Update: Was wir über die neue Variante BQ.1.1 wissen
Die WHO verfolgt rund 200 Omikron-Linien - in Österreich dominiert noch die Coronavirus-Variante BA.5 sowie BA.5 mit einer speziellen Mutation. Hierzulande sind aber wie in zahlreichen anderen Ländern BQ.1 und BQ.1.1 auf dem Vormarsch, wobei diese (mit einer weiteren Variante ) den schnellsten Wachstum im Varianten-Monitoring laut Molekularbiologen Ulrich Elling zeigen.
Am 20. Oktober hatte die europäische Gesundheitsheitsbehörde ECDC die Omikron-Linie BQ.1 als "Variant of Interest" (VOI) eingestuft: Wenn man sich den Coronavirus-Stammbaum vorstellt, dann handelt es sich bei BQ.1 um den Enkel von BA.5, bei BQ.1.1 um den Urenkel von BA.5, der sich wiederum aus BA.2 entwickelt hat.
Im Vergleich zu BA.2 verfügt BA.1.1. über sechs Mutationen am Spike-Protein. Im Vergleich zu BA.5 dürfte die Variante einen Wachstumsvorteil von 50 bis 60 Prozent haben.
Auf der Grundlage von Modellrechnungen erwartet die europäische Gesundheitsbehörde ECDC, dass bis Mitte November/Anfang Dezember 2022 mehr als 50 Prozent der SARS-CoV-2-Infektionen auf BQ.1/BQ.1.1 zurückzuführen sein werden. Bis Anfang 2023 werden voraussichtlich mehr als 80 Prozent der Fälle auf BQ.1/BA.1.1 entfallen.
Immunflucht
Die beobachtete Zunahme der Wachstumsrate von BQ.1 ist wahrscheinlich auf eine stark ausgeprägte Immunflucht zurückzuführen. Wie groß die Welle sein wird, die von dieser Variante ausgelöst werden kann, hängt auch vom Immunschutz ab und wie gut die Auffrischungen mit den BA.1. und BA.5. angepassten Impfstoffen angenommen werden. In Österreich haben nur 57,7 Prozent drei Stiche, nur 15 Prozent haben einen vierten Stich.
Daten aus Ländern wie Frankreich, wo BQ.1 bereits seit Oktober dominant ist, zeigen vorerst, dass eine Infektion mit BQ.1 bis jetzt nicht mit einem Anstieg von Krankenhaus-Einweisungen verbunden war. Auch in den Vereinigten Staaten dominieren bereits BQ.1/BQ.1.1, die mehr als die Hälfte der neuen Fälle ausmachen.
Für den US-Mediziner Eric Topol ist diese Entwicklung bemerkenswert: "Dies ist das erste Mal in der Pandemie, dass eine Variante mit eindeutiger, ausgeprägter Immunumgehung keine große neue Welle ausgelöst hat. Beispiele für frühere Varianten mit verstärkten Fluchteigenschaften sind Beta, Gamma, die Omikron-Varianten BA.1, BA.2 und BA.5. Jede dieser Varianten führte weltweit oder in bestimmten Kontinenten - Beta in Südafrika, Gamma in Südamerika - zu großen Wellen."
Wobei Kritiker einwerfen, dass Entwarnung erst gegeben werden kann, wenn die Lage auf den Intensivstationen ebenso stabil bleibt.
Eine aktuelle Studie der deutschen Universität Göttingen (Sie können die Studie hier auf Englisch nachlesen) zeigt, dass BQ.1.1 im Gegensatz zu den anderen untersuchten Varianten eine Resistenz gegen alle verfügbaren monoklonalen Antikörper aufweist. Dies unterstreicht sicherlich die Eigenschaften dieser Variante, dem Immunsystem zu entkommen.
Impfschutz
Zuletzt gab es zwei Studien, wonach der bivalente BA.5-Booster einen gewissen Kreuzschutz gegen BQ.1.1 aufweist. Der erste Preprint sah eine mindestens 5-fach erhöhte neutralisierende Antikörperreaktion gegen BQ.1.1 im Vergleich zum Booster mit dem herkömmlichen Impfstoff. (Sie können die Studie hier auf Englisch nachlesen.) Der zweite Preprint bestätigte eine 5-fach erhöhte neutralisierende Antikörperreaktion im Vergleich zum herkömmlichen Impfstoff. (Sie können die Studie hier auf Englisch nachlesen.)
Zudem konnte eine Studie eine Kreuzimmunität nach einem Durchbruch mit BA.5 zeigen. (Sie können die Studie hier auf Englisch nachlesen.)
Topol: "Es wäre verlockend, BQ.1.1 so zu interpretieren, dass wir aus dem Schneider sind. Durch all die Infektionen und Impfungen hat sich in den letzten drei Jahren ein Immunitätswall auf Bevölkerungsebene aufgebaut. Außerdem hilft uns unsere T-Zell-Immunität, die mit diesen Neutralisierungs-Antikörper-Tests nicht bewertet wird, bei der Abwehr von Varianten. Wir sind optimistisch, dass die Omikron-Familie uns kaum noch etwas Schlimmeres antun kann, als das, was wir bereits erlebt haben."
Also keine Sorge? "Nicht so schnell. Die SARS-CoV-2-Mutationsrate ist im letzten Jahr um 30 Prozent gestiegen. Omikron und insbesondere die XBB-Rekombinanten könnten immer noch eine erhebliche Bedrohung darstellen. Darüber hinaus besteht die düstere Aussicht, dass eine ganz neue Familie von Varianten auftaucht (z. B. Sigma), die sich von der Mutationskaskade unterscheiden, die wir seit über einem Jahr bei Omikron beobachten. Eine weitere Sorge ist, dass BQ.1.1 uns ohne eine monoklonale Antikörperbehandlung zurückgelassen hat."
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