Welt-Gehirn-Tag: Welche Fortschritte die Parkinson-Forschung macht

Welt-Gehirn-Tag: Welche Fortschritte die Parkinson-Forschung macht
Neue Therapieansätze sind derzeit in Entwicklung. Bis zu 30.000 Betroffene in Österreich.

Bereits zum sechsten Mal findet am 22. Juli der World Brain Day statt, eine Initiative der World Federation of Neurology (WFN). Dieses Jahr wird die Parkinson-Krankheit in den Mittelpunkt gerückt.

Die Parkinson-Krankheit oder Morbus Parkinson gilt als die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach einer Demenz vom Alzheimer-Typ. Weltweit sind etwa 7 Millionen Menschen von der Parkinson-Krankheit betroffen. Schätzungen zufolge gibt es etwa 20.000 bis 30.000 Menschen mit Parkinson in Österreich. Angesichts der demographischen Entwicklung muss vor allem in den Industriestaaten in den kommenden Jahren mit einem Anstieg dieser Zahlen gerechnet werden. Ferner führt auch der Anstieg der Lebenserwartung zu einem Ansteigen der Zahlen, denn die Parkinson-Krankheit tritt überwiegend im Alter auf.

Die Mehrzahl der Betroffenen ist 60 Jahre oder älter, wenn die Krankheit festgestellt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Krankheit sporadisch, also ohne erkennbaren Auslöser auftritt. Nur etwa 10 Prozent der Parkinson-Erkrankungen sind genetisch bedingt. Dann spricht man auch von der familiären oder der erblichen Form. Hier sind Mutationen, also Veränderungen der Erbinformation, Ursache der Erkrankung. Patienten mit familiärer Parkinson sind meist unter 50 Jahre bei Krankheitsbeginn und damit deutlich jünger als Betroffene mit sporadischem Parkinson.

Derzeit ist die klinische Diagnose einer Parkinson-Krankheit an das Auftreten motorischer Symptome geknüpft. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanz-Tomographie oder Computer-Tomographie können andere Krankheiten ausgeschlossen, oder gegen andere Formen von Parkinson Syndromen – den sogenannten atypischen Parkinson-Syndromen - abgegrenzt werden. Hierzu sind in den letzten Jahren Nachbearbeitungsmöglichkeiten vor allem in der Magnetresonanz-Tomographie entwickelt worden, die bestimmte Muster des Zelluntergangs und die daran anschließende Atrophie anzeigen können. Seltene genetische Ursachen der Parkinson-Krankheit lassen sich in besonderen Fällen durch eine Gensequenzierung herausfinden. Dabei handelt es sich um eine molekularbiologische Laboranalyse zum Erbmaterial von Betroffenen, die in einer Blutprobe oder einem Abstrich aus der Mundschleimhaut untersucht wird. Sollte bereits vor dem Auftreten von motorischen Symptomen ein dringender Verdacht auf eine Parkinson-Krankheit bestehen, zum Beispiel, weil es eine positive Familiengeschichte bei Verwandten des Patienten gibt, kann dann frühzeitig auch ein sogenannter Dopamin-Transporter-Scan durchgeführt werden. Das ist eine nuklearmedizinische Untersuchung zur Festzustellung von Störungen im Stoffwechsel des Hirnbotenstoffes Dopamin.

Früherkennung ist wichtig

Die Diagnose Parkinson ist für viele Patienten und deren Angehörige zunächst sehr belastend. Später sind Betroffene aber oft erleichtert, da sie nun die Ursachen ihrer Beschwerden – insbesondere in bei Frühsymptomen - erklärt werden können. Heutzutage stehen die Chancen sehr gut, die Symptome und damit die Einschränkungen in der Lebensqualität über einen langen Zeitraum gut behandeln zu können. Das ist umso mehr ein Grund, Symptome frühzeitig abklären zu lassen. Je früher und konsequenter mit einer Therapie begonnen wird, desto besser: Das erhöht die Lebensqualität und hilft, den Alltag besser zu bewältigen.

