Neue Therapien bei Brustkrebs

1500 Neuerkrankungen an fortgeschrittenem Brustkrebs jährlich.
Innovative Präparate für Frauen mit einer Erkrankung in fortgeschrittenem Stadium können den Einsatz von Chemotherapie hinausschieben.

"Wir haben heute auch bei fortgeschrittenem – metastasiertem – Brustkrebs deutlich mehr Therapiemöglichkeiten als noch vor einigen Jahren. Auch in dieser Patientengruppe wird ein Leben mit Krebs im Sinne einer chronischen Erkrankung immer wahrscheinlicher." Das sagt der Onkologe Univ.-Prof. Günther Steger, Leiter der Brustkrebsforschung der MedUni Wien / AKH Wien, im Vorfeld des KURIER-Gesundheitstalks kommenden Mittwoch zum Thema "Fortgeschrittener Brustkrebs (siehe unten).

Neue Therapien bei Brustkrebs
Günther Steger, Brustkrebsexperte
Zwei Drittel der Patientinnen haben einen "hormonsensitiven Brustkrebs" – Regulation und Wachstum dieser Tumore werden durch Hormone beeinflusst. Für sie gibt es eine hocheffektive, antihormonelle Therapie, gegen die die Tumorzellen aber resistent werden. "Eine neue Medikamentengruppe kann diese Resistenz deutlich verzögern", erklärt Steger.

Diese CDK4/6-Inhibitoren (zwei sind am Markt, ein dritter kommt nächstes Jahr) hemmen die Vermehrung der Krebszellen und werden als Kapseln zusätzlich zur Anti-Hormon-Therapie eingenommen: "Die Zahl der Patientinnen, die von der Therapie profitiert, kann gegenüber der reinen Anti-Hormontherapie verdoppelt werden. Und die Zeit, bis letztlich doch eine Chemotherapie notwendig ist, kann im Mittel von neun auf 17 Monate verdoppelt werden. Das erhöht die Lebensqualität der Patientinnen deutlich."

Keine "relevanten Nebenwirkungen"

Und: Diese positiven Effekte werden ohne "relevante Nebenwirkungen" erreicht: "Es vermindert sich die Zahl weißer Blutkörperchen, aber ohne dass der Patient mehr Infekte bekommt oder sonst Symptome hätte. Es sind lediglich mehr Laborkontrollen notwendig."

Neue Therapien bei Brustkrebs
Grafik FOTO YinYang/iStockphoto v. 16.11.2017, Bildnummer: 511655798, 46-104595168
Derzeit wird in einer von Österreich ausgehenden internationalen Studie getestet, ob mit diesen Präparaten auch vorbeugend das Auftreten von Metastasen verhindert werden kann. 4000 Frauen nehmen daran teil. Geleitet wird sie von der ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group): Österreichs größte akademische Forschungsorganisation, die international erfolgreich klinische Studien zu Brust- und Darmkrebs durchführt.

Gen-Mutation

Neue Therapiemöglichkeiten gibt es auch für Frauen mit fortgeschrittenem "triple negativen Mammakarzinom", das besonders schwer zu behandeln ist. "Bisher hatten wir hier nur die Chemotherapie zur Verfügung, aber jetzt steht erstmals eine Tablettentherapie für eine spezielle Gruppe dieser Frauen vor der Zulassung", sagt Univ.-Prof. Christian Singer, Leiter des Zentrums für erblichen Brust- und Eierstockkrebs der MedUni Wien (AKH Wien). Zeigt ein genetischer Test, dass eine Mutation eines der beiden Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA 2 vorliegt, wirkt ein sogenannter PARP-Inhibitor, den man als Tablette einnimmt. "Dieses kleine Molekül bremst ganz selektiv einen Reparaturmechanismus der Krebszellen – sie gehen dadurch zugrunde. Das ist eine echte Revolution – die Wirkung ist sehr effizient und nebenwirkungsarm."

Neue Therapien bei Brustkrebs
Porträt Prof. Dr. Christian Singer, Leiter des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs/AKH Wien
Diese Therapie scheint bei allen Patienten mit metastasiertem Brustkrebs zu wirken, die eine solche Gen-Mutation haben – am besten bei den "triple negativen" Erkrankungen. "Das heißt, man wird spätestens ab Zulassung der Therapie in ca. einem halben Jahr alle Frauen mit metastasiertem Brustkrebs auf eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation testen müssen."

Derzeit kann die entsprechende genetische Beratung in 70 Stellen österreichweit (in allen Brustkrebszentren, Infos: www.brustgenberatung.at) durch einen Facharzt (Onkologe, Gynäkologe) durchgeführt werden. Singer: "Der Arzt, der in einem solchen Zentrum die metastasierte Krebserkrankung diagnostiziert, muss auch weiterhin selbst entscheiden können, ob ein Gentest notwendig ist – und so wie jetzt auch die davor gesetzlich vorgeschriebene genetische Beratung durchführen können." Allerdings gebe es Bestrebungen, dass nur mehr ausschließlich Humangenetiker beraten dürfen. "Das wäre aus medizinischer Sicht eine katastrophale Entwicklung – gerade jetzt, wo die Genetik eine immer größere Rolle spielt und die betroffenen Frauen ein rasches Testergebnis benötigen."


"Fortgeschrittener Brustkrebs – neueste Forschungsergebnisse" ist das Thema des Gesundheitstalks am Mittwoch, 22. 11., 18.30 Uhr.

Gabriele Kuhn (KURIER) spricht mit Univ.-Prof. Günther Steger und Univ.-Prof. Christian Singer von der MedUni Wien sowie mit Sabine S. Spitz von Europa Donna Austria und selbst betroffene Patientin (siehe Zusatzartikel).

Veranstaltungsort: Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Straße), 1090 Wien.

Veranstalter: KURIER, MedUni Wien und Novartis.

Es war – im Februar 2014 – ihre Erstdiagnose: "Knochenmetastasierter Brustkrebs". Sabine S. Spitz arbeitete damals als Klinische- und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin für Kinder und Erwachsene. "Durch diese Diagnose war ich plötzlich mit der Endlichkeit konfrontiert – und habe seither immer im Hinterkopf, dass die Krankheit unheilbar ist." Heute koordiniert sie in in der Netzwerkorganisation "Europa Donna Austria" eine Arbeitsgruppe zum Thema metastasierter Brustkrebs: "Unser Ziel ist es, die Rechte der Patienten in allen Belangen zu vertreten."

Neue Therapien bei Brustkrebs
Sabine S. Spitz, Psychologin, Brustkrebspatientin
Eines ihrer Anliegen sind fixe Ansprechpartnerinnen für die Patientinnen – hier speziell die "Breast Care Nurse": "Diese besonders ausgebildete diplomierte Krankenschwester unterstützt Frauen und ihre Angehörigen." Dazu gehören Beratung und Begleitung durch die Krankheit sowie generell Hilfestellung– "sie geht mehr auf die persönliche Situation ein als dies einem Arzt möglich ist". Allerdings sind Breast Care Nurses noch nicht überall ausreichend verfügbar. Wenn sie selbst Patientinnen berät, ist ihr ein Satz sehr wichtig: "Wir sind nicht nur die Krankheit. Wir sind Menschen, die gelernt haben, mit der Krankheit zu leben."

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