Zwei Monate Covid-19: Die Erfahrungen der Intensivmediziner

Intensivstation: Die Liegedauer der Patienten beträgt im Schnitt zwei bis vier Wochen.
Erste Bilanz: Drei Mal mehr Männer als Frauen auf Intensivstationen, überdurchschnittlich lange Behandlungsdauer sowie hoher Reha-Bedarf.

Die Erfahrungen aus knapp zwei Monaten intensivmedizinischer Betreuung von Covid-19-Patienten haben jetzt Experten der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) zusammengefasst und in einer Aussendung veröffentlicht.

Bei allen regionalen Besonderheiten gebe es doch einige gemeinsame Tendenzen, sagt Klaus Markstaller vom AKH / MedUni Wien, derzeit Präsident der Fachgesellschaft. Den rückläufigen Trend bei der Zahl der Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen sehe man mit "großer Erleichterung".

Die erste Phase der Pandemie habe gezeigt, dass insgesamt nur wenige SARS-CoV-2-positive Menschen schwer erkranken. "Aber jene, die von einer kritischen Erkrankung betroffen sind, haben sehr schwere Verläufe", schreibt Markstaller. Dies sei die Erfahrung von Intensivstationen in ganz Österreich.

Allgemein beobachtet wird neben der besonderen Schwere der kritischen Erkrankung auch die ungewöhnlich lange Dauer der Intensivaufenthalte – das hatte sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt gezeigt und wird durch weitere Erfahrungen zunehmend bestätigt.

"Auch wenn es Unterschiede nach Zentren und Regionen gibt, sprechen wir hier von Aufenthalten von zwei bis vier Wochen, das ist deutlich länger als die sonstige durchschnittliche Liegedauer auf Intensivstationen“, schreibt Markstaller.

Von schweren Krankheitsverläufen betroffen sind auch keineswegs nur hochbetage Patientinnen und Patienten: "An unserem Zentrum haben wir bisher etwa ein Durchschnittsalter von knapp 64 Jahren gesehen“, berichtet Intensivmediziner Christoph Hörmann (Universitätsklinikum St. Pölten).

Bei den Vorerkrankungen haben sich in der neuen Zusammenschau bisherige Beobachtungen bestätigt, erläutert Rudolf Likar (Klinikum Klagenfurt am Wörthersee): Bluthochdruck, die chronische Lungenkrankheit COPD und andere chronische Lungenerkrankungen, Adipositas (massives Übergewicht), Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, aber auch Schlafapnoe.

Verdeutlich hat sich der Befund zu den Geschlechterunterschieden: Während bei den bestätigten Covid-19-Diagnosen insgesamt nur knapp mehr Männer als Frauen betroffen sind, sieht es auf den Intensivstationen anders aus: Etwa dreimal mehr an Covid-19 erkrankte Männer wurden hier behandelt.

"Warum das so ist, ist noch wie viele andere Aspekte der Erkrankung nach dieser kurzen Zeit nicht ausreichend erforscht", sagt Intensivmediziner Walter Hasibeder (Krankenhaus St. Vinzenz, Zams). "Eine These betrifft den ACE-2-Rezeptor, der für das Andocken des Virus am Atemweg verantwortlich ist. Dieser ist bei Männern in höherer Dichte vorhanden."

Weil schwere Atemstörungen bei allen intensivpflichtigen Covid-19-Patientinnen und -Patienten im Vordergrund stehen, ist auch die Beatmung ein wichtiger Therapiebestandteil.

Hörmann: "Laut unseren Auswertungen wird etwa ein Fünftel der Patienten nichtinvasiv beatmet, die überwiegende Mehrheit wird intubiert. Likar: "Die Beatmungsinterventionen sind sehr aufwendig, hier sind auch kinetische Lagerungen, also das Verbringen in Bauchlage, erforderlich, was den Effekt der Beatmungstherapie oft deutlich verbessert."

Inzwischen kam an einigen Zentren bei einem kleinen Teil der Covid-19 Patientinnen und -Patienten mit schwerem Lungenversagen auch die Methode der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) zum Einsatz – eine intensivmedizinischeTechnik, bei der eine Maschine teilweise oder vollständig die Atemfunktion übernimmt. "Wir konnten bereits die ersten ECMO-Patienten wieder entlassen", berichtet Hörmann.

Besondere Bedeutung hat bei den schwer erkrankten Patienten die Therapie von Gerinnungsstörungen: Denn diese kommen häufig vor. Hasibeder. "Mit zunehmender Erfahrung sehen wir, dass Mikro-Gefäßverschlüsse ein Teil der massiven Probleme sein dürften."

Zum Einsatz kommt auch eine Vielfalt anderer Therapien, unter anderem etwa monokonale Antikörper und vereinzelt Therapien auf der Basis von Rekonvaleszenten-Plasma – letzteres mit unterschiedlichem Erfolg.

Mit zunehmender Zahl von als geheilt entlassenen Covid-19-Intensivpatienten zeigt sich auch, dass aufgrund der langen intensivmedizinischen Behandlungs- und Beatmungsdauer ein hoher Rehabilitationsbedarf besteht.

"Je länger die Beatmung andauert, desto mehr Atmungsmuskelmasse, aber natürlich auch Skelettmuskulatur, verschwindet. Betroffene bauen Muskelproteine ab und brauchen nach überstandener Krankheit sehr intensive physiotherapeutische Programme, um wieder auf die Beine zu kommen", erläutert Hasibeder.

"Gefahr noch nicht gebannt"

Die Intensivmediziner stehen jetzt vor einer doppelten Herausforderung, sagt Markstaller. Einerseits müssten die Versorgungsaufgaben für möglichst viele Menschen mit vielfältigen Erkrankungen, "die wir ja auch während der Krise betreut haben", weiter intensiviert werden.

"Andererseits müssen wir weiter gerüstet bleiben für einen möglicherweise wieder steigenden intensivmedizinischen Bedarf einer oder mehrerer weiterer Covid-19-Erkrankungswellen. Denn wir können nicht davon ausgehen, dass die Gefahr bereits gebannt wäre."

Aus anästhesiologisch-intensivmedizinischer Sicht waren und bleiben die Maßnahmen im Rahmen des Pandemie-Managements und die engagierte Umsetzung der Vorsichtsmaßnahmen durch die Bevölkerung wesentlich, so der ÖGARI-Präsident: "Das ist die Basis für den bislang positiven Verlauf und die Tatsache, dass bisher zu keinem Zeitpunkt die intensivmedizinischen Kapazitäten bis zur Überforderung ausgereizt waren. Die vielzitierte schrittweise Rückkehr zur Normalität ist zu begrüßen, doch wichtige Vorsichtsmaßnahmen wie Händehygiene und physischer Abstand werden und sollten uns noch lange begleiten, damit diese Befunde so bleiben."

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