Von Ansteckung bis Immunschutz: Was Omikron ändert
Von einer Welle kann eigentlich keine Rede mehr sein. Vielmehr baut sich Omikron hierzulande momentan wie eine Wand auf. Weit über 20.000 Neuinfektionen – und damit erneut ein sehr hoher Wert – wurden am Donnerstag vermeldet. Dabei handelte es sich aber um Rohdaten. Die tatsächlichen Zahlen gab es nicht.
Wer sich mit der hochinfektiösen Variante ansteckt, darf auf einen glimpflichen Verlauf hoffen. Die Impfung wird damit aber nicht obsolet, zeigen neueste Studien.
Omikron könnte die gefährlichere Delta-Variante nachhaltig verdrängen. Welche Rolle spielen Impfungen dabei?
Dem südafrikanischen Virologen Alex Sigal zufolge sind hohe Durchimpfungsraten ein Muss, damit Delta verschwindet.
Forscher am Africa Health Research Institute konnten zeigen, dass Geimpfte mit Omikron-Durchbruch einen beträchtlichen Booster-Effekt beim Immunschutz erfahren. Ungeimpfte Omikron-Infizierte weisen einen viel schlechteren Antikörperschutz gegen Delta auf.
Warum ist der Immunschutz nach durchgemachter Omikron-Infektion begrenzt?
Es sei naheliegend, dass die vergleichsweise milden und kurzen Omikron-Verläufe eine mäßige Immunantwort provozieren, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch. Weitgehend ungeklärt sei die Frage, ob und wie gut die Omikron-Immunität gegen Ansteckungen mit potenziellen Ablegern dieser Variante wirkt.
Sollte der Immunitätsstatus von Genesenen deswegen weiter limitiert werden?
Wer lediglich genesen ist, genießt in Deutschland künftig nur mehr drei Monate lang Immunisierten-Rechte. In Österreich besitzen Genesene sechs Monate lang ein gültiges Impfzertifikat. Eine Verkürzung habe man im Nationalen Impfgremium (NIG) diskutiert: "Wir sehen dafür aber keine Veranlassung", sagt NIG-Mitglied Kollaritsch. "Es wäre unserer Ansicht nach nicht plausibel, Genesene drei Monate zu akzeptieren, aber zweifach Geimpfte sechs Monate." Auch Letztere seien vor einer Omikron-Ansteckung nicht gefeit.
Warum provoziert Omikron mehr Reinfektionen?
Neueste Daten der britischen Statistikbehörde legen offen, dass die Reinfektionsrate seit Anfang Dezember deutlich gestiegen ist. "Jemand, der sich mit Delta angesteckt hat, ist nur in sehr geringem Maß gegen eine Omikron-Infektion immun", bestätigt Kollaritsch. Vor schweren Verläufen könne ein Delta-Kontakt aber sehr wohl schützen. "Das läuft über die zellvermittelte Immunität, die nicht mutationsanfällig ist."
Warum braucht es den Booster, wenn Omikron nicht so krank macht?
Durch den dramatischen Anstieg der Omikron-Infektionen droht zwar womöglich keine Überlastung der Spitäler: "Massenhaft Quarantänefälle und Krankenstände wegen leichter Verläufe strapazieren aber die systemkritische Infrastruktur. Daher ist es wichtig, sich per Booster bestmöglich vor Infektionen und Impfdurchbrüchen zu schützen", sagt Kollaritsch.
Mit Erstimpfungen, die jetzt erfolgen, könne man in den Verlauf der Omikron-Welle nicht mehr eingreifen. "Bis man die Grundimmunität mit einer Zweitimpfung abgeschlossen hat, vergehen bis zu sechs Wochen. Wenn man sich ansieht, wie rasant sich Omikron verbreitet, kann man davon ausgehen, dass die Welle dann passé ist."
Was nützen Omikron-adaptierte Impfstoffe?
Pfizer und Moderna wollen ihre variantenspezifischen Vakzine im März zur Verfügung stellen. Omikron könnte dann längst nicht mehr grassieren. Mit Blick auf die Zukunft sind die angepassten Impfstoffe dennoch relevant. "Der Sommer wird uns wieder eine Verschnaufpause verschaffen. Solange das Virusgeschehen überschaubar ist, sollte bei möglichst vielen Menschen eine Grundimmunität erzeugt werden“, sagt Kollaritsch. Spätestens Ende September müsse man für die Herbstwelle gerüstet sein. "Dann brauchen wir die spezifischen Impfstoffe, um den Schutz gezielter zu gestalten."
Was passiert, wenn Omikron verschwindet?
Das sei nicht sehr wahrscheinlich: "Omikron ist so fit, dass eher davon abstammende Varianten zu erwarten sind. Die angepassten Impfungen sollten wirksam bleiben. Möglicherweise schützen sie sogar gut vor einer Ansteckung." Letztlich hänge es vom zirkulierenden Herbst-Erreger ab, ob die Impfungen mit den adaptierten Präparaten freiwillig bleiben können.
Wie hilfreich ist der Valneva-Totimpfstoff?
"Wir gehen von einer Zulassung mit Ende März aus", hieß es Donnerstag vonseiten Valneva. Anfang April könnten die ersten Dosen ausgeliefert werden. Valneva hat außerdem Labordaten veröffentlicht, wonach der Impfstoff auch Omikron in hohem Ausmaß neutralisieren kann. Wie hoch die Wirksamkeit tatsächlich ist, wird sich in echten Anwendungsdaten zeigen.
Die jetzt nachkommenden Vakzine hätten laut Kollaritsch allesamt einen entscheidenden Nachteil: Sie wurden nach dem Muster der ersten Impfstoffgeneration designt. "Sieht man sich an, wie viel die hochwirksamen mRNA-Impfstoffe bei Omikron an Effektivität eingebüßt haben, erscheint es reichlich unglaubwürdig, dass die neuen so viel besser sein sollen."
Weil Impfskeptiker Totimpfstoffen tendenziell mehr Vertrauen entgegenbringen, könne Valneva aber dazu dienen, bei Ungeimpften eine Grundimmunisierung abzuschließen, auf der man im Herbst aufbauen könne.
Weiterer Anstieg
Die Experten des Corona-Prognosekonsortiums rechnen in der kommenden Woche mit rund 40.000 Neuinfektionen pro Tag.
Intensivpatienten
Bis zum 1. Februar werden 245 Intensivpatienten erwartet – das wäre bei der derzeitigen Auslastung ein Anstieg von rund 24 Prozent. Am Dienstag waren es mit 197 noch knapp unter 200 Patienten.
17 Millionen Impfdosen wurden bis zum 19. Jänner 2022 in Österreich verabreicht.
Haben die Änderungen bezüglich des Janssen-Impfstoffes in Deutschland Implikationen für Österreich?
Bislang wurde in Deutschland bei dem Janssen-Impfstoff eine Dosis als vollständige Impfung anerkannt. Seit Freitag gilt diese Regelung nicht mehr. Nun gilt man erst nach einer zweiten Dosis eines anderen Impfstoffs als grundimmunisiert. Der Zweitstich solle möglichst mit einem mRNA-Vakzin erfolgen. In Österreich sind Nachweise über eine einmalige Impfung mit dem Janssen-Vakzin schon seit 3. Jänner im Grünen Pass nicht mehr gültig. Laut Kollaritsch ist eine Zweitimpfung mit demselben Impfstoff möglich, die Verwendung eines mRNA-Vakzins provoziere aber jedenfalls die bessere Immunantwort.
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