XBB.1.5.: Neue Variante in Österreich angekommen
Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der Covid-Infektionen in Österreich ist gesunken. Aktuell beträgt die Sieben-Tages-Inzidenz 206 Fälle je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Im Oktober lag sie noch bei mehr als 1.000 Fällen je 100.000 Einwohnern. Die Abnahme zeigt sich auch in den Abwasserdaten sowie in einer Abflachung der Grippe- und RSV-Welle, die Österreich im November und Dezember fest im Griff hatte.
Laut dem Influenzanetzwerk der MedUni Wien, das aus ganz Österreich eingesendete Proben auf Influenza untersucht, nahm die Positivrate der Proben gegen Ende des Jahres 2022 ab. Während in Kalenderwoche 50 in 59 Prozent der Proben das Grippevirus nachgewiesen werden konnte, waren es eine Woche später 54 Prozent, wieder eine Woche darauf 52 Prozent. Allerdings wird europaweit weiterhin eine zunehmende Influenzavirusaktivität beobachtet.
Das führt zur schlechten Nachricht: Die Abnahme der Virenerkrankungen war möglicherweise nur vorübergehend, wie Genetiker Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf Twitter schreibt. "Die Feiertage sind vorbei und es sind immer die Feiertage, die Atemwegsinfektionen reduzieren, wie man bei der Grippe regelmäßig sieht. Auch die BA.5-Welle hat eine Sommerpause eingelegt und ist zu Schulbeginn wieder aufgetaucht. Das lag nicht an einer neuen Variante zu dieser Zeit", meint Elling.
Kurzes Abflachen durch Feiertage
Nach hohen Erkrankungszahlen im November und Dezember lieferten die Feiertage also wahrscheinlich nur ein kurzes Abflachen der Infektionen. Die massive RSV- und Influenzawelle sowie weitere Viren, die Erkältungssymptome verursachen, führten dazu, dass viele über die Feiertage auch krank waren und sich nicht mit Covid-19 infizieren konnten – schlicht, weil sie mit einem anderen Virus zuhause im Bett lagen.
Laut Abwasserdaten sind neue Varianten, wie die international sich derzeit stark ausbreitende Variante XBB.1.5, auch in Österreich bereits nachweisbar. XBB.1.5 spielt laut Elling "in Österreich noch keine relevante Rolle, wir sind erst bei rund zwei Prozent." Laut WHO ist diese besorgniserregende Variante aber europaweit auf dem Vormarsch. Fälle würden in kleiner, aber wachsender Zahl entdeckt.
Was XBB.1.5 ausmacht
XBB.1.5 ist eine Untervariante von Omikron, genau genommen eine Rekombinante aus zwei BA.2-Varianten. In den USA ist XBB.1.5 bereits für 28 Prozent der Covid-Infektionen verantwortlich und damit laut amerikanischer Gesundheitsbehörde CDC die zweithäufigste Variante. Weltweit wurde sie in rund 30 Ländern bisher nachgewiesen, darunter auch Pakistan.
Pakistan, das enge wirtschaftliche Verbindungen zu China hält, äußerte die Vermutung, dass XBB.1.5 aus China ins Land gelangt sein könnte. Dies ist allerdings nicht bestätigt, auch weil verlässliche Daten aus dem 1,4 Milliarden Einwohner Land nicht verfügbar sind. China wird allerdings derzeit – nach dem Fallenlassen der zuvor strengen Zero-Covid-Politik – von einer heftigen Covid-Welle getroffen.
Bekannt ist, dass die Variante XBB.1.5 Ende 2022 aufkam. Sie kann aufgrund einer Mutation im Spike-Protein noch besser in die menschlichen Zellen eindringen als frühere Varianten und das Immunsystem besser umgehen. Moritz Gerstung, Bioinformatiker am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, schätzt, dass sich die Fälle der Variante XBB.1.5 in den Vereinigten Staaten etwa jede Woche verdoppeln. Das ist vergleichbar mit der Rate, mit der die Varianten BQ.1 und BQ.1.1 im September 2022 gewachsen sind, aber langsamer als frühere Omikron-Wellen. "Die Verbreitung von XBB.1.5 ist immer noch beeindruckend schnell", meinte Gerstung gegenüber dem Fachjournal Nature.
"Wird die Welt dominieren"
Der chinesische Forscher Yunlong Cao, Immunologe an der Peking-Universität, untersucht mit seinem Team die Eigenschaften von XBB.1.5 im Labor. Er geht davon aus, dass XBB.1.5 sämtliche Varianten ablösen wird. "Es wird mit ziemlicher Sicherheit die Welt dominieren. Ich kann jetzt keinen einzigen Konkurrenten finden. Alles andere ist unvergleichlich", sagt Yunlong Cao,
Unklar ist aber, ob die Zunahme der Variante auch mit einer Zunahme der Fälle und schweren Erkrankungen einhergeht. Im Nordosten der USA stiegen gleichzeitig mit dem Auftreten von XBB.1.5 die Krankenhauseinweisungen. Forscher sind allerdings nicht einig darüber, ob dies tatsächlich zusammenhängt bzw., ob der Anstieg von XBB.1.5 möglicherweise überschätzt wird.
Tulio de Oliveira, ein Bioinformatiker an der Universität Sellenbosch in Südafrika, warnt etwa im Fachmagazin Nature davor, zu rasch Annahmen zu treffen. "Ich denke, dass viele Wissenschaftler sehr früh und mit sehr wenigen Daten zu voreiligen Schlüssen und Vorhersagen kommen." Ob XBB.1.5 zu schwereren Verläufen führt, könne noch nicht gesagt werden. Es wäre auch möglich, dass XBB.1.5 andere Varianten ersetzt, ohne einen großen Anstieg der Infektionen oder Krankenhauseinweisungen zu verursachen. Immerhin besteht in vielen Ländern eine hohe Immunität durch vorhergehende Infektionen sowie die Impfung.
Guter Zeitpunkt für Ältere zum Auffrischen
Doch selbst, wenn XBB.1.5 keine großen Covid-19-Wellen auslöst, wird es notwendig sein, sie genau zu beobachten. Ihre seltene Mutation, die ihr ein besseres Eindringen in menschliche Zellen ermöglicht und es ihr erleichtert Antikörper zu umgehen, biete auch eine Gelegenheit für weitere Mutationen, die wiederum gefährlich werden könnten. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb etwa zu dem Ausbruch in den USA auf Twitter: "Hoffentlich kommen wir durch den Winter bevor eine solche Variante sich bei uns ausbreiten kann. Wir überwachen, ob und wie stark XBB.1.5 in Deutschland auftritt."
In Österreich, aber auch in anderen Ländern, zeigt sich eine wachsende Diskrepanz zwischen Abwasseruntersuchungen und positiven Covid-Tests. Das könnte laut Elling zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass wiederholte Covid-Infektionen weniger schwer verlaufen und weniger getestet wird. "Für ältere Menschen dürfte das aber nicht zutreffen. Für sie ist auf jeden Fall ein guter Zeitpunkt, sich auffrischen zu lassen, wenn sie nicht kürzlich genesen sind oder geimpft wurden. (…) Solange die virale Evolution so schnell bleibt, ist die Endemie nur Welle um Welle", so Elling.
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