Taucher mit massiven Lungenschäden: Wie gefährlich ist Covid-19 wirklich?
Der Tauchsport setzt eine gesunde Lunge und körperliche Fitness voraus. Umso beunruhigender muten Beobachtungen des Intensivmediziners Frank Hartig an, die er in einem Taucher-Magazin veröffentlicht hat. Er stellte an der Innsbrucker Universitätsklinik bei sechs Covid-19-Patienten, die Taucher sind, fünf bis sechs Wochen nach ihrer Genesung auf Computertomografie-Bildern (CT) schwerwiegende Schädigungen der Lunge fest.
Die "jungen Leute im besten Taucheralter" hatten alle milde Symptome. Sie wurden "nicht stationär behandelt und waren zum Zeitpunkt des CT beschwerdefrei", präzisiert er im KURIER-Interview. Hartig, der auch als Tauchmediziner Renommee hat, bringt einen weiteren Punkt ins Spiel: "Es gibt bei schwerstkranken Corona-Patienten das Phänomen, dass manche durch die Gabe von Sauerstoff oder künstliche Beatmung in einen schlechteren Zustand verfallen." Und: "Da wir massive Schädigungen der Lunge bei Patienten mit milden Verläufen festgestellt haben, ist meine Empfehlung, dass sich von Covid-19 genesene Taucher vor Saisonbeginn von einem Taucharzt untersuchen lassen."
Sauerstoff schädigt Lunge nicht
Dass die Gabe von Sauerstoff Covid-19-Patienten zusetzt, ist laut Georg-Christian Funk, Facharzt für Innere Medizin, Lungenkrankheiten und Intensivmedizin am Wiener Wilhelminenspital, nicht die Regel: "Das ist eine medizinische Rarität, die nicht bei Corona-Patienten zu beobachten ist." Richtig sei, dass künstliche Beatmung Schäden an der Lunge hinterlassen kann: "Das geschieht durch den erforderlichen Druck und die hohen Sauerstoffkonzentrationen." In vielen Fällen seien diese Schäden aber spontan oder mit Medikamenten umkehrbar. "Die Patienten erholen sich wieder."
Hartig sieht in seinen Beobachtungen auch einen Hinweis, dass bleibende Schäden der Lunge eine Corona-Langzeitfolge sein könnten. Dass sich die Lunge fünf bis sechs Wochen nach Symptombeginn nicht erholt hat, ist für Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde des Kepler Universitätsklinikums Linz, nicht überraschend: "Bei einer Lungenentzündung kann es bis zur vollständigen Rückbildung bis zu acht Wochen dauern."
Dem pflichtet Funk bei. "Bei Lungenentzündungen geht es Patienten oft nach zwei bis drei Wochen wieder gut, aber man findet eben noch Veränderungen im Röntgen oder CT. Dieses Hinterherhinken ist nicht ungewöhnlich." Covid-19-Studien hätten gezeigt, dass Patienten vier Wochen nach den ersten Beschwerden der Lungenerkrankung noch deutliche Veränderungen zeigen. Funk weiter: "Wir wissen auch, dass nicht alle Veränderungen im Lungen-Röntgen oder Lungen-CT mit gleicher Atemnot empfunden werden. Manche haben ausgeprägte Veränderungen, spüren aber kaum Atemnot. Andere spüren schon leichte Veränderungen sehr stark."
Seltene Komplikation denkbar
Als seltene Komplikation einer schweren Lungenentzündung könne es laut Funk zu einer organisierenden Pneumonie kommen. "Die Lungenentzündung bildet sich nicht normal zurück, es kommt zu einer überschießenden Entzündungsreaktion. Das wäre im Fall der in Innsbruck beobachteten Fälle zumindest denkbar. Ich kann aber keine Ferndiagnose stellen. Wir wissen auch noch nicht, wie oft eine organisierende Pneumonie als Komplikation einer Covid-19-Erkrankung auftritt."
Es kommt zu einem Einwandern von Entzündungszellen in die Lunge, nachdem sich das Virus in den tieferen Atemwegen ausgebreitet hat. "Das kann die Atmung beinträchtigen, weil dort, wo Luft sein sollte, sich entzündlich Sekrete befinden", sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde des Kepler Universitätsklinikums Linz. Das erschwert die Atmung. Üblicherweise kann man die dadurch verursachte Kurzatmigkeit oder Atemnot lindern, indem man Sauerstoff über eine Nasenbrille oder eine Maske anbietet.
Lamprecht: "In vielen Covid-19-Fällen ist das völlig ausreichend, nur dann, wenn es damit alleine nicht getan ist und die Atmung sich zu erschöpfen beginnt, kann künstliche Beatmung notwendig werden. Wobei hier auch die Atemarbeit abgenommen wird. Atmen bedeutet körperliche Anstrengung. Und in den meisten Fällen sind Patienten in diesem Stadium bereits sehr geschwächt."
Suche nach Klarheit
Noch sei es aber zu früh, um Klarheit über Langzeitschäden zu haben, sagt Funk: "Wir kennen die Krankheit erst seit knapp vier Monaten und lernen jeden Tag dazu. Aber chinesische Mediziner berichten von Patienten, die nach einem schweren Krankheitsverlauf Hinweise für Lungenfibrose haben."
Grundsätzlich kann jede Lungenentzündung nachhaltige Schäden am Organ verursachen, erklärt Lamprecht. "Vor allem, wenn es dort zu einer Narbenbildung kommt. Bei einer Lungenfibrose verengt sich das Lungengewebe an bestimmten Stellen, ist nicht mehr ident mit dem Ursprungsgewebe und auch nicht mehr so leistungsfähig. Umgelegt auf die Lunge bedeutet das, dass bei Vernarbungen im Bereich der Lungenbläschen der Gasaustausch erschwert wird."
Derzeit gebe es nur begrenzt Grund zur Sorge: "Wir haben am Kepler Universitätsklinikum in Linz bisher über 70 Covid-19-Patienten behandelt und keinen Hinweis darauf gefunden, dass Langzeitfolgen hier überdurchschnittlich häufig vorkommen. In den meisten Fällen ist die Entzündung vollständig abgeheilt."
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