"Tausende Pädophile unter uns" - Ein Therapeut über verhasste "Monster"

Symbolbild
Der Kindermissbrauchs-Fall "Bergisch Gladbach" hat die Menschen erschüttert. Was geht in pädosexuellen Männern vor? Ein Psychotherapeut im Interview.

Es gibt Männer, die starke sexuelle Gefühle zu Kindern haben, diese aber so sehr lieben, dass sie niemals eine Tat setzen würden. Weil sie wissen, sie richten Unheil damit an. Diese Männer leiden über alle Maße an ihrer Neigung. Pädo heißt Kind, Philie heißt Liebe. Auf niemanden also würde der Begriff Pädophiler besser passen, als auf jene, die keine Kinder verletzen. 

Die Klienten, die vor Alex Seppelt und seinem Team bei der Wiener Männerberatung zur Therapie sitzen, sind zum Großteil aber andere Typen. Nämlich jene, die bereits pädosexuelle Straftaten unterschiedlichen Ausmaßes gesetzt haben. 

Seppelt ist Psychotherapeut und arbeitet seit über 30 Jahren mit Männern und ihren Problemfeldern. Ein Gespräch über Mädchen ohne Namen, Schuldbewusstsein und die wenigen Psychopathen unter den Pädokriminellen. 

Der Fall “Bergisch Gladbach” hat die Menschen erschüttert. Ein riesiger pädosexueller Komplex wurde aufgedeckt. Die Vorwürfe lauten: Verbreitung und Besitz von verbotenem Bildmaterial und Videos und schwerer Kindesmissbrauch. 30.000 Spuren zu möglichen Tätern soll es geben. Wie geht es Ihnen mit solchen Nachrichten?

Alex Seppelt: Ich war überhaupt nicht überrascht. Ich weiß das aus meiner täglichen Arbeit. Zwei Promille aller Männer weltweit gelten als kernpädophil. Das klingt vielleicht wenig. Aber alleine in Wien haben wir Tausende. Kernpädophil bedeutet, der Mann ist ausschließlich über Kinder erregbar. Das ist aber nicht die Mehrheit. 

Bleiben wir noch bei den Begrifflichkeiten. Pädophilie ist als Krankheit zu sehen?

Die Pädophilie ist in der ICD (Internationalen Klassifikation der Krankheiten) unter F.65.4 gelistet. Ich finde das allerdings diskussionswürdig. Denn eine Krankheit ist es dann, wenn sie umgesetzt wird. Davor würde ich eher von einer Neigung sprechen, mit der verantwortlich umgegangen wird. Ich sage zu diesen Klienten immer: Wenn ihr es euer Leben lang schafft, die Pädophilie nicht auszuleben, dann seid ihr Helden. Und zu meinen Kernpädophilen sage ich immer: Wir müssen jetzt üben, was diverse Pfarrer nicht schaffen. Wir brauchen das Zölibat. 

Und sollte die Pädophilie umgesetzt werden, dann sprechen Sie von Pädosexuellen oder Pädokriminellen?

Genau. Es ist allerdings so, dass keiner dieser Männer laut “Hier!” geschrien hat, als die sexuellen Fantasien verteilt wurden. Diese Menschen durchleben ein furchtbares Dilemma. Und ist der Mann tatsächlich kernpädophil, dann steckt er in einem noch größeren Dilemma. 

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