Psychotherapeut: "Großteil der Sexualstraftäter sind keine Pädophilen“

Psychotherapeut: "Großteil der Sexualstraftäter sind keine Pädophilen“
Ein gewaltiger Missbrauchskomplex erschüttert Deutschland und Österreich. Was in pädophilen Menschen und Sexualstraftätern vorgeht.

Er soll sich als Babysitter angeboten haben, um seinen Opfern näher zu kommen. Ein 44-Jähriger aus dem nordrhein-westfälischen Wermelskirchen ist aktuell Hauptbeschuldigter eines gewaltigen Missbrauchskomplexes, dessen Ausmaße bis nach Österreich reichen.

Mit 70 weiteren Tatverdächtigen habe er laut Ermittlern ein pädophiles Netzwerk aufgebaut und gewaltige Datenmengen an kinderpornografischen Bildern und Videos getauscht. Er und ein Teil der verdächtigen Männer sollen über Jahre selbst Kinder schwer sexuell missbraucht haben. Das jüngste Kind sei einen Monat alt gewesen.

Jonni Brem ist klinischer Psychologe und Psychotherapeut und arbeitet seit 1986 in der Männerberatung Wien. In den letzten 25 Jahren konzentrierte er sich dort auf die Arbeit mit Männern, die sexuelle Übergriffe gesetzt haben. Im KURIER-Interview erzählt er, warum viele pädophile Männer Kindern niemals Schaden zufügen würden, welche Rolle Macht bei sexuellem Missbrauch spielt und warum weibliche Täterinnen so selten angeklagt werden.

In einem Penzinger Kindergarten soll ein Pädagoge mindestens vier Kinder sexuell missbraucht haben. Ein Pädagoge einer Wiener Mittelschule soll Schüler über Jahre sexuell missbraucht und kinderpornografisches Material angefertigt haben. Sie arbeiten selbst mit Männern zusammen, die sexuelle Übergriffe an Minderjährigen begangen haben. Wie geht es Ihnen mit solchen Nachrichten?

Jonni Brem: Zunächst bin ich immer kritisch, was solche Meldungen anbelangt, weil ganz viel Missbrauch passiert, der nie aufgedeckt wird. Wir gehen davon aus, dass nur ungefähr fünf bis zehn Prozent aller Missbrauchsfälle in Österreich aufgedeckt werden. Es ist also immer nur die Spitze des Eisberges. Und der Großteil des Missbrauchs findet nicht im öffentlichen Raum, sondern zu Hause statt. Dort wird er erst recht vertuscht.

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