"Man kann schon optimistisch sein, dass wir in dieser Welle nicht wieder in so arge Bedrängnis geraten werden wie in früheren Phasen der Pandemie." Die Zahl der Neuinfektionen sei inzwischen ohnehin nur mehr ein Parameter von vielen, die in Summe eine Risikoabschätzung ermöglichen. "Mit den Infektionszahlen alleine konnte und kann man nicht die Gesamtlage beurteilen."
Langer Atem vonnöten
Bis sich die Lage entspannt, werde es allerdings noch mehrere Wochen dauern. Umweltmediziner Hutter geht davon aus, dass sich die 7-Tage-Inzidenz, sprich die Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage, Anfang Mai bei einem Wert von 50 einpendeln wird. Derzeit liegt sie bei über 2.000.
Zurück zur Gegenwart: Engpässe in der kritischen Infrastruktur seien angesichts der enorm hohen Neuansteckungszahlen – die wiederum in massenhaft Quarantäne-Fällen und Krankenständen resultieren – nicht auszuschließen, sondern vielmehr erwartbar, sagt Hutter. In den Spitälern könnten sich die Höchstwerte in ein bis zwei Wochen ebenfalls bemerkbar machen.
"Auch, wenn Omikron seltener zu schweren Verläufen führt und man einkalkulieren muss, dass nach zwei Jahren Pandemie eine gewisse Basisimmunität in der Bevölkerung besteht, kann es bei so vielen Infektionen auf einmal zu einer Belastung der Krankenhäuser kommen."
Spitäler beobachten
Wie massiv diese ausfallen wird, könne nicht exakt abgeschätzt werden. "Neben Omikron mischt derzeit auch noch Delta im Infektionsgeschehen mit. Diese Variante verursacht sehr wohl häufiger schwere Verläufe." Immerhin sei aufgrund des engmaschigen Testens davon auszugehen, dass die Dunkelziffer bei den Neuansteckungen momentan "gegen Null geht".
Insbesondere auf die Lage auf den Normalstationen gelte es zu achten: "Die werden sich als erstes füllen. Die Lage dort wird es womöglich erforderlich machen, dass andere medizinische Interventionen wieder verschoben werden müssen." Auch schwer verkraftbare Ausfälle beim Personal seien zu befürchten.
"Vorsicht und Umsicht"
Für Lockerungen – am Montag soll etwa der Lockdown für Ungeimpfte enden – sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, betont Hutter. Er plädiert dafür, den Gipfel des Anstiegs abzuwarten und gleichermaßen mit "Vorsicht und Umsicht" zu agieren. "Es geht darum, ein komplettes Zusperren zu verhindern und die Pandemie und ihre Folgen unter Kontrolle zu behalten." Dafür brauche es, trotz aktuell schon beträchtlicher psychosozialer Belastung, "noch ein wenig Durchhaltevermögen: Positiv ist, dass die Schulen offen und Sozialkontakte mit einer gewissen Vorsicht absolut möglich sind."
Auch andere Expertinnen und Experten warnen vor einer verfrühten Aufhebung sämtlicher Maßnahmen. Einigen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern zufolge hält sich der Effekt des Lockdowns für Ungeimpfte aber in Grenzen. Diesen zu beenden stelle demnach kein großes Risiko dar.
Das Verhältnis zwischen Infizierten und Krankenhausaufnahmen hat sich verändert. Berechnungen zufolge könnte Omikron im Vergleich zu Delta nur rund ein Viertel der Hospitalisierungen verursachen. Dennoch könne man nicht ohne Weiteres viermal so hohe Infektionszahlen tolerieren, sagt Hutter: "Das wäre zu einfach gedacht. Es sind einfach zu viele auf einmal krank. Da hilft es in Summe wenig, dass die Verläufe milder sind. Außerdem geht es ja ärztlich auch darum, vermeidbare Todesfälle auch tatsächlich zu verhindern."
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