Remdesivir: "Kein Wundermittel, aber wichtiger Baustein"
„Für einen Teil der Patienten ist das ein ganz toller Wurf.“ Das sagt Christoph Wenisch, Leiter der Infektionsabteilung am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital, zur eingeschränkten europäischen Zulassung von Remdesivir. Die EU-Kommission genehmigte am Freitag den Wirkstoff zur Therapie schwerkranker Covid-19-Patienten ab 12 Jahren unter Auflagen. Die Substanz hemmt die Virusvermehrung. „Sie ist kein Wundermittel, aber einer von mehreren wichtigen Bausteinen in der Therapie. Wir haben in Studien gute Ergebnisse gesehen.“
Voraussetzung für die intravenöse Anwendung über fünf oder zehn Tage ist, dass die Patienten mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden müssen. Am besten waren dabei die Ergebnisse bei jenen, die selbstständig atmen konnten und bei denen z. B. nur über eine Nasenbrille ein Luft-Sauerstoff-Gemisch in die Lunge geblasen wurde. Weniger profitierten Patienten, die unter Narkose über einen in die Luftröhre eingeführten Schlauch und ein Beatmungsgerät Sauerstoff erhielten. „Die Zulassung wird auch eine enorme Arbeitserleichterung bedeuten. Derzeit wird jede Anwendung umfangreich dokumentiert.“
Vier Tage kürzer krank
Nach bisherigen Daten kann Remdesivir die Krankheitsdauer von 15 auf elf Tage verkürzen: „Das macht für die Betroffenen viel aus und hilft uns auch im Spital, Ressourcen zu sparen.“ Manche Experten halten die Zulassung für verfrüht, weil noch kein Rückgang der Sterblichkeit belegt sei. Dazu Wenisch: „In einer Studie war die Sterberate unter Remdesivir um fünf Prozent reduziert. Natürlich ist das nur eine Studie, aber es ist doch ein Signal und toller Erfolg.“
Er setze aber viel Hoffnung auf einen neuen Ansatz, Remdesivir in früheren Krankheitsstadien über Inhalation zu verabreichen. Eine internationale Studie dazu startet noch im Juli. „Die Entwicklung könnte in die Richtung gehen, dass man Remdesivir schon bei milden Symptomen oder überhaupt gleich nach dem PCR-Test inhalativ als Spray in niedrigerer Dosis verabreicht.“
Neben Remdesivir sind für Wenisch auch das entzündungshemmende Cortisonpräparat Dexamethason, eine sehr wirksame Form der Sauerstoffgabe (Hochfluss-Sauerstofftherapie) sowie frühzeitige und intensive Therapie zur Hemmung der Blutgerinnung (senkt das Risiko von Blutgerinnseln) wichtige Therapiebausteine.
Die US-Regierung hat sich bereits Remdesivir für 500.000 Patienten gesichert – und weckte damit Sorgen vor globalen Engpässen. Der Österreich-Chef von Gilead, Clemens Schödl, beruhigt jetzt: „Die heimischen Behandlungszentren sind alle mit Remdesivir aus dem bisherigen ,Compassionate-Use‘-Programm (Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel in besonderen Härtefällen, Anm.) beliefert worden. Ich schätze, dass derzeit noch Ampullen für 100 bis 200 Behandlungszyklen vorrätig sind.“ Das wäre deutlich mehr, als bisher in der Pandemie verwendet wurde.
Und: „Im Laufe des vierten Quartals – eher gegen Ende hin – wird unsere Produktionsmenge den weltweiten Bedarf übersteigen. Für die Zeit bis dahin sind wir derzeit mit der EU-Kommission in Gesprächen über eine zentrale Beschaffung für Europa.“ Die Kommission entscheide dann, in welches Land wie viel geliefert wird. Wie groß die Gesamtmenge für die EU sein wird, steht aber noch nicht fest. Schödl: „Das hängt auch von der weltweiten Entwicklung der Pandemie ab.“
Bei schweren Verläufen einer Infektion mit Sars-CoV-2 folgt auf die Virusvermehrung in den Zellen eine überschießende Antwort des Immunsystems.
Antivirale Medikamente
Sie sollen die Vermehrung der Viren blockieren (z.B. Remdesivir) oder verhindern, dass Viren in (Lungen-) zellen eindringen (z. B. das „Penninger-Medikament“ APN01).
Antientzündliche Medikamente
Sie sollen die Abwehrreaktionen des Körpers so begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst (z.B. das Cortisonpräparat Dexamethason).
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