Der Ausbruch einer Parkinson-Krankheit kann derzeit nicht verhindert werden. Aber die Symptome können mit Medikamenten behandelt werden: Seit den 1970iger Jahren wird weltweit bei allen Parkinson-Formen der Wirkstoff L-Dopa eingesetzt, um die Dopaminkonzentration im Gehirn zu erhöhen. Damit soll ein Dopaminmangel ausgeglichen werden, der bei der Parkinson-Krankheit aufgrund des Verlustes von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia Nigra auftritt. Die sogenannte „Schwarze Substanz“ ist ein Kerngebiet von etwa 400.000 Nervenzellen im Mittelhirn. Hier wird bei gesunden Menschen Dopamin gebildet, ein Botenstoff, der eine wichtige Rolle für Bewegungen und Koordination spielt. Bei Parkinson-Betroffenen führt die Schädigung der Nervenzellen in der Substantia Nigra zu einem Dopaminmangel, der wiederum zu den Parkinson-typischen Bewegungsstörungen führt.

Bei den seltenen genetischen Formen der Erkrankung werden daneben zusätzliche, an den Gendefekt angelehnte Formen der Therapie erforscht. Man untersucht dabei in ersten klinischen Studien, ob sich die Folgen des Gendefekts direkt korrigieren oder abmildern lassen. Dadurch könnte eventuell das Fortschreiten der Krankheit selbst verlangsamt oder ihr Beginn hinausgeschoben werden. Die breitere Anwendung solcher neuen Therapieansätze liegt zwar noch in der Zukunft, man weiß aber heute schon, dass auch Sport, Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Entspannungsübungen helfen, die Mobilität lange zu erhalten.

Insbesondere bei Mutationen im sogenannten GBA-Gen – innerhalb der genetischen Parkinson-Erkrankung eine der häufigsten Genmutationen - sollen in ersten klinischen Studien neue Therapieansätze verfolgt werden. Vergleiche von sporadischen und genetischen Parkinson-Formen tragen weiter dazu bei, dass bestimmte Stoffwechselwege, die durch Genmutationen gestört werden, auch bei Patienten mit sporadischem Parkinson genau auf etwaige Veränderungen untersucht werden können. Danach könnten auch sogenannte Biomarker identifiziert und verglichen werden, um Ähnlichkeiten im Stoffwechsel bei sporadischen und genetischen Formen der Erkrankung aufzudecken. Ansätze zur Reduktion des Proteins α-Synuclein und vor allem dessen pathologischen Stoffwechselprodukten durch Impfungen wurden bereits getestet. Ergebnisse dieser Forschung wird in den kommenden Jahren erwartet.

Diese Forschungsaktivitäten könnten dazu beitragen, dass auch bei sporadischem Parkinson neue Biomarker entdeckt werden, die die Erkrankung frühzeitig anzeigen würden, sagen Neurologen. Für zukünftige Therapieansätze könnte das auch bedeuten, dass man noch vor Auftreten der ersten motorischen Symptome therapeutisch tätig werden könnte, sofern entsprechende Biomarker auffällig sind. Damit gäbe es in Zukunft die Chance, den Ausbruch der Krankheit zu verzögern oder vielleicht sogar zu verhindern.

„Die Forschung bei der Parkinson-Krankheit zielt vermehrt auf Krankheitsmechanismen auf molekularer Ebene ab. Nur etwa 10 Prozent der Parkinson-Erkrankungen haben genetische Ursachen. Mutationen - Veränderungen der Erbinformation - sind dabei die Ursache der Erkrankung. Und dennoch, können – meiner Ansicht nach - Vergleiche zwischen nicht-erblichen und erblichen Parkinson-Formen in Zukunft wesentlich dazu beitragen durch Genmutationen gestörte Zellfunktionen zu erkennen, neue Biomarker zu identifizieren, und damit letztlich innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für alle Formen der Parkinson-Krankheit auf den Weg bringen“, sagt Sylvie Boesch, Präsidentin der österreichischen Parkinsongesellschaft.

„In Österreich leiden 20.000-30.000 Patientinnen und Patienten an einer Parkinson-Erkrankung, davon sind etwa 10% jünger als 45 Jahre. Neurologinnen und Neurologen in den Spezialambulanzen Neurologischer Kliniken und Abteilungen, aber auch im niedergelassenen Bereich gewährleisten eine exzellente Versorgung – von der Diagnose bis zu Therapie – zum individuellen Wohle von Patientinnen und Patienten in Österreich. Die besondere Güte der klinischen Betreuung ist auch den speziellen Forschungsinteressen und -erfolgen österreichischer Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftler zu typischen und atypischen Parkinson-Erkrankungen geschuldet, die hierbei seit Jahrzehnten eine internationale Vorreiterrolle einnehmen.

