Warum auch Österreich von Impfungen in ärmeren Ländern profitiert

Eine ältere Frau erhält eine Impfung von einer medizinischen Fachkraft vor einer hellblauen Wand.
Neue Virusvarianten, die in einem anderen Teil der Welt entstehen, könnten auch den Impferfolg in Europa und den USA bedrohen.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, kritisiert und thematisiert es immer wieder: Vom Großteil der bisher produzierten Impfstoffdosen profitieren nur wenige reiche Länder, Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau "schauen zu und warten". Das könnte nicht nur die globale wirtschaftliche Erholung in die Länge ziehen, sondern auch dem Virus Gelegenheit geben zu mutieren und die Wirksamkeit der Impfungen weltweit zu unterlaufen. "Das könnte bedeuten zurück auf Feld eins", warnte er. Für heftige Diskussionen sorgt jetzt der Vorstoß der USA, dass Pharmafirmen vorübergehend den Patentschutz auf ihre Corona-Impfstoffe verlieren sollten, um eine raschere globale Durchimpfung zu erreichen - der KURIER berichtete.

Der Virusimmunologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) ist Spezialist für die Analyse von Virusmutationen und erklärt ganz allgemein, warum es auch für Länder mit guter Impfstoffversorgung wichtig ist, dass auch in anderen Weltregionen der Impffortschritt rascher voranschreitet.

KURIER: Warum ist es auch für Europa und die USA wichtig, dass weltweit so viele Menschen so rasch wie möglich geimpft sind?

Andreas Bergthaler: Natürlich ist es vorrangig eine ethische Frage. In Europa diskutieren wir schon, wie wir im Herbst mit einer Auffrischungsimpfung unseren Schutz erhöhen können, während in vielen anderen Teilen der Welt die Menschen von einer raschen Erstimpfung noch nicht einmal träumen können. Aber es ist auch in unserem eigenen Interesse, global rasch zu impfen und die Infektionszahl so rasch wie möglich zu senken. Je niedriger sie weltweit ist, umso höher ist die Chance, dass die Impfstoffe auch in Zukunft gut wirken.

Weil weniger Infektionen auch das Risiko von neuen Varianten reduzieren?

Ein niedriges Infektionsgeschehen bietet dem Virus seltener die Gelegenheit, sich deutlich weiterzuentwickeln. Bei der Vervielfältigung des Virus-Erbmaterials, der RNA, können zufällige Fehler auftreten. Dabei gibt es zwei Aspekte: Auf der einen Seite die kontinuierliche Evolution des Virus, die wir von Anfang an mit ein bis zwei Mutationen pro Monat beobachten; auf der anderen die Varianten, bei denen es gleichzeitig zu deutlich mehr Mutationen kommt. Umso weniger Infizierte es gibt, umso geringer ist diese Gefahr.

Ein Mann mit Brille und Sakko sitzt an einem Schreibtisch voller Papiere.

Der Virusimmunologe Andreas Bergthaler betont die Bedeutung einer weltweiten raschen Durchimpfung im Kampf gegen neue Virusvarianten.

Aber die Impfstoffe scheinen ja derzeit zumindest schwere Krankheitsverläufe mit neuen Varianten wie der südafrikanischen verhindern zu können?

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit den jetzigen und dann regelmäßig angepassten Impfstoffen die derzeit bekannten Varianten kontrollieren können. Trotzdem kann man nicht mit Sicherheit ausschließen, dass sich das Virus in einer Form weiterentwickelt, die den Impferfolg gefährdet. Das kann einerseits durch die kontinuierliche Evolution der Fall sein oder auch durch andere, begünstigende Faktoren – etwa die Infektion von immunschwachen Personen, bei denen man mehr genetische Veränderungen von Coronaviren gefunden hat.

Und man kann die Ausbreitung neuer Varianten auch nicht immer eingrenzen...

Vor Dezember 2020 wussten wir nicht von der sogenannten britischen Variante B.1.1.7, heute dominiert sie unser Infektionsgeschehen. Eine neue Variante, die in einem anderen Teil der Welt entsteht, kann früher oder später auch bei uns den Impferfolg gefährden. So eine starke Veränderung kann wieder eintreten und wir können derzeit nur mutmaßen, wie sehr sich dann das Virus der Immunantwort eines Geimpften entziehen kann.

Wird eine weltweite Versorgung mit Impfstoffen die Pandemie stoppen?

Sie wird das Virus nicht auslöschen, aber das weltweite massive Infektionsgeschehen beenden, wenn nicht kurz-, dann mittelfristig. Zwei Faktoren sind entscheidend: dass in wohlhabenden Staaten möglichst viele Menschen das Impfangebot nützen und ärmere Regionen rasch viele Impfdosen erhalten.

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