Missbrauchsvorwürfe im Kindergarten: Behördenchefin abgesetzt

Missbrauchsvorwürfe im Kindergarten: Behördenchefin abgesetzt
Die Leiterin der MA-10 muss gehen. Unterdessen gibt es einen neuen Verdachtsfall in Penzing: Ein Pädagoge soll ein Kind ins Klo gesperrt haben, die Justiz ermittelt.

In der Causa rund um einen städtischen Kindergarten in Penzing gibt es einen neuen  Verdachtsfall: Laut Angaben der MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe), die als Aufsichtsbehörde der für die Kindergärten zuständigen MA 10 fungiert, soll ein Kind auf dem WC eingesperrt worden sein – weil es nicht schlafen wollte.  

Die Mutter dieses Kindes habe am 25. Mai eine entsprechende Meldung bei der MA 10  gemacht, diese sei umgehend – wie es von  der  MA 11 heißt – tätig geworden.  

Wie berichtet, wurden Mitte Mai mehrere Verdachtsfälle über möglichen  und teilweise schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in demselben Kindergarten in Penzing publik. Ein Pädagoge wurde vom Kinderdienst abgezogen, die Staatsanwaltschaft ermittelt in mittlerweile vier Fällen wegen möglicher sexueller Übergriffe, die Stadt setzte eine Untersuchungskommission ein.

Entlastendes Gutachten

Der Beschuldigte wird indes aber offenbar von einem Gutachten der Staatsanwaltschaft, das Ö1 zugespielt wurde, teilweise entlastet. Kolleginnen nahmen den Mann offenbar in Schutz, wie der ORF berichtet. So heißt es, was den Vorwurf sexueller Übergriffe unter anderem beim Wickeln betrifft: „Der Kindergärtner war nie alleine mit dem Kind und es gab auch keine Wickelsituation.“

Über die Einschätzung des Jugendamts heißt es im Gutachten laut ORF: „Durch die Zeugenbefragungen bei der MA 11 Jugendamt und den daraus resultierenden Sachverhalt können vonseiten der Behörde die Vorwürfe nahezu ausgeschlossen werden.“

Das Gutachten komme zudem zum Schluss, dass Aussagen des knapp dreijährigen Mädchens, um das es zunächst ging, nicht zu einer Verurteilung führen würden. Aus dem Gutachten geht auch hervor, dass die Gutachterin schon im April des Vorjahres mit dem Mädchen gesprochen hat, aber erst vor Kurzem ihr Gutachten an die Staatsanwaltschaft geliefert hat - über ein Jahr später.

Mittlerweile gebe es ein weiteres Gutachten, der Inhalt sei noch nicht bekannt.

Doch zurück zum aktuellen Fall: In dem soll es – laut jetzigem Stand – nicht zu einem sexuellen Übergriff gekommen. Dem Pädagogen wird – eben weil er ein Kind mutmaßlich auf dem Klo eingesperrt hat  – „pädagogisches Fehlverhalten“  vorgeworfen, wie der für die Kindergärten zuständige Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) am Dienstag mitteilte. Die Eltern wurden am Dienstag via Elternbrief der MA 10 über die „neuen Entwicklungen“ informiert.

Der neue Vorwurf sei im Zuge der „konsequenten Aufklärungsarbeit“ angesprochen worden.

Der Pädagoge war zum gleichen Zeitpunkt im betreffenden Kindergarten tätig und ist im September 2021 auf eigenen Wunsch an einen Standort in einem anderen Bezirk gewechselt.  „Dort gibt es bisher keine Vorwürfe der Eltern und keine weiteren Verdachtsfälle“, sagt Wiederkehr (Neos).

Wegen des Verdachts während seiner Zeit  in Penzing wurde der Pädagoge aber auch am  neuen Standort umgehend vom Dienst an den Kindern abgezogen.

Strukturelle Gewalt

Nun ist die MA 11 als Aufsichtsbehörde mit den Erhebungen in dem Fall betraut. „Für uns ist dieser Vorwurf eindeutig als strukturelle Gewalt einzuordnen“, sagt Sprecherin Ingrid Pöschmann.  Weil eine „unmittelbare Gefährdung des Kindeswohls“ bestand, habe die MA 11 den Sachverhalt am 3. Juni  an die Staatsanwaltschaft übermittelt.

„Kinder einzusperren, ist ein No-Go, die Kinder sind dann ausgeliefert“, sagt Pöschmann. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Verdachts auf Freiheitsentziehung. Wann sich der Vorfall zugetragen haben soll, ist noch unklar.  

Wiederkehr hat nun auch einen  Schritt in der Verwaltung  gesetzt: Dienstagfrüh bat er Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), die Leiterin der MA 10, Daniela Cochlar, von ihren Aufgaben zu entbinden. „Es gab zunehmend unterschiedliche Auffassungen, was das Krisenmanagement betrifft“, sagt Wiederkehr.

Und zwar vor allem hinsichtlich der Weitergabe von Information und in welcher Geschwindigkeit diese stattgefunden hat.

"Vertrauen erschüttert"

Cochlar wird vorgeworfen, im Fall jenes Pädagogen, der mutmaßlich vier Kinder sexuell missbraucht haben soll, Eltern, deren Kinder den betreffenden Kindergarten besuchen, nicht nur unzureichend, sondern auch viel zu spät informiert zu haben.

Auch Wiederkehr wurde erst spät von dem Fall berichtet.

Ludwig wird nun dem Wunsch Wiederkehrs nachkommen und Cochlar  absetzen – weil das Vertrauen Wiederkehrs in  die MA-10-Chefin „erschüttert“  sei, wie es  aus dem Büro des Bürgermeisters heißt. Cochlar selbst wollte sich auf  KURIER-Nachfrage nicht zu der Causa äußern.

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