäologen stießen 2011 bei Ausgrabungen in der ehemaligen Hyksos-Hauptstadt Avaris im östlichen Nildelta in Ägypten auf zwölf abgetrennte Hände im Vorhof eines Thronsaals. Anthropologen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) untersuchten nun diese Gliedmaßen.

Wie sie im Fachjournal Scientific Reports berichten, handelt es sich dabei um Kriegstrophäen, die den Feinden abgehackt, dem Pharao übergeben, mit Gold entlohnt und dann bestattet wurden.

Der Wiener Ägyptologe Manfred Bietak leitete - mit kurzen Unterbrechungen - von 1966 bis 2011 bei der heutigen Stadt Tell el-Dab'a im östlichen Nildelta Ausgrabungen des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI). Die Wissenschafter legten dabei mit Avaris die Überreste der Hauptstadt der geheimnisvollen Hyksos frei, einer Dynastie, die zwischen etwa 1640 und 1530 v. Chr. in Ägypten herrschte. Dabei konnten die Archäologen auch einen Hyksospalast zu großen Teilen ausgraben.

"Im Vorhof des Palastes, vor einem Raum, den wir als Thronsaal identifizieren konnten, entdeckten wir die Gruben mit den abgetrennten Händen", erklärte Bietak gegenüber der APA. Aus Grabinschriften prominenter Krieger und aus Tempelreliefs kannte man bereits das "propagandistische Motiv" der abgetrennten Hände, das den Pharao als siegreichen Heerführer preisen sollte.

Dabei präsentieren Soldaten dem Pharao die abgetrennte rechte Hand von Feinden und erhielten dafür "Ehrengold" in Form einer goldenen Halskette, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

Hand einer Frau darunter

Allerdings gehen diese Darstellungen alle auf den Beginn des Neuen Reiches (18.-20. Dynastie) zurück, als die Hyksos bereits vertrieben waren. Doch die Hände stammen aus einer früheren Zeit. Der Fund sei "insofern sehr spannend" und der erste archäologische Nachweis dieses Brauchs, so Bietak.

"Erst unter dem Begründer der 18. Dynastie, Pharao Ahmose (ca. 1550-1525 v. Chr.), der Avaris einnehmen konnte, gibt es eine Reliefdarstellung eines Haufens abgeschlagener Hände. Die abgetrennten Hände fanden sich jedoch im Hof eines Hyksos, einer Dynastie von Fremdherrschern asiatischer Abstammung, die vermutliche diesen Brauch nach Ägypten einführten."

Im Labor für prähistorische Anthropologie des DAI wurden die zwölf rechten Hände unter der Leitung von Julia Gresky nun eingehend untersucht. Sie stammen von elf männlichen und wahrscheinlich einer weiblichen Person im jungen Erwachsenenalter.

"Wir konnten zeigen, dass die Hände nach dem Tod vermutlich noch auf dem Schlachtfeld abgehackt wurden. Anschließend hat man sie sauber präpariert und von möglichen Resten des Unterarms befreit. Dies erfolgte mir größter Sorgfalt ohne Schäden an den Handknochen selbst zu verursachen", erklärte Gresky in einer Aussendung des DAI.

Nach Totenstarre abgetrennt

Deshalb halten die Wissenschafter auch nichts von der Theorie, dass es sich um Überreste einer Bestrafung für Kriminelle, etwa Diebe, handle. Es gebe weder schriftliche noch bildliche Darstellungen einer solchen Bestrafung im alten Ägypten. Zudem hätten sich keine Schnittspuren an den Knochen gefunden, was für eine sehr sorgfältige, rituelle Amputation spreche und nicht für eine barbarische Bestrafung.

"Wenn es eine Strafe gewesen wäre, hätte man die Hände einfach weggeworfen", so Gresky in einem Bericht auf der Science-Website.

Diese Sorgfalt deute auch darauf hin, dass die Hände nach dem Tod entfernt wurden. Wahrscheinlich wurden sie erst nach Ende der Totenstarre abgetrennt, andernfalls wäre es schwierig gewesen, die Sehnen, die die Hand mit dem Arm verbinden, zu durchtrennen, ohne Spuren auf den Knochen zu hinterlassen.

Hände mit gespreizten Fingern begraben

Die Hände wurden im Palast mit weit gespreizten Fingern meist mit der Handfläche nach unten bestattet. Dies sollte die Gliedmaßen - und somit die besiegten Feinde - noch eindrucksvoller und größer aussehen lassen, vermuten die Wissenschafter.

Die Gliedmaßen wurden zudem begraben, während sie noch intakt - also nicht verwest - waren, da Sehnen und Bändern die Knochen an ihrem Platz hielten. Das deutet darauf hin, dass sie alle bei einer einzigen Zeremonie bestattet wurden und nicht einzeln nacheinander.

Da die körperliche Unversehrtheit in der altägyptischen Sicht des Jenseits überlebenswichtig war, dürfte die Verstümmelung der Opfer auch eine tiefere Bedeutung gehabt haben. Für Bietak diente die Präsentation der Hände "wohl der Zählung der getöteten Feinde".

Wer diese im konkreten Fall waren, könne man nur mutmaßen: "Die Hyksos wurden in ihrer späten Regierungszeit von den Thebanern unter der 17. Dynastie angegriffen. Wir haben eine Stele des Königs Kamose, der über einen Vorstoß bis nach Avaris berichtet, die Stadt aber nicht einnehmen konnte. Dies gelang erst seinem Nachfolger, Pharao Ahmose."

Ob die Hände vom Angriff Kamoses oder einer anderen, historisch nicht bekannten Auseinandersetzung stammen, sei nicht klar, so Bietak.

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