Neue Blutdruckwerte: Was dahinter steckt

Viele wissen nichts von ihren hohen Blutdruckwerten.
Die Senkung des Grenzwertes in den USA soll Betroffene früher handeln lassen.

Bluthochdruck nicht erst ab 140/90 mmHg, sondern schon ab 130/80 mmHg: Die medizinischen Fachgesellschaften in den USA – etwa die American Heart Association – haben jetzt in ihren Richtlinien den Grenzwert für Bluthochdruck gesenkt (siehe untenstehende Grafik).

Warnzone wird Gefahrenzone

Bisher gab es in den USA als Stufe vor dem Bluthochdruck ähnlich wie in Österreich die Kategorie "Hoch normal" bzw. "Prähypertonie" ("Vor-Bluthochdruck"). "Diese frühere Warnzone ist jetzt Teil der Gefahrenzone", so die American Heart Association: "Die neuen Richtlinien sollen den Menschen helfen, ihren hohen Blutdruck früher unter Kontrolle zu bringen." Wobei die Autoren der Richtlinie betonen: Nur wenige der Menschen, die nach der neuen Kategorie jetzt offiziell Bluthochdruck haben, werden Medikamente benötigen – die meisten werden mit Lebensstiländerungen wie Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung oder mehr Bewegung auskommen.

Neue Blutdruckwerte: Was dahinter steckt
Grafik
Nach den neuen Richtlinien hat fast die Hälfte der US-Bevölkerung Bluthochdruck – davor war es ein Drittel. In Österreich hat laut einer neuen Untersuchung jeder vierte Mann und knapp jede fünfte Frau zu hohen Blutdruck. Experten gehen davon aus, dass nach dem neuen US-Grenzwert je nach Altersgruppe zumindest jeder Dritte bis Zweite einen zu hohen Blutdruck hat.

"Die Hauptbotschaft ist eigentlich, dass man bereits ab 130/80 mmHg aufpassen und auf den Blutdruck achten soll", sagt Univ.-Prof. Bruno Watschinger von der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie. "Es ist ja nicht so, dass über 140/90 alles schlecht und darunter alles gut ist. Das ist ja ein kontinuierlicher Prozess. Wenn jemand einen ersten systolischen Wert von 148 hat, denkt er sich, das ist von 140 ja gar nicht so weit weg – und wiegt sich in falscher Sicherheit, auch durch Bezeichnungen wie ,Prähypertonie‘ oder ,hoch normal‘. Wenn aber die offizielle Grenze bei 130 liegt, ist die Motivation, etwas zu unternehmen, möglicherweise höher."

Trend nach unten

Tatsächlich gebe es zunehmend Daten, dass niedrigere Werte (unter 140/90) einen größeren Schutz etwa vor Herzinfarkt und Schlaganfall bieten. So kam vor zwei Jahren eine US-Studie zu dem Ergebnis: Zumindest für bestimmte Blutdruck-Patienten ist ein erster (systolischer) Zielwert von 120 günstiger als die bisherigen 140. "Als Reaktion auf diese Studie empfehlen wir schon jetzt in Österreich, dass Menschen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Risiko – die etwa schon einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hinter sich hatten – ihren Blutdruck auf zumindest 135/85 bzw. noch besser auf unter 130/80 senken sollten." Auch in Österreich sind die Empfehlungen aufgrund der neuen Studienergebnisse in Überarbeitung und gehen in Richtung niedrigerer Werte. Watschinger betont: "Der Blutdruck ist ja nur ein Wert, es geht immer um das individuelle Gesamtrisiko eines Patienten."

Viele kennen Werte nicht

"Das Hauptproblem ist aber in Österreich: Viele kennen ihren Blutdruck nicht – und viele Patienten mit Bluthochdruck sind schlecht eingestellt und erreichen auch den derzeitigen Grenzwert von 140/90 nicht."

Ein Vorwurf von Kritikern lautet, solche Grenzwertsenkungen seien nur zum Nutzen der Pharmaindustrie, damit mehr Menschen als krank erklärt und behandelt werden. Watschinger: "Das sehe ich nicht so. Es geht darum bewusst zu machen, dass man mit niedrigeren Werten sein Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko senken kann. Bei Werten um130/80 ist das in erster Linie mit dem Lebensstil anzustreben – etwa durch Rauchstopp oder Gewichtsreduktion."

Watschinger betont aber auch: "Hätte ich schon einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hinter mir, dann würde ich persönlich auch Medikamente nehmen, um einen Wert unter 130/80 zu erreichen."

15 Blutdruckmessgeräte haben die deutsche Stiftung Warentest und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Vorjahr getestet: Nur drei davon wurden mit einem „Gut“ bewertet. Einige Produkte waren mangelhaft. Eine eindeutige Aussage, ob Handgelenk- oder Oberarmgeräte besser sind, ließen die Ergebnisse laut der Tester nicht zu. „Nicht alle im Handel erhältlichen Blutdruckgeräte messen den Blutdruck korrekt“, heißt es auch auf der Internet-Seite der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie (www.hochdruckliga.at). „Nur mit validierten Blutdruckmessgeräten können Sie sicher sein, das der gemessene Wert auch richtig ist.“

Validierte Messgeräte sind nach einem international festgesetzten Verfahren geeicht worden. Eine Liste dieser Geräte steht auf der Homepage. „Wichtig ist, dass man die Werte der Selbstmessungen gemeinsam mit dem Arzt überprüft“, sagt Mediziner Watschinger.

Einzelne Werte sind nicht aussagekräftig. Allerdings: Wenn der Durchschnitt der Werte der Selbstmessung über 135/85 mmHg liegt, besteht ein Bluthochdruck. Zu Beginn einer Messperiode misst man am besten zwei Mal täglich – in der Früh (vor der Tabletteneinnahme) und am Abend.

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