Notre-Dame eröffnet wieder: Diese Meister bauten Kathedralen

So sah Notre-Dame um 1310 aus
Im Jahre 1163 lief auf der Seine-Insel Île de la Cité alles zusammen, was Rang und Namen hatte: Der König (Ludwig VII.) war da und der Bischof (Maurice de Sully) ebenso. Sogar der Papst, Alexander III., fand sich ein. Der hatte auch die Ehre, den Grundstein der neuen Kathedrale zu legen, die als Notre-Dame de Paris in die Geschichte eingehen sollte – mit Spitzbögen und Gewölben höher und feiner als alles bis dato Gesehene.
Es war die Zeit, in der Machtkämpfe die Christenheit erschütterten. Kaiser Friedrich I. Barbarossa gegen die Kirche lautete das Match. Papst Alexander hatte zwei Jahre zuvor nach Frankreich emigrieren müssen und schlug sich im Laufe der Jahre gleich mit vier Gegenpäpsten herum. Der Bau einer neuen riesigen Kathedrale im Herzen Frankreichs war da eine Kampfansage an alle Widersacher.
Die Umgebung von Paris war der Hotspot der beginnenden Gotik: Während dreier Generationen wurden mehr als 20 Großkirchen gebaut, die riesigen Baustellen bildeten einen wichtigen Motor für die ganze Region, um die 10.000 Menschen arbeiteten an den gotischen Kathedralen.
Äbte, Bischöfe und Herrscher traten als Bauherren auf: „Es brauchte einen Initiator, der sagte: Ich will so etwas haben. Im Falle von Notre-Dame war das der Bischof“, sagt Barbara Schedl, Kunsthistorikerin an der Universität Wien. Maurice de Sully wurde 1160 ins Amt berufen und verkündete, dass er die alte Kirche Saint-Etienne abreißen lassen und an ihrer Stelle ein Denkmal für die Jungfrau Maria errichten wolle.
Der Bischof wollte alle seine Kollegen übertrumpfen, die rundherum Kathedralen gebaut haben.
Kunsthistorikerin, Universität Wien
Die Zunft erlebte eine Hochblüte, die europäische Gesellschaft war im Aufbruch. Die Kreuzzüge brachten neue Ideen aus dem Orient. Technische Innovationen folgten, ein günstigeres Klima verbesserte die Versorgung der Menschen und führte zu Bevölkerungsanstieg. Im 12. und 13. Jahrhundert entstanden neue Städte – Bauboom inklusive. Die Bürger wurden selbstbewusster. Sich einen großen Kirchenbau zu leisten, war da nur konsequent.
Man ließ sich nicht lumpen und hat sich internationale Stararchitekten geholt.
Kunsthistorikerin, Universität Wien
Schon damals wurden Architektur-Wettbewerbe ausgeschrieben. „Im Fall von Mailänder Dom und St. Stephan ist das überliefert“, erzählt Schedl.
Was sich genau Mitte des 12. Jahrhunderts auf der Baustelle von Notre-Dame abgespielt hat, wissen wir nicht. Meist ist ohnedies nur von den Auftraggebern die Rede.
Lange Ausbildung
„Die Ausbildung der Baumeister wurde erst im 15. Jahrhundert geregelt und niedergeschrieben“, erklärt Schedl. Vieles war Tradition und ist nach Versuch und Irrtum entstanden. So viel kann die Kunsthistorikerin sagen: „Zuerst gab es eine lange Lehrzeit als Steinmetz.“ Danach musste man sich auf der Baustelle hocharbeiten, bis man Parlier (heute würde man Polier sagen) wurde – die Nummer zwei hinter dem Baumeister.
Die erste gotische Kathedrale entstand jedenfalls im Norden Frankreichs, in Saint-Denis. Hier tummelten sich wohl zahlreiche Handwerker, aber auch Frauen und Kinder.
Auch Pierre de Montreuil, einer der wenigen bekannten Baumeister von Notre-Dame (siehe Grafik oben), verbrachte ab 1231 seine Lehrjahre in Saint-Denis. Und weil Steinmetze wie Handwerker von Baustelle zu Baustelle zogen, landete der Meister irgendwann auf der Jahrhundertbaustelle im Herzen von Paris und entwarf die filigrane Südfassade.
Sein Nach-Nach-Nachfolger ist Architekt Philippe Villeneuve und hat seit der Brandnacht 2019 nur ein Ziel: Er will „seine Kirche“ ganz im Geiste der alten Dombauherren wiedererstehen sehen. Und so verbannte er Zement: „Unser Mörtel musste exakt nach dem Vorbild mittelalterlicher Baumeister hergestellt werden, mit Sand aus der Seine.“
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