„Alle meine Informationen basieren auf ägyptischen Texten“. Goldsmith macht weder vor Hieroglyphen noch vor Hieratisch, Demotisch, Alt-, Mittel- und Neuägyptisch oder Ptolemäisch halt. „Ich durchsuche alle Texte von Anbeginn der ägyptischen Geschichte bis zum Ende.“ Von 3.400 vor Christus bis 500 nach Christus. „Meine Forschung geht durch die ganze Kultur.“
So viel weiß sie bereits:
Anscheinend haben die Leute vom Nil unheimlich gut gerochen. So steht es zumindest in altgriechischen und lateinischen Texten. Rezepte sind allerdings kaum überliefert.
Einen beliebten Duft – Kyphi– hat Goldsmith Schritt für Schritt nachgemacht. Womit wir in ihrer Küche angekommen wären: „Auch im Alten Ägypten ging man nicht anders vor – kochen, zerreiben, zerkleinern, sieben ...“ Ursprünglich hat die Forscherin auf die Experimentelle Archäologie gesetzt, um die komplizierten Rezepte besser zu verstehen.
Mittlerweile hat sie auch das, was uns heute Chanel Nr. 5 ist, nachgebaut: Das Mendesische Parfüm benannt nach Mendes, jenem Ort im östlichen Nildelta, in dem es hergestellt wurde. 2012 hatten Archäologen dort die Werkstatt eines Parfümeurs entdeckt. Das Öl des Moringa-Baums, Kiefernharz und Kampferrinde, frisch gemahlene Myrrhe und Zimt – voluminös, warm, reichhaltig, süß und leicht bitter, beschreibt Goldsmith den Duft. Es war, wenn man so will, das Parfum von Kleopatra.
Parfümiert haben sich alle, so viel sei sicher, wahrscheinlich gab es aber große Unterschiede bei den Inhaltsstoffen. Die kostbarsten – Harze, Rinder und Wurzeln aus dem Ausland, wie Myrrhe, Weihrauch, Mastix, Kiefernharz, Storax, Kampfer, Galbanum, Zeder Kalamuswurzeln, Zypresse und Wacholderbeeren – blieben der High Society vorbehalten.
Der Duft von Reichtum
Es gab also eine ganz klare soziale Trennung, ist Goldsmith sicher. Sogar in den antiken Flakon-Vorläufern zeige sich der Klassenunterschied: Ton für die Normalsterblichen, Alabaster für die Reichen. „Wer gut roch, hatte auch hohes Ansehen. Die königliche Familie besaß sogar ein ganzes Parfüm-Lager.“ Und ein Beamter mit dem „Duft-Titel“ Groß an Parfum im Palast war ausschließlich für die Aufbewahrung der Kostbarkeiten verantwortlich.
Die heiligen Öle aber waren für alle im Diesseits tabu, so reich konnte man gar nicht sein. Goldsmith: „Es gab sieben davon, später sogar zehn. Diese Öle wurden für die Einbalsamierung der Mumien und im Tempelkult eingesetzt.“ Das Rezept eines dieser Öle für das Jenseits – Hknw (Freude) – fand sich eingemeißelt auf den Wänden eines Tempels in Edfu: Die Frucht des Johannisbrotbaums musste dafür zerrieben werden, dazu zwei Arten von Myrrhe und das süßliche Harz des Storaxbaums, sodass eine klebrige Paste entstand. Goldsmith:
Natürlich hatte jeder Tempel sein eigenes Laboratorium, in dem die Düfte hergestellt wurden. Und einen Lagerraum, gut versteckt, damit die Düfte nur ja kein Unbefugter findet.
Mittlerweile hat Goldsmith auch den Duft der Einbalsamierung rekonstruiert. Dafür gibt es kein Rezept. Aber Texte, die Mumien und das Ritual beschreiben. Inklusive verwendeter Düfte. Archäologische Grabungen ergänzen ihr nase-weises Wissen: „Flechte, Sägespäne von Koniferen, Wacholderbeeren, Selleriesamen und Harze dominieren, dazu ein Unterton von etwas ganz, ganz Altem. Riecht sehr gut und sauber.“
Goldsmith weiß, dass ihre Analysen auch Rückschlüsse auf Kultur und Gesellschaft zulassen. Zum Beispiel hat sie festgestellt, „dass die alten Ägypter in Sachen Düfte nicht gegendert haben. Es gab keine Frauen- und Männer-Düfte.“ Signal für Gleichstellung? „Frauen hatten eine wichtige Stellung in der Gesellschaft. Daher macht es schon Sinn, dass sie die gleichen Düfte getragen haben.“
Apropos Düfte tragen: Mittlerweile verkauft Dora Goldsmith die Gerüche aus der Antike auch. Warum sie sie selbst nicht trägt? Die Wissenschafterin lacht: „Ich liebe das, was ich tue, aber den Duft assoziiere ich mit Arbeit.“
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