Sudans Gold: Ein Fluch der Geschichte, der bis heute Kriege schürt
Der Beweis liegt im Museo Egizio in Turin: ein ägyptischer Papyrus aus der Zeit um 1300 v. Chr. Er gilt als älteste nubische Minenkarte und zeigt, dass der Sudan schon für die alten Ägypter das Goldland war.
Gut 3.000 Jahre später wird hier wieder im großen Stil geschürft: Als Wanderarbeiter 2012 im Westen des Sudan auf eine Ader stießen, begann der neuzeitliche Goldrausch. Einige Sudanesen wurden tatsächlich reich, darunter Mohammed Hamdan Daglo, der die Mine 2017 mit seiner Rapid Support Force (RSF) einnahm. Heute ist der Warlord der Goldkönig des Sudan. Unter seinem Spitznamen Hemeti steht er im Zentrum der Gewalteskalation. Seine RSF steht der sudanesischen Armee und deren Anführer, Staatschef Abdelfatah al-Burhan, gegenüber. Beide ehemals verbündeten Generäle wollen an die Macht.
Ohne die Goldvorkommen wäre es undenkbar, dass sich in einem der ärmsten Länder der Welt zwei Armeen mit Zehntausenden Soldaten bekämpfen. Fest steht, dass schon zu Zeiten der Pharaonen in großem Stil Gold abgebaut und nach Ägypten exportiert wurde. Dort entstanden kunstvoller Schmuck, Statuen, vergoldete Möbel. Die Archäologin Julia Budka arbeitet seit Jahren im Sudan und weiß: „Das Gold hat schon Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung dazu geführt, dass Ägypten den Nordsudan immer wieder besetzt hat. Das heißt: Seit 6.000 Jahren dreht sich alles um das Gold, und das Land ist von ausländischen Mächten ausgebeutet worden.“
Hochkultur
Dabei sagen neueste Forschungen, dass das historische Nubien vergleichbar mit anderen Hochkulturen und eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation sei. „Im Kolonialismus galt das Narrativ, dass die Afrikaner passiv auf ihren Bodenschätzen herumgesessen sind und warteten, dass eine tolle Zivilisation kommt“, sagt Budka. „Unsinn! Natürlich haben bereits die Nubier das Gold abgebaut. Die Kerma-Kultur war eine Hochkultur.“
Zerstörtes Kulturerbe
Dieser Tage sind genau diese Schätze aus der großen Vergangenheit in Gefahr. Nicht nur die aus dem längst geplünderten Nationalmuseum in Khartoum, die – glaubt man Gerüchten – bei Privatsammlern in den Emiraten gelandet sind. Auch im Norden des Landes, zwei Autostunden von der ägyptischen Grenze entfernt, wo die österreichische Archäologin forscht, wird Altes demoliert:
Dort gibt es Siedlungen, Friedhöfe – und Goldminen aus der Antike und diese Stätten werden aktuell von den Goldräubern zerstört.
Archäologin
Es handle sich um Quarzadern, aus denen heute mit schwerem Gerät große Blöcke gebrochen werden, um Gold im Milligramm-Bereich zu gewinnen. „Als Kollateralschaden des Krieges ist der nördliche Teil des Sudans zuletzt archäologisch großteils zerstört worden. Wirklich bedeutende Fundplätze sind kaputt, da brauchen wir überhaupt nicht mehr hinzugehen.“
Immer wieder wurde dem Land sein Reichtum zum Fluch. Nicht nur das Gold weckte Begehrlichkeiten. Der Sudan war lange eine wichtige Nachschubquelle für Sklaven. Später wollten die Briten das Gebiet – weil das auch Kontrolle über den Suezkanal und die Absicherung des schnellen Seeweges nach Indien bedeutetet, wo das Herzstück des britischen Kolonialreiches lag.
Schweres Kolonialerbe
Gleichzeitig förderten die Briten nur eine extrem kleine einheimische Elite, die entlang des Nils siedelte. Der Rest des Landes, insbesondere der Süden, interessierte nicht. Im Norden förderten sie den Islam und die arabische Sprache, im Süden Christentum und Englisch. Im Norden investierten sie Mühe und Mittel, den Süden vernachlässigten sie. Prompt brach mit dem Ende des Kolonialreiches ein Bürgerkrieg aus. Der Süden bekämpfte den Norden. Der Hass auf die städtischen Eliten lebt bis heute. Und befeuert die aktuelle Krise, die vielschichtig und nicht durch Einzelfaktoren erklärbar ist.
Auch jene jungen Männer, die jetzt versuchen, als Söldner der RSF ihr Leben zu fristen, sind aus historischer Perspektive nichts Neues. Die RSF ist aus dem legendären Darfur-Konflikt hervorgegangen. Wobei die ägyptische Besatzungsmacht schon 1820/’21 auf sudanesische Söldner gesetzt hat. 30.000 Nubier wurden versklavt. Man nannte sie „Sudan“, was einfach „Schwarze“ bedeutet.
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