Der kürzlich verstorbene Neurologe Oleh Hornykiewicz war der Pionier zur Entdeckung und Anwendung von L-DOPA als heutzutage Standardtherapie bei der Parkinson-Erkrankung. Werner Poewe, früherer Vorstand der Univ. Klinik für Neurologie Innsbruck, ist als Doyen der Parkinson Forschung einer der zwei meistzitiertesten Neurowissenschaftler Österreichs. Die bildgebende Forschung zur Diagnose und Differentialdiagnose von typischen und atypischen Parkinson-Syndromen genießt ebenso höchste internationale Anerkennung. Das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten wird ständig optimiert oder erweitert. Dies betrifft nicht nur die medikamentöse Behandlung der Parkinson-Erkrankung, sondern auch andere Therapieformen, vom beispielsweise therapeutischen Sportklettern mit Parkinson-Erkrankten bis zur im speziellen Einzelfall sinnvollen Behandlung mittels invasiver (und zukünftig vielleicht auch nicht-invasiver) Tiefenhirnstimulation an einigen universitären Exzellenzzentren in Österreich“, so Thomas Berger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie. 

„Die Parkinson-Krankheit ist die mit Abstand am besten behandelbare neurodegenerative Erkrankung. Im Zentrum der symptomatischen Therapiemöglichkeiten steht dabei seit mehr als 50 Jahren unverändert der medikamentöse Dopamin-Ersatz mit L-Dopa und weiteren dopaminergen Substanzen. Hiermit lässt sich bei den meisten Patienten über viele Jahre eine gute bis sehr gute Kontrolle der motorischen Symptome erreichen. Dennoch ist bislang keine der verfügbaren Therapien in der Lage die Progression der Erkrankung aufzuhalten. Letzteres bleibt daher das vorrangigste Ziel der Parkinson-Therapieforschung. Hier haben die Fortschritte im Verständnis der molekularen Mechanismen, die zu Funktionsstörung und Nervenzelltod bei der Parkinson-Krankheit führen, in den letzten Jahren vielfältige neue Angriffspunkte für progressionsmindernde Behandlungs-Ansätze eröffnet. Damit sind die Chancen für einen weiteren Durchbruch in der Parkinson-Therapie erheblich gestiegen“, sagt Werner Poewe, ehem. Präsident der Österreichischen Parkinson-Gesellschaft , der Österreichischen Gesellschaft f. Neurologie und der International Movement Disorder Society.

Woher der Name kommt

Namensgeber der Krankheit ist der englische Arzt James Parkinson, der die Symptome 1817 in einem Aufsatz zur „Shaking Palsy“-  der „Schüttellähmung“ - beschrieb: Zittern, auch Tremor genannt, sowie Bewegungsstörungen und Einschränkungen der posturalen Stabilität. Daneben gibt auch andere Symptome, anhand derer eine Parkinson-Krankheit deutlich wird. Die sogenannte Frühphase der Erkrankung unterscheidet sich vom Krankheitsbild in einem späteren Stadium. Als Frühsymptome können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns, eine leisere, monotone Stimme, das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen oder Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich auftreten. Zu bekannteren und im fortgeschrittenen Stadium vorherrschenden Symptomen gehören eine Bewegungsstörung, ein vornüber gebeugter Gang, Muskelsteifigkeit, kleine langsame Schritte, Ruhetremor, Stürze, reduzierte Mimik oder eine kleiner werdende Handschrift.

Die genannten Frühsymptome wie gedrückte Stimmung und Schlafstörungen können zwar auch Auswirkungen anderer Krankheiten wie einer Depression sein, dennoch sollten Menschen solche Symptome frühzeitig beim Hausarzt oder Neurologen ansprechen. Insbesondere bei Frühsymptomen ist der Hinweis auf Schlafstörungen hilfreich. Im Frühstadium der Parkinson- Krankheit kann der Traumschlaf gestört sein. Dadurch schreien Patienten im Schlaf, schlagen um sich oder treten. Das kann vor allem Partnern von Betroffenen auffallen. Nahestehende Begleitperson können darüber hinaus oft wichtige weiterführende Auskünfte zu Verhalten, Stimmung, Stimme oder Beweglichkeit von Betroffenen geben.

 

 

 

 

 

 